Faserspezialist : Lenzing gerät ins Straucheln

Lenzing gerät ins Straucheln: Aktie rutscht um mehr als 13 Prozent ab.

Lenzing gerät ins Straucheln: Aktie rutscht um mehr als 20 Prozent ab.

- © FRANZ NEUMAYR

Die stark gestiegenen Energiepreise und eine beginnende Konsumflaute lassen Lenzing straucheln. Die Aktie des oberösterreichischen Faserherstellers stürzten um mehr als 20 Prozent regelrecht ab. Grund für den Absturz waren die vom Unternehmen am Montagabend nach Börsenschluss einkassierten Geschäftsziele für dieses Jahr. Das Unternehmen gab bekannt, seine Prognose aufgrund der sich drastisch verschlechternden Entwicklung des Marktumfeldes auszusetzen. "Der weitere Verlauf des Geschäftsjahres 2022 kann aufgrund der äußerst geringen Visibilität auf der Nachfrageseite sowie der hohen Volatilität bei den Energie- und Rohstoffkosten nur bedingt eingeschätzt werden", erklärte das Unternehmen am Dienstag in einer Mitteilung.

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Vor etwas mehr als einer Woche hatte Lenzing beim Arbeitsmarktservice Kurzarbeit angemeldet, die Produktion am Standort in Heiligenkreuz im Südburgenland muss zurückgefahren werden, weil es wegen des hohen Gaspreises derzeit nicht möglich sei, dort profitabel zu produzieren, hieß es. "Eine Produktionslinie wird definitiv zurückgefahren, die zweite ist wahrscheinlich, aber nicht sicher", sagte ein Lenzing-Sprecher am Montag zur APA. In welchem Ausmaß tatsächlich reduziert und die Kurzarbeit in Anspruch genommen werden muss, sei vor allem von der weiteren Entwicklung der Gas- und Strompreise in den kommenden Tagen abhängig, hieß es. Die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich zwei Produktionslinien heruntergefahren werden müssen, sei aber "sehr groß". Was die Kurzarbeit angehe, sei man nach wie vor im Austausch mit dem AMS.

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Volle Lager aber keine Kunden

"Es geht nicht nur um den Gaspreis, wir haben auch extrem hohe Lagerbestände", erklärte der Sprecher. Das sei auch eine Folge der hohen Inflation, "die Konsumenten haben abrupt aufgehört einzukaufen." Der Krieg in der Ukraine, Chinas Zero-Covid-Politik sowie der deutliche Anstieg der Inflation hätten die Weltwirtschaft deutlich beeinträchtigt, teilte Lenzing in einer Aussendung mit.

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Der Internationale Währungsfonds hat seine Wachstumserwartungen für das laufende Kalenderjahr im Juli auf 3,2 Prozent gesenkt. "Dieses drastisch verschlechterte Marktumfeld belastet zunehmend auch das Konsumklima sowie die Stimmung in den für Lenzing relevanten Industrien. Infolgedessen gingen die Geschäftsaussichten laut aktuellen Erhebungen noch einmal deutlich zurück. Basierend auf aktuellen Annahmen bei den Energie- und Rohstoffkosten sieht Lenzing auch das Erreichen der mittelfristigen Prognose für 2024 gefährdet."

"Beispiellose Verwerfungen"

"Wir erleben gegenwärtig beispiellose Verwerfungen an den Energie- und Rohstoffmärkten, die das Konsumklima belasten und unsere Sicht auf die kurz- bis mittelfristige Geschäftsentwicklung stark einschränken", sagte Vorstandschef Stephan Sielaff laut Mitteilung. Lenzing könne aber auf eine solide und zukunftsweisende Strategie sowie hochwertige und innovative Produkte bauen. "Die langfristigen Wachstumsaussichten bei unseren holzbasierten, biologisch abbaubaren Spezialfasern sind unverändert positiv." Die Ergebnisse der Lenzing Gruppe für die ersten drei Quartale des laufenden Geschäftsjahres werden am Donnerstag, dem 3. November 2022, veröffentlicht.

Sielaff amtierte seit März 2020 als CTO und COO der Lenzing AG. Dabei war er für die Aufarbeitung der Vorkommnisse rund um den Maskenskandal bei Hygiene Austria zuständig. Seit 1. April leitet er als CEO den Faserhersteller Lenzing.

Stephan Sielaff: Gute Mine zur schlechten Marktlage.
Stephan Sielaff: Gute Mine zur schlechten Marktlage. - © Lenzing AG

Gewinn-Einbruch im ersten Halbjahr

Gestiegene Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik haben die Geschäftsentwicklung des oberösterreichischen Textilkonzerns Lenzing bereits im ersten Halbjahr beeinträchtigt. Das Periodenergebnis sank um rund ein Viertel auf 72,3 Mio. Euro. Das operative Ergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) verringerte sich im Vergleich zur Vorjahresperiode um 13,3 Prozent auf 188,9 Millionen.

Die Ergebnisentwicklung spiegle "die Kostenentwicklung an den globalen Energie- und Rohstoffmärkten, von der die gesamte verarbeitende Industrie betroffen war, wider", so der Faserhersteller in einer Aussendung. So hätten sich die Energie-, Rohstoff- und Logistikkosten in der Berichtsperiode noch einmal drastisch erhöht. Starke Rückgänge waren auch bei der EBITDA-Marge (von 21,1 auf 14,6 Prozent) zu verzeichnen. Ein kräftiges Plus gab es indes bei den Umsatzerlösen, die im ersten Halbjahr um 25,2 Prozent auf 1,29 Mrd. Euro kletterten. Grund dafür waren nach Unternehmensangaben in erster Linie gestiegene Faserpreise.

Noch im August ging das Management davon aus, dass das EBITDA deutlich über dem Niveau aus dem Gesamtjahr 2021 liegen werde. Im vergangenen Jahr war ein EBITDA von 362,9 Mio. Euro erzielt worden.

Größte Photovoltaikanlage in Oberösterreich

Derweil setzt Lenzing auf eine Photovoltaik-Anlage, die es in Oberösterreich so noch nicht gegeben hat. Auf einer Freifläche von rund 55.000 Quadratmetern wird dann die größte PV-Freiflächenanlage des Landes entstehen und eine Leistung von 5,5 Megawatt liefern. Dazu will Lenzing 16.000 Module montieren, die pro Jahr rund 5.500 Megawattstunden erzeugen – ein Volumen, das dem durchschnittlichen jährlichen Strombedarf von mehr als 1.700 Haushalten entspricht und das Unternehmen von den hohen Energiekosten unabhängiger machen soll.

Für den Faserhersteller Lenzing ist die Anlage ein wichtiger Zwischenschritt auf seinem Weg in Richtung Klimaneutralität – und zwar global, nicht nur in Österreich. Denn der Sonnenpark, den die Lenzing AG in Oberösterreich errichtet, ist ein wichtiger Teil ihres Energiekonzepts, das unter anderem auch auf eine konsequente Energieeinsparung setzt. Damit und mit der Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen will das Unternehmen bis zum Jahr 2030 seinen CO2-Eintrag um fünfzig Prozent reduzieren und bis zum Jahr 2050 konzernweit klimaneutral werden.

Lenzings neue Photovoltaikanlagen in der gleichnamigen Marktgemeinde in Oberösterreich.
Lenzings neue Photovoltaikanlagen in der gleichnamigen Marktgemeinde in Oberösterreich. - © Verbund