Coverstory Oktober : Günther Apfalter: Der Titan-Mann
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Vor drei Jahren noch standen die Wetten auf die Magna-Karriere von Günther Apfalter nicht hoch. Qualitätsprobleme an mehreren (nichtösterreichischen) Standorten und leere Fertigungshallen in Graz schienen dem Bergfex aus Linz beruflich den Kopf zu kosten. Die Kibitze in der kanadischen Magna-Zentrale Aurora waren überrascht, als sich der neue starke Mann bei Magna, Donald Walker, hinter den letzten verbliebenen Stronach-Manager stellte. Inzwischen haben sich Apfalters Perspektiven durchaus gewandelt: Mit dem Auftrag für den BMW5er und für zwei Jaguar-SUVs kommt Magna Graz 2017 aus dem Tief der vergangenen Jahre. Außerdem entwickelt sich der von ihm verantwortete Bereich der Drittfertigung konzernintern vom Aschenputtel zum Königskind. Die Auftragsproduktion von Autos galt vor wenigen Jahren als aussterbende Kunst. Heute sucht Magna in dem Bereich nach Expansionsmöglichkeiten, gründet Tochterunternehmen und will Graz zur "Mutter" der Fremdfertigung (siehe Interview) machen.
Geheimsniskrämer
Die Hoffnungen Apfalters werden von streng gehüteten Plänen in Sunnyvale genährt, rund eine Autostunden von San Francisco entfernt. Elektrogetrieben, vollgestopft mit Assistenzsystemen – und am Ende seiner Entwicklung selbstfahrend. Das sind die Eckpfeiler des iCars, an dessen Entwicklung Apple unter dem Projektnamen „Titan“ unter Hochdruck arbeitet.. Apple-Chef Tim Cook soll die Entwicklung des Apple-Autos bereits 2014 abgesegnet haben. Im Frühjahr 2015 haben führende Projektmanager von Apple die Hallen bei Magna Graz besucht, um erste Gespräche über mögliche Kooperationen zu führen. Aktuell soll ein Dutzend Ingenieure an Apple ausgeliehen sein, um dem Softwareprodukt auch die Aussicht zu geben, einmal auf vier Rädern zu rollen.
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Geschwätzig wie Trappisten
Es ist wenig aufregend, Günther Apfalter zu Stand und Chancen des Apple-Auftrages zu befragen. Der Europa-Boss von Magna mauert ebenso aus wie das Apple-Pressebüro in Cupertino, das die Existenz eines Auto-Projekts noch nicht einmal offiziell bestätigen will. Dies treibt die Konjunktive in den Berichten über „Titan“ in den Himmel. 1000 bis 1800 Menschen sollen zwischenzeitig am iCar gearbeitet haben. In Berlin wurde ein geheimes Forschungslabor mit Dutzenden Aussteigern aus der Autobranche auf die Beine gestellt, die Mobilität „anders denken“ sollten. Spitzenkräfte von Samsung, Daimler und vielen anderen Herstellern und Zulieferern wechselten zum angebissenen Apfel, um ihre Träume einmal zu leben. Auch Elon Musk, Erfinder des elektrischen Wunderwagens Tesla, beschwerte sich über die massive Versuche Apples, strategisch wichtige Mitarbeiter abwerben zu wollen. An all diesen Entwicklungen dicht dran: Magna.
"New" sucht "old industry"
Apple hat nach dem ersten Jahr des automotiven Abenteuers verstanden, dass es Milliarden braucht, um ein technologisch völlig neues Auto von Null auf 100 zu bringen. Selbst der bestverdienende Konzern der Welt ist versucht, diese Kosten zu reduzieren. Zudem scheint man bei Apple interessiert, von Tesla zu lernen. Die Mitarbeiter um Alon Musk sind zwar Vorreiter im Bereich des Elektro-Antriebs und des autonomen Fahrens, Tesla ist aber nicht gerade eine Garant für Qualität und Lieferpünktlichkeit. Zudem wurde und wird noch jede Menge Geld in den Sand gesetzt. Dies, so hofft Apple, soll unter Miteinbeziehung der „old school“-Techniker von Magna professioneller ablaufen. Davor hat es bereits Gespräche mit BMW und Daimler über eine Zusammenarbeit gegeben, die aber ergebnislos abgebrochen wurden. Angeblich konnte man sich nicht über die Projektführerschaft einigen. Und Apple soll, so heißt es, die germanische Pingeligkeit bei Themen wie Datenschutz genervt haben.
Kein Euphoriker
Pingelig wirkt Günther Apfalter nicht. Er zählt auch nicht zu den großen Euphorikern – selbst im Angesicht von Kooperationen mit Hypemaschinen wie Apple. Wenn er Medienvertretern gegenüber sitzt, schalten seine Sensoren auf Vorsicht. Zu präsent sind die Momente vor vielen Jahrzehnten, als sein Vater, der legendäre Voest-General, von Politik und Medien für den Zusammenbruch der Verstaatlichten Industrie verantwortlich gemacht wurde. So klingt es beinahe beiläufig aus Apfalters Mund, wenn er im Interview den forcierten Kapazitätsausbau im Bereich der Gesamtfertigungen ankündigt. Der Beschluss, verstärkt auf den Bereich des "Contract Manufacturing" zu setzen, ist Ende Oktober des Vorjahres im kleinen Kreise der Magna-Spitzenmanager gefallen. Jetzt sucht Apfalter neue Standorte in Nordamerika, China oder Europa.
Graz im Zentrum
Dabei will der gebürtige Linzer keinesfalls als der Botschafter Österreichs in der Magna-Welt gesehen werden. Für Ihn, den letzten Mann Stronachs im Konzern ist das Unternehmen „europäisch und international“ und die heimischen Standorte „etliche unter vielen“. Wenn es den Österreich-Bonus „unter Frank“ jemals gegeben hat: Er hat heute ausgedient. Graz wird daher von den Zukunftsplänen zwar profitieren – aber eher über Umwege. Bei 200.000 Einheiten sind die Kapazitäten ausgereizt, weitere Zuwächse am Standort nur schwer umsetzbar. „Ein Auto zu bauen ist eine Kunst“, sagt Apfalter. Diese Kunst gelte es in Zukunft auf die neuen Standorte zu übertragen. Bei einer Übernahme eines der gegenwärtig halbausgelasteten chinesischen Hersteller – das gegenwärtig wahrscheinlichste Wachstumsszenario für Magna - werden die Erfahrungen aus Graz im Zentrum stehen.
Reboot
Fragt sich noch, wie es mit Títan weitergeht. Im Sommer stieg Apple beim Gesamtprojekt auf die Bremse. Die Fortschritte in der Akku-Technologie und die Disign-Studien hätten nicht den Erwartungen entsprochen, heißt es in einem vielbeachteten Artikel, der Ende August in der New York Times erschien. Und autonomes Fahren ist irgendwie auch schwieriger als gedacht. Mehrere Dutzend Mitarbeiter wurden entlassen. Die Kündigungen seien Teil eines Neustarts des iCar-Projektes, schreibt die NYT. Gemeint ist damit eine Neuausrichtung von Titan: Apple will sich auf die Entwicklung von Software für autonom fahrende Autos konzentrieren. Das Auto mögen andere bauen. Günther Apfalter wüsste da jemanden.
Günther Apfalter: Franks letzter Mann
Günther Apfalter, geboren 1960 in Linz, ist der Sohn des ehemaligen Voest-Generaldirektors Heribert Apfalter. Er ist seit dem Abschluss des Studiums für Agrarökonomie (BOKU) 1985 in der Autobranche tätig. Zunächst als Verkaufsleiter für Traktoren bei der damaligen Steyr-Daimler-Puch AG in St. Valentin. 1995 wurde er Chef des Landmaschinenherstellers Case Steyr und vier Jahre später Vizepräsident von Case für West- und Zentraleuropa. Seit 2001 ist er für Magna tätig. 2007 wurde Apfalter zum Präsidenten von Magna Steyr, 2011 als Nachfolger von Sigfried Wolf zum Boss von Magna International Europe berufen. Er ist der letzte Entscheidungsträger der Stronach-Ära im Magna-Spitzenmanagement.