Ihr Ex-Mann hat schon recht früh ein E-Bike gebaut. Wann gab es das erste E-Bike bei KTM Fahrrad zu kaufen?
Carol Urkauf-Chen: KTM hat 1994 schon ein E-Bike für den ÖAMTC gebaut. Es war ein normales Fahrrad, und im Gepäckträger war ein Elektromotor mit Batterie montiert. Das war sehr einfach konstruiert, aber es war ein E-Bike. 1995 hat mein Ex-Mann ein E-Bike entwickelt, und man muss schon sagen: Die ganze Idee ist wie heute.
Stefan Pierer ist ebenfalls in das Geschäft mit E-Bikes eingestiegen. Wie sehr betrifft das das Geschäft von KTM Fahrrad?
Carol Urkauf-Chen: In den letzten paar Jahren kommen so unglaublich viele unterschiedliche neue Marken. Jeder will einen Anteil am E-Bike-Kuchen. Ehrlich gesagt haben wir das kaum gemerkt. Unser Wachstum bleibt.
Wann rechnen Sie mit einer Stagnation bei E-Bikes?
Johanna Urkauf: Die letzten Jahre hat es vor allem im Produkt selbst eine große Weiterentwicklung gegeben – das Seniorenfahrrad wurde zum Lifestyle-Produkt. Wir waren unter den allerersten E-MTB Anbietern und jetzt gibt es sogar E-Rennräder. Diese Entwicklung hat sich bei uns vor allem im DACH-Raum abgespielt, wir sehen aber auch immer mehr Interesse in anderen europäischen Ländern. Das hängt natürlich stark von der Konsumentenstimmung ab, aber wenn diese stabil bleibt, dann sollte sich das Wachstum auch in diesen Ländern fortsetzen. Auch Amerika ist für uns interessant.
Können Sie das Wachstum mit der aktuellen Produktionssituation bedienen?
Johanna Urkauf: Eines der Hauptthemen neben der Lieferkette ist der Ausbau der Kapazität – ein schrittweiser, vernünftiger, solider Ausbau.
Carol Urkauf-Chen: Wir haben bis jetzt jedes E-Bike in Mattighofen produziert. Bei einem Wachstum von etwa 20 Prozent pro Jahr ist das nicht so einfach. Wir haben in den letzten drei Jahren vier neue Produktionshallen gebaut. Jetzt wollen wir noch zwei weitere bauen.
Sie bleiben also mit der Produktion der E-Bikes in Österreich?
Johanna Urkauf: Ja. Es ist ein unglaublicher Innovationsdruck und eine unglaubliche Innovationsgeschwindigkeit zur Zeit im E-Bike-Markt zu beobachten. Da ist es natürlich ein Vorteil, wenn die Entwicklung, Qualitätskontrolle und die Produktion am selben Ort sind.
"Irgendwann muss die Marke einmal heimkommen", sagte Stefan Pierer einmal in Ihre Richtung, Frau Urkauf-Chen. Wie gehen Sie mit dieser Aussage um?
Carol Urkauf-Chen: Ich hatte mit Herrn Pierer drei Jahre lang vor Gericht zu tun, voriges Jahr im Mai wurde zu hundert Prozent festgestellt, dass alle Marken im Fahrradbereich mir gehören. Was Pierer sagt, ist seine Meinung.
Wann haben Sie sich entschlossen, das Unternehmen zu übernehmen und seit wann arbeiten Sie mit, Frau Urkauf?
Johanna Urkauf: Ende 2015 habe ich begonnen hauptberuflich bei KTM Fahrrad mitzuarbeiten, davor habe ich immer wieder auf Messen oder den Ferien ausgeholfen. Ich wollte die Mitarbeiter kennenlernen und das Produkt genau verstehen und lernen, wie Strukturen und Prozesse bei uns ablaufen. 2018 hat mich meine Mutter im Zuge einer Umstrukturierung gefragt, ob ich in die Geschäftsleitung wechseln möchte und hat zugesagt, dass sie uns weiterhin im Aufsichtsrat unterstützen wird. Da habe ich sehr gerne Ja gesagt.
Wie sieht die nähere Zukunft für KTM Fahrrad aus? Welche Themen stehen bei Ihnen ganz oben auf der Agenda?
Johanna Urkauf: Das Lieferkettenmanagement und Ausbau der Kapazität, und auch Entwicklung und Innovation ist immer an vorderster Stelle bei uns und die Grundvoraussetzung dafür, dass wir am E-Bike-Markt bestehen bleiben. Aber auch in anderen Bereichen, zum Beispiel bei Rennrädern oder Carbon-Rädern investieren wir weiterhin in Innovation.
Sie investieren viel in Marketing. Wieviel investieren Sie konkret und worin genau?
Carol Urkauf-Chen: Zwei Prozent vom Umsatz waren für mich immer eine gute Grundlage. Da unser Umsatz steigt, haben wir auch begonnen, ein Team bei der Tour de France zu sponsern. Das ist für die Internationalisierung sehr wichtig. Wir waren auch beim Giro d’italia vertreten und haben unterschiedliche Rennrad- und Mountainbike-Teams in fast jedem Land.
Dieses Interview erschien erstmals Februar 2021.