Chemische Industrie : Bayer "im Haifischbecken" amerikanischer Anwälte

In den USA ist die Zahl der Glyphosat-Klagen gegen Bayer in den vergangenen Monaten drastisch angestiegen. Die Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto bereitet dem deutschen Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer immer mehr Probleme. In den vergangenen drei Monaten gingen in den USA rund 5.000 weitere Klagen wegen angeblicher Krebsrisiken des glyphosathaltigen Monsanto-Unkrautvernichters Roundup ein.

Zahl der Klagen steigt drastisch

Ein wichtiger Grund für das weitere Anschwellen der Klageflut dürften die Prozessniederlagen sein, die Bayer in den ersten drei Glyphosat-Verfahren in den USA hinnehmen musste. In den Verfahren wurden den Klägern beträchtliche Schadenersatzzahlungen - zum Teil im hohen zweistelligen Millionen-Dollar Bereich - zugesprochen.

Nun zieht Vorstandschef Werner Baumann nach drei verlorenen Prozessen erstmals öffentlich einen Vergleich in Betracht, um das Problem vom Tisch zu räumen. Dafür nannte er in einer Telefonkonferenz mit Analysten allerdings zwei Bedingungen: Einen Vergleich werde das Unternehmen nur in Betracht ziehen, wenn sich dieser in einem vernünftigen finanziellen Rahmen bewege und damit der gesamte Rechtsstreit endgültig beigelegt werden könne. Bayer sei aber weiter entschlossen, sich entschieden zu Wehr zu setzen.

"Blut im Wasser lockt den Hai"

"Blut im Wasser lockt den Hai. Verlorene Prozesse ermuntern in den USA weitere Kläger, sich den Sammelklagen des organisierten Verbraucherschutzes anzuschließen", kommentiert hier die Situation der deutsche Publizist Gabor Steingart.

Die auf Klagen spezialisierten Anwälte in den USA geben demnach Millionensummen aus, um neue Kläger für den Prozess gegen Monsanto zu gewinnen. Steingart verweist auf die US-Beratungsfirma X Ante, der zufolge Anwaltskanzleien allein im ersten Quartal 4,4 Millionen Dollar für Werbung und Fernsehspots ausgegeben hätten. Im zweiten Quartal seien es bereits 19 Millionen Dollar gewesen.

Anwälte geben viele Millionen für Fernsehwerbung aus

Je mehr Kläger für die Anwälte, desto höher der Druck auf Bayer zu einer außergerichtlichen Einigung, so der Kommentar weiter: "Auf bis zu 15 Milliarden US-Dollar werden die möglichen Vergleichszahlungen derzeit geschätzt. Die Anwälte verdienen bis zu einem Drittel dieser Summe. Damit wäre die Klageindustrie profitabler als die Bayer AG."

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Klagewelle belastet Bayer schwer

Die Klagewelle, die sich Bayer mit der 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto ins Haus geholt hat, belastetet das Unternehmen schwer. Mehr als 40 Mrd. Euro Börsenwert gingen seit dem Zukauf im vergangenen Sommer zunichte. Auch diese Wochee ging es an der Börse abwärts: Bayer-Aktien gehörten mit einem Minus von rund vier Prozent zu den größten DAX-Verlierern. Denn der Konzern muss sich strecken, um seine Ziele für 2019 zu erreichen. Diese seien zunehmend ambitioniert, warnte Baumann.

Bayer versucht, sich mit Studien zum Thema Glyphosat zu verteidigen

Bayer verweist unter Berufung auf zahlreiche wissenschaftliche Studien allerdings weiterhin auf die Sicherheit von Glyphosat bei richtiger Anwendung und geht in allen drei Fällen in Berufung. Das Kalkül dahinter ist, dass die Berufsrichter die Sache in der nächsten Instanz anders einschätzen könnten als die Geschworenen.

Doch nicht nur der Streit um Glyphosat verdirbt Bayer aktuell die Freude an der 63 Mrd. US-Dollar (knapp 57 Mrd. Euro) teuren Neuerwerbung. Auch die Geschäfte von Monsanto laufen im Moment nicht so gut wie erhofft. Denn Überschwemmungen und starke Regenfälle im Mittleren Westen der USA sowie die Trockenheit in weiten Teilen Europas und in Kanada haben die Nachfrage nach vielen Monsanto-Produkten einbrechen lassen.

Jahresausblick "zunehmend ambitioniert"

Zwar bestätigte der Konzern bei der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal noch einmal ausdrücklich den Jahresausblick - bezeichnete die Prognose aber angesichts des schwierigen Umfelds für das Pflanzenschutzgeschäft als "zunehmend ambitioniert". Bayer peilt 2019 einen Umsatzanstieg auf 46 Mrd. Euro sowie einen Zuwachs des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sonder- und Währungseinflüssen auf 12,2 Mrd. Euro an.

Im abgelaufenen zweiten Jahresviertel stieg der Konzernumsatz zwar um mehr als ein Fünftel auf knapp 11,5 Mrd. Euro, das lag aber insbesondere an der Übernahme von Monsanto. Währungseffekte sowie Unternehmenszu- und -verkäufe herausgerechnet, lag das Plus nur bei mageren 0,9 Prozent.

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Dass Bayer überhaupt noch ein organisches Wachstum vorweisen konnte, lag vor allem am Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Vor allem der Gerinnungshemmer Xarelto und das Augenmedikament Eylea verzeichneten deutliche Umsatzzuwächse. Doch auch bei den rezeptfreien Medikamenten war die Umsatz- und Ergebnisentwicklung positiv.

Unter dem Strich brach das Konzernergebnis im zweiten Quartal aber um rund die Hälfte auf 404 Mio. Euro ein. Das lag an Kosten für die Integration von Monsanto, Abschreibungen auf die verkaufte US-Fußpflegemarke Dr. Scholl's sowie Aufwendungen für den Konzernumbau, in dessen Zuge viele Tausend Stellen wegfallen. Bayer versucht, den Jobabbau auch mit teils hohen Abfertigungen umzusetzen.

(red mit dpa/reuters/apa)