Georg Pachta-Reyhofen : „Ich sehe keinen Exodus“
INDUSTRIEMAGAZIN: Einige Automobilhersteller haben bereits vorsichtig das Ende der Absatzkrise in Europa eingeläutet, andere sind da skeptischer. Wo stehen Sie in dieser Frage?
Georg Pachta-Reyhofen: Hier muss man klar differenzieren: Die Konjunkturzyklen von Nutzfahrzeugen und Pkw unterscheiden sich deutlich. Lkw und Busse sind reine Investitionsgüter, während die meisten Pkw doch eher in den Bereich der Konsumgüter fallen. Einen Pkw kauft man sich vielleicht aus Vergnügen, zur Absicherung größtmöglicher Mobilität oder um bequem zur täglichen Arbeitsstätte zu gelangen. Mit einem Lkw hingegen muss man sein Geld verdienen. Die Logistikbranche ist darum eine Indikatorbranche: Wenn die Weltwirtschaft lahmt, sinkt der Transportbedarf rapide.
Das spüren auch Sie zurzeit?
Pachta-Reyhofen: Ja, wir sehen das in unseren Auftragseingängen sehr schnell. 2012 war für uns darum ein schwieriges Jahr, viele Spediteure haben inmitten der Euro-Krise erst einmal abgewartet und größere Investitionen verschoben.
Und wie sind die Vorzeichen für das laufende Jahr?
Pachta-Reyhofen: In der zweiten Hälfte des Jahres 2013 erleben wir eine gewisse Stabilisierung. Es gehen wieder deutlich mehr Aufträge ein, gerade auch in Deutschland. Dies kann durchaus auch mit Vorzieheffekten im Rahmen des neuen Euro-VI-Emissionsstandards zusammenhängen, der ja zum 1. Jänner 2014 verpflichtend ist. Einige Kunden wollen sich noch schnell die im Vergleich etwas günstigeren Euro-V-Fahrzeuge sichern. Es kann aber auch sein, dass sich darüber hinaus der Markt für Nutzfahrzeuge insgesamt wieder erholt – das müssen wir abwarten und aufmerksam beobachten.
Wird der Exodus der Produktion weitergehen? Vor kurzem hat etwa auch Daimler angekündigt, in Brasilien ein Werk bauen zu wollen.
Pachta-Reyhofen: Den Begriff des „Exodus“ halte ich hier für nicht passend. Wenn wir am starken Wachstum von Märkten wie etwa Brasilien oder Russland partizipieren wollen, dann geht das in vielen Fällen nur über eine lokale Produktion. Dazu gibt es manchmal keine Alternative. Gründe dafür sind zum Beispiel hohe Einfuhrzölle oder – wie in Brasilien – günstige Finanzierungsmodelle, die vonseiten der Regierung nur den Kunden einheimischer Produkte gewährt werden. Das bedeutet aber nicht, dass wir Produktionsaktivitäten aus Europa abziehen und einfach dorthin verlagern. Meist ist es eher eine Ergänzung zu schon bestehenden Werken, die die Zusatzbedarfe abdecken.
Die Befürchtung, dass damit Arbeitsplätze in Europa vernichtet werden, teilen Sie also nicht?
Pachta-Reyhofen: Nein, solche Maßnahmen tragen eher zur Sicherung von europäischen Arbeitsplätzen bei – zum Beispiel, weil neben Forschung und Entwicklung oft auch hochwertige Schlüsselkomponenten weiterhin von Europa aus zugeliefert werden.
Was bedeutet das für die europäische Zulieferindustrie? Wird sich die in Ihren Augen auf dem heutigen Niveau halten können?
Pachta-Reyhofen: Natürlich wird sich die Zulieferindustrie auch in Zukunft an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren müssen. Wenn die großen Hersteller ihre Investitionen eher in den Schwellenländern tätigen, weil dort die Wachstumschancen am größten sind, dann werden die Zulieferer dies ebenfalls tun. Ihre Voraussetzungen dafür sind gut – denn sie haben oft Vorteile gegenüber der lokalen Konkurrenz.
Die da wären ...?
Pachta-Reyhofen: Die hohe Qualität ihrer Produkte, ihre langjährige Erfahrung, die hohe Qualifikation der Mitarbeiter und deren Vernetzung mit den OEMs machen sie auch auf anderen Kontinenten zu verlässlichen Partnern. Wenn die Zulieferindustrie diese Stärken mit an neue Unternehmensstandorte nehmen kann, dann eröffnet dies auch für sie große Wachstumschancen.
Interview: Bernhard Fragner