Erdreichgefrieren : Eis gegen Einsturz: Erdreichgefrieren sichert Baugruben unter Extrembedingungen

Erdgreichgefrieren

Bei anspruchsvollen Tiefbau-Projekten oder im innerstädtischen Raum ist die Sicherung von Baugruben eine technische Herausforderung.

- © Messer

Baugruben unter Druck: Wenn klassische Sicherungsmethoden an ihre Grenzen stoßen

Bei anspruchsvollen Tief- und Tunnelbau-Projekten oder im innerstädtischen Raum ist die Sicherung von Baugruben eine technische Herausforderung. Verfahren wie Spundwände, Bohrpfähle, Injektionsdichtungen oder das Absenken des Grundwasserspiegels gehören zum Standard, stoßen jedoch bei stark durchfeuchtetem Boden, drückendem Grundwasser oder begrenztem Platzangebot häufig an physikalische und wirtschaftliche Grenzen.

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Das Erdreichgefrieren ist eine dafür geeignete, temporäre Sicherungslösungen. Es stabilisiert den Boden durch kontrolliertes Gefrieren und bildet eine wasserundurchlässige Barriere.

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Erdreichgefrieren: Das Prinzip hinter der gefrorenen Stabilität

Das Verfahren des Erdreichgefrierens basiert auf einem einfachen physikalischen Prinzip: Wird ausreichend feuchter Boden stark abgekühlt, gefriert das Porenwasser. Das Erdreich verfestigt sich zu einem temporären Eiskörper. Dieser wirkt sowohl stabilisierend als auch abdichtend, da gefrorener Boden kein Wasser durchlässt und hohen mechanischen Belastungen standhält.

Technisch werden diese Verfahren durch das Einbringen von sogenannten Gefrierlanzen umgesetzt. Diese Hohlkörper aus Stahl werden rasterförmig in den zu sichernden Bodenabschnitt eingebracht und mit einem kryogenen Medium durchströmt – entweder mit Flüssigstickstoff oder mit Kühlsole auf Solebasis. Das umliegende Erdreich wird dabei gezielt und kontrolliert unter den Gefrierpunkt abgekühlt.

Das Verfahren des Erdreichgefrierens basiert auf einem einfachen physikalischen Prinzip: Wird ausreichend feuchter Boden stark abgekühlt, gefriert das Porenwasser
Das Verfahren des Erdreichgefrierens basiert auf einem einfachen physikalischen Prinzip: Wird ausreichend feuchter Boden stark abgekühlt, gefriert das Porenwasser - © Messer

Technologieeinsatz: Flüssiger Stickstoff oder Kühlsole – zwei Wege zur Bodenvereisung

Zur Umsetzung des Erdreichgefrierens stehen zwei technische Verfahren zur Verfügung: das Gefrieren mit flüssigem Stickstoff (LN₂) und das mit Kühlsole. Beide Varianten verfolgen das gleiche Ziel, unterscheiden sich jedoch deutlich in Anwendung, Dauer und Wirtschaftlichkeit.

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Die Kühlsole-Methode basiert auf einer Salzlösung, deren Gefrierpunkt unter null Grad liegt. Das Verfahren ist energieeffizient und vergleichsweise kostengünstig, erfordert jedoch Zeit. Je nach Bodenzusammensetzung kann es mehrere Wochen dauern, bis die gewünschte Gefrierzone vollständig ausgebildet ist. Diese Variante eignet sich vor allem bei weniger zeitkritischen Projekten oder bei großflächigen Anwendungen.

Das Gefrieren mit flüssigem Stickstoff ist innovativ und setzt auf Geschwindigkeit und Präzision. Flüssiger Stickstoff wird in die Gefrierlanzen eingeleitet, wo er bei −196 °C verdampft und den Boden in kurzer Zeit gefrieren lässt. Dieses Sonderverfahren ist sechsmal schneller als die Kühlsole-Methode, präziser und dank Sensoren objektiv messbar. Zudem ist es leise und produziert keine Abwässer.

In der industriellen Praxis ist der Stickstoffeinsatz im Vormarsch – nicht zuletzt, weil Zeitfenster auf Baustellen oft eng sind und die Einbaubedingungen standardisierte, steuerbare Verfahren verlangen. Anbieter von Flüssigstickstoff zum Erdreichgefrieren wie Messer Austria unterstützen die Ausführung durch Lieferung, Systemintegration und Überwachungstechnologie. Damit lässt sich der Vereisungsvorgang exakt steuern und dokumentieren.

Anwendungen in der Praxis: Tunnelbau, Schachtbau, Altlastensanierung und mehr

Typische Anwendungsfelder für das Erdreichgefrieren finden sich im Tunnel- und Tiefbau, bei unterirdischen Infrastrukturprojekten sowie in der Altlastensanierung. 

Im Tunnelbau dient das Verfahren etwa der temporären Sicherung von Vortrieben in lockerem oder wasserführendem Boden. Durch die gezielte Vereisung wird das umliegende Erdreich stabilisiert, während der Vortrieb durch die gefrorene Zone erfolgt. 

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Bei Schachtbauwerken, die in Grundwasserschichten reichen oder in kontaminiertem Untergrund errichtet werden, verhindert das Eisblock-Verfahren sowohl das Eindringen von Wasser als auch das Austreten belasteter Stoffe. Ein weiteres Einsatzfeld ist die Sicherung bei der Bergung von Störkörpern, etwa alten Kampfmitteln. Hier ermöglicht das Verfahren ein kontrolliertes Arbeiten im Boden, ohne Druck- oder Wassereinwirkung.

Umsetzung: Von der Planung zur Gefrierlance – Projektablauf in der Praxis

Die Umsetzung des Erdreichgefrierens beginnt mit der Planung des zu stabilisierenden Bodenvolumens. Dazu wird die geologische und hydrogeologische Beschaffenheit bewertet und ein thermisches Bemessungskonzept erstellt, das Gefrierzeit, Temperaturverteilung und Überwachung vorsieht. Anschließend werden die Gefrierlanzen rasterförmig in den Boden eingebracht und das Kältemedium – flüssiger Stickstoff oder Kühlsole – über ein Rohrleitungssystem eingeleitet.

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Die Gefrierzone wird kontinuierlich überwacht, um Temperatur- und Stabilitätswerte zu kontrollieren. Anbieter wie Messer Austria ermöglichen den Prozess des Erdreichgefrierens durch die Bereitstellung von flüssigem Stickstoff (Tankwagen sowie Tanksilos), die Systemintegration sowie die Kontrolle.

Die Dauer des Verfahrens hängt vom eingesetzten Medium ab: Während flüssiger Stickstoff den Boden innerhalb weniger Tage gefriert, benötigt Kühlsole mehrere Wochen. Nach Abschluss der Arbeiten taut der Eiskörper kontrolliert ab.

Bewertung: Ökologische, wirtschaftliche und sicherheitstechnische Aspekte im Vergleich

Das Erdreichgefrieren mit flüssigem Stickstoff bietet eine präzise und steuerbare Sicherung, die durch kontinuierliche Überwachung der Temperatur- und Stabilitätswerte unterstützt wird.

Wirtschaftlich betrachtet ist das Verfahren mit Gas kostenintensiver als herkömmliche Baugrubensicherungen, bietet jedoch bei engen Zeitplänen und besonderen geologischen Herausforderungen einen klaren Vorteil. 

Ökologisch wirkt das Verfahren schonend, da es keine bleibenden Eingriffe ins Baugrundgefüge hinterlässt. Diese reversiblen Eingriffe sind insbesondere bei sensiblen Standorten wie Wasserschutzzonen oder Altlastenflächen von Bedeutung.

Fazit: Nischenlösung oder strategisches Werkzeug im Spezialtiefbau?

Erdreichgefrieren ist kein Standardverfahren, sondern ein spezialisiertes Werkzeug für die Baugrubensicherung unter besonderen Bedingungen. Insbesondere die Variante mit flüssigem Stickstoff hat sich in zeitkritischen Projekten als schnell und verlässlich erwiesen. Angesichts der wachsenden städtebaulichen Verdichtung und komplexer Infrastrukturprojekte bietet diese Methode des Erdreichgefrierens eine präzise und temporäre Lösung. Für Planende und Ausführende im Tiefbau bleibt es eine spezialisierte, aber zunehmend relevante Ergänzung zu konventionellen Baugrubensicherungen.