Interview : Klaus Pöttinger: "Wer zuviel verbraucht, wird aussortiert"
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Pöttinger, Sie mischen nach Ihrem Rückzug aus der Geschäftsführung bei Pöttinger Landtechnik 2016 weiter im Tagesgeschäft mit. Mit der Pöttinger Entsorgungstechnik leiten Sie eine Unternehmenstochter, die klein anfing. Sehen Sie diese eigentlich noch als Startup?
Pöttinger: Sie ist der Unternehmensgröße eines Startups wohl schon entwachsen. Wir sind heute in Österreich 70, in der Slowakei 180 Mitarbeiter. Und wir erweitern laufend unser Programm, wachsen schnell.
Das heißt, Ihr Geschäftsmodell, in Biogasanlagen über Trockenvergärung von Abfallstoffen Strom und Wärme zu erzeugen, verfängt schon in Kommunen und der Industrie?
Pöttinger: Neben den Investitionen im Kunststoffrecyclingbereich verfolgen wir eine Weiterentwicklung des Kompostierverfahrens, die Trockenfermentation. Diese Technologie ist um einiges effizienter. Anstatt nur Komposterde entsteht zusätzlich Biogas. Und es ließe sich, denken wir größer, ein nicht unerheblicher Anteil von flüssigem Gas für die Transportlogistik schaffen und die Co2-Belastung drastisch absenken. Rund um diese Prozesse entwickelten wir eine Plattform, Services, Verrechnungsmodelle.
Und dann kann sie also kommen, die Co2-Steuer?
Pöttinger: Die Co2-Bepreisung liegt als Aufgabe vor uns. Es ist unbestritten, dass die Industrie grüner werden muss. Der österreichische Erkenntnistheoretiker Rupert Riedel vertrat die These, dass biologische Wettbewerber, die zuviel Energie verbrauchen, aussortiert würden. Energieeffizienz ist somit das Kriterium für die Lebens- und Anpassungsfähigkeit. Dass rufe ich meinen Unternehmerkollegen gerne in Erinnerung: Unsere Industrien werden über den Energieverbrauch selektiert werden.
"Es gilt der Grundsatz Kompetenz vor Genetik."
Bei Umweltdebatten wird es schnell emotional - siehe Lobautunnelbau. Kostet Sie das Nerven?
Pöttinger: Agieren politische Entscheidungsträger faktenbefreit, dann ja. Ich denke, es sollten mehr die Techniker als die Juristen zurate gezogen werden. Auch bei der Energieform Gas wäre eine weniger demagogische und stärker innovationsorientierte Einstellung wünschenswert. Und zum Tunnel: Die Menschen sollen und werden E-Auto fahren, wo liegt dann das Problem?
Wen sollte sich Österreich als Vorbild nehmen?
Pöttinger: Wenn ich in die Schweiz blicke, sehe ich dort klarere Diskussionprozesse. Und auch die bessere Uniausbildung, niedrigere Steuern und verkoppelte Verkehrssysteme.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
-
Podcasts
- KTM-Chef Pierer verkauft Automobilzulieferer Leoni AG an Luxshare nach China | IM News 25.09.2024
- VW, BMW, Mercedes: Wieviel Deutschland können sich Autohersteller noch leisten? | IM News 18.09.2024
- Die Talfahrt von Volkswagen: Verschärfung des Sparkurses, VW will erstmals Werke schließen | IM News 12.09.2024
Im Vorjahr gab es Grund zum Feiern: Das Unternehmen wurde 150 Jahre alt. Das Handwerk wird im Unternehmen hoch gehalten.
Pöttinger: Es gibt da einen Spruch, der stand schon zu Großvaters Zeiten in der Kantine:
Wer ist ein Meister, der was ersann
Wer ist ein Geselle…. Der was kann
Wer ist ein Lehrling…. Jedermann
Diese Grundeinstellung haben wir uns bewahrt. Selbst wenn keiner von uns mehr an die zwölf Meistertitel des Urgroßvaters heranreicht.
Seit dem Rückzug Ihres Bruders aus dem Unternehmen sind mit Gregor Dietachmayr, Jörg Lechner und Markus Baldinger fünf familienfremde Manager in der Geschäftsführung. Hat die fünfte Generation keine Ambitionen auf die Führung?
Pöttinger: Mein Bruder Heinz und ich haben jeweils vier Kinder, natürlich wäre es schön, wenn sie als Vertreter der fünften Generation einmal ins Board stoßen. Es gilt der Grundsatz Kompetenz vor Genetik. Es gilt, sich einmal international die Sporen zu verdienen. Im Schatten der großen Hauseiche wird das nichts. Und die genannten fünfHerren, die die Geschäfte leiten, sind sehr starke Persönlichkeiten. Sie leisten hervorragende Arbeit.
"Die Menschen sollen und werden E-Auto fahren. Wo liegt dann das Problem?"
Verspüren Sie pandemiebedingt erhöhten Druck, Führungspflichten wahrzunehmen?
Pöttinger: Es ist jetzt für Manager die Zeit, das Kreuz durchzudrücken. Neben ihren Mitarbeitern zu stehen und nirgendwo sonst. Nicht in der Polarisierung nach Lösungen zu suchen, sondern der Toleranz und Zusammenführung. Werte, die wir seit 150 Jahren hochhalten. Wir begegnen uns auf Augenhöhe - egal ob Arbeiter oder Bankdirektor.
Sie sollen in Ihrer Funktion als IV-Oberösterreich-Präsident im Regierungskabinett Wolfgang Schüssel einmal angeregt haben, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess für Beamte einzuführen. Wurde daraus eigentlich etwas?
Pöttinger: Dieser KVP kam auf meine Anregung hin. Einige Jahre wurden die besten Vorschläge von Beamten - auch hohen - von Bundeskanzler Schüssel prämiert.
Und heute? Was fehlt Ihnen in der Verwaltung?
Pöttinger: Es gibt dort damals wie heute reformerische Menschen, die einfach nicht gelassen werden, Umbrüche herbeizuführen. Ich würde mir auch enen effizienteren Ressourceneinsatz im öffentlichen Bereich wünschen. Den müsste die Digitalisierung bringen. Umso weniger Ressourcen wir in der öffentlichen Hand binden, umso mehr Ressourcen könnten wir dem privaten Sektor zuführen.
Klaus Pöttinger, 63
Der gebürtige Grieskirchener ist Eigentümer des Landtechnikherstellers Pöttinger und Geschäftsführer der Green-Tech-Tochter Pöttinger Entsorgungstechnik. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau und absolvierte ein leadership-Programm der Harvard Business School in Boston. Er startete als technischer Leiter des Tochterbetriebes Bayerische Pflugfabrik im Familienunternehmen. Ab 1991 war er geschäftsführender Gesellschafter der Muttergesellschaft – Alois Pöttinger Maschinenfabrik in Grieskirchen, wo er bis 2016 die Funktion der Geschäftsführung Technik innehatte. Bis 2013 war Pöttinger Präsident der IV Oberösterreich sowie bis 2012 Vizepräsident der IV Österreich. Pöttinger ist Vater von vier Kindern.