Pharmaindustrie : Medikamentenengpass: Industrie fordert höhere Preise

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Die Pharmaindustrie fordert höhere Preise für Medikamente. Man könne derzeit kaum kostendeckend produzieren, so der Novartis-Chef Michael Kocher

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Novartis-Österreich Chef Michael Kocher fordert im Zusammenhang mit den aktuellen Medikamenten-Engpässen neuerlich höhere Preise für ebendiese. Man könne derzeit kaum kostendeckend produzieren, sagte er am Samstag im Ö1-"Mittagsjournal" mit Blick auf die Energiepreise. Auch der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) forderte am Samstag "faire Preise", nur diese würden langfristig die Medikamentenversorgung sichern.

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Kocher sagte im ORF-Radio, man müsse attraktive Marktbedingungen schaffen. Mit den jetzigen Preisen und Energiekosten könne es "langfristig nicht funktionieren". Gleichzeitig betonte er, es gehe nicht um Gewinnmaximierung, "sondern um kostendeckende Produktion".

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Auch die Chemische Industrie wünscht sich höhere Preise. "Die Engpässe bei Medikamenten, die in Österreich in den vergangenen Wochen saisonal aufgetreten sind, könnten in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen", warnte die FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger davor, sich ausschließlich auf die Überbrückung der derzeitigen Engpässe zu konzentrieren.

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Novartis-Chef Michael Kocher fordert höhere Medikamenten-Preise - © Novartis

Strategien notwendig

Die aktuellen Krisen würden vielmehr zeigen, dass es eine mittel- und langfristige Strategie brauche, um die heimische Produktion von lebenswichtigen Arzneimitteln zu stärken. Sie verwies darauf, dass es bereits "einfach und schnell umzusetzende Vorschläge für eine nachhaltige Absicherung der Versorgung" gebe - etwa das "seit Jahren etablierte aber mit Ende des Jahres auslaufende Preisband, für das endlich eine dauerhafte Regelung gefunden werden muss". Ebenso sei eine Indexierung der Arzneimittelpreise zur Inflationsabgeltung dringend nötig, um die seit Jahren steigenden Herstellungskosten abzufedern. Auch wäre ein finanzieller Bonus für Medikamente "Made in EU" ein "starker Anreiz für Hersteller, wieder mehr in Europa zu investieren", so Hofinger.

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Bei den aktuellen Vorschlägen zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung müsse die Stärkung der heimischen Produktion in den Fokus gerückt werden – dazu gibt es einfache und kurzfristig realisierbare Lösungen. Denn Lieferschwierigkeiten gäbe es vor allem bei Arzneimitteln im unteren Preissegment von rund 10 Euro. Österreichische Unternehmen können bei deren Herstellung oft nicht mit den Firmen in Fernost konkurrieren, die viel niedrigere Lohn- und Umweltstandards haben. „Wenn wir wieder mehr Medikamente in Österreich und Europa produzieren wollen, brauchen wir faire Preise für hochwertige Arzneimittel und ein Ende der Billigstpreispolitik. Auf Dauer werden nur wirtschaftlich tragfähige Standorte die Versorgung sichern können. Wir müssen nun rasch gegensteuern, damit weiter zunehmende Lieferengpässe verhindert werden“, erläutert Hofinger.

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„Die Politik muss endlich erkennen, dass Erstattungs- und Standortpolitik Hand in Hand gehen müssen. Nur mit einem abgestimmten Gesamtkonzept kann es gelingen, den Trend zur Produktionsverlagerung nach Asien wieder umzukehren“, so Hofinger. Als positiver Nebeneffekt würden zusätzlich zur besseren Versorgung heimische Wertschöpfung und viele hochwertige Arbeitsplätze entstehen. Als völlig kontraproduktiv hingegen sieht der FCIO neue bürokratische Hürden für die pharmazeutische Industrie, welche bereits jetzt strenge Vorgaben für ihre Lieferfähigkeit einhalten muss. „Wie eine weitere Zulassungshürde für Pharmaunternehmen Engpässe beseitigen soll, können wir beim besten Willen nicht nachvollziehen“, hält Hofinger dazu fest und appelliert daran, praxistaugliche Lösungen in den Vordergrund zu stellen.

Sylvia Hofinger FCIO
FCIO-GF Sylvia Hofinger: "Die Engpässe bei Medikamenten, die in Österreich in den vergangenen Wochen saisonal aufgetreten sind, könnten in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen." - © Marko Kovic

Medikamente-Produktion zurück nach Europa

Die Verlagerungen der Arzneimittelproduktion in den fernen Osten ist die Folge des Preisdrucks, durch den europäische und österreichische Hersteller nicht mehr kostendeckend produzieren können. Denn derzeit ist die Vergütung von Medikamenten in Österreich darauf ausgelegt, maximale Preissenkungen zu erzielen. Auch wenn das zu Lasten der Versorgungssicherheit der Patienten und der produzierenden heimischen Unternehmen geht. „Wenn dieser Trend nicht gestoppt wird, drohen durch künftige Versorgungskrisen deutlich höhere Folgekosten für das Gesundheitssystem“, so die Geschäftsführerin des FCIO weiter.

Die SPÖ drängte am Samstag unterdessen auf ihren Plan für mehr Versorgungssicherheit mit leistbaren Medikamenten. Dieser sieht etwa eine Erhöhung der Forschungs- und Produktionsprämie, Produktionsquoten für heimische Verwendung und die Stärkung von Forschungsclustern an den Universitäten vor. "Hunderte Medikamente sind derzeit nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Mit höheren Preisen ist dem Mangel nicht beizukommen. Die Medikamentenproduktion muss aus Asien zurück nach Österreich und Europa geholt werden, um die Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung zu garantieren", sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher in einer Aussendung.

Wenn fiebersenkende Medikamente für Kinder nicht verfügbar sind, oder Dutzende Apotheken auf der Suche nach verschriebenen Antibiotika abgeklappert werden müssen, sei "Feuer am Dach". Kucher forderte einen "Made-in-Austria-Fonds", um das strategische Ziel einer künftigen Unabhängigkeit im Bereich der Medikamentenversorgung zu verfolgen - und sieht die türkis-grüne Regierung gefordert.

Über den FCIO

Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) ist die gesetzliche Interessenvertretung der chemischen Industrie in Österreich. Die etwa 230 Mitgliedsunternehmen produzieren in unterschiedlichen Sektoren z.B. Pharmazeutika, Kunststoffe und Kunststoffwaren, Fasern, Lacke, Düngemittel oder auch organische und anorganische Chemikalien. Die etwa 48.000 Beschäftigten der Branche stellten 2021 Waren im Wert von über 18 Milliarden Euro her. Der FCIO setzt sich für einen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen und attraktiven Chemiestandort Österreich mit einem forschungs- und technologiefreundlichen Umfeld ein, in dem die chemische Industrie mit ihrer Innovationskraft Lösungen für die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen entwickeln und liefern kann.

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