IT in Produktion : "In 20 Jahren herrenlose Fabriken"
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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Kühner, die Zukunft der Fertigung ist in einem Ausmaß datengetrieben, wie wir es uns vor ein paar Jahren nicht hätten vorstellen können. Allein die Datenmenge in Unternehmen verdoppelt sich alle zehn Monate – Tendenz steigend. Ist das Datenthema beim Kunststoff- und Schaumstoffhersteller Greiner demnach ganz oben aufgehängt?
Axel Kühner: Natürlich ist das ein Vorstandsthema. Unsere Aufgabe im Vorstand ist es sicherzustellen, dass unsere Mitarbeiter, die von flexibler Fertigung und Datenmanagement viel mehr verstehen als wir, alle Mittel, den Fokus und die Freiheit haben, sich damit zu beschäftigen. Was wir heute gestalten, führt uns in die Zukunft.
Herr Hackl, als CEO der auf die Auftragsfertigung von Medizintechnikprodukten spezialisierten Wild Gruppe haben Sie die letzten Jahre radikal an der Durchgängigkeit der Daten gefeilt, bis hin zum Kunden.
Josef Hackl: Wir haben einen Zyklus, den nennen wir Industrie 4.1. Für uns geht es nicht nur um die Maschinendaten, sondern als Auftragsfertiger vor allem darum, von den technischen Zeichnungen unserer Kunden bis zu deren Material und Mengenbedarf alles frühzeitig digital einzufangen und auch zu unseren Lieferanten digital weiterzuspielen. Die Selfdriving Supply Chain, wie wir das nennen, ist existenziell wichtig. Die zweite Ebene sind Qualitätsdaten, erst an dritter Stelle steht die IoT bei Maschinen.
Maschinen mit Edge
Herr Huber-Lindinger, Sie sind Managing Director des Kunststoffrecyclingmaschinenbauers Erema. Auch Ihr Unternehmen sucht den Mehrwert in Daten. Wie lautet Ihr Ansatz?
Markus Huber-Lindinger: In unserem Unternehmen existieren zwei Welten. Die Produktionsabläufe bei uns selbst und die Herstellung von Produktionsmaschinen. Wir digitalisieren einerseits Abläufe bei uns im Haus, um hier eine bessere Datenbasis zu haben – da ist ein unheimlicher Lernprozess im Gang. Der andere Bereich sind die Maschinen, die wir für unsere Kunden produzieren. Da ist die Tendenz immer stärker hin zu einem 24/7-Betrieb. Hier online eine Qualitätssicherung zu bieten, ist gerade im Kunststoffrecyclingbereich ein ganz neues Geschäftsfeld. Alle Maschinen, die wir seit einem Jahr ausliefern, verfügen über ein Edge Device, das die Daten der Kunden einsehbar macht.
Herr Leindecker, das in Wien domizilierte IT-Unternehmen TTTech Industrial, dessen Vorstandssprecher Sie sind [zum Zeitpunkt des Gesprächs, Anm.], hat mit Nerve Blue eine radikal offene Edge-Computing-Plattform entwickelt. Was haben Sie mit dieser Lösung vor?
Wolfgang Leindecker: Wir versuchen, IT-artige Funktionalitäten und Services an die Automatisierungslandschaft anzupassen. Wir liefern ein Betriebssystem, das diese Funktionalitäten zur Verfügung stellt. Dieses Verheiraten der zwei Welten decken wir mit Nerve Blue ab. Aber mit einem wichtigen Zusatz: Die Plattform ist – basierend auf offenen Schnittstellen und dank Open Source – weitestmöglich offen.
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Echtzeitdaten: Chance, aber Herausforderung
Gemeinsam mit dem Industrieelektronikhersteller B&R schuf TTTech Industrial darüber hinaus einen Kommunikationsstandard, der Schnittstellen in IoT-Netzen abbauen helfen soll. Ein Coup?
Leindecker: Das war schon etwas sehr Besonderes, dass wir gemeinsam aus Österreich eine Lingua Franca in die Welt hin ausgetragen haben. Mittlerweile haben sich 90 Prozent des Weltmarkts zu dieser offenen gemeinsamen Sprache in der Automatisierung bekannt. Freilich: Bis das greift – und alle über diese Sprache kommunizieren –, braucht es noch etwas Zeit. Doch ein erster wichtiger Schritt ist getan.
Herr Wiesinger, Sie sind CTO beim Maschinenbauer Fill und nutzen die Edge-Computing-Plattform von TTTech Industrial schon eine geraume Zeit. Welche Erfahrungen machen Sie denn?
Alois Wiesinger: Wir sind über ein Forschungsprojekt vor etwa drei Jahren in Kontakt getreten. Die Herausforderung war, Echtzeitdaten zu bekommen. Wir haben schon 2006 mit Maschinendatenerfassung gestartet. Seither sind sehr viele Technologien von der IT in die Automatisierungswelt eingeflossen. Heute können wir diese Produkt und Maschinendaten mit diesem Tool in Echtzeit analysieren. Wir trennen beide Datensätze sehr streng, weil wir sehen, dass unsere Kunden das getrennt haben wollen und großen Wert auf die Datenhoheit legen.
Umgang mit Daten: übervorsichtiges Europa?
Zieren sich Automobilkunden mitunter, Daten aus der Hand zu geben?
Wiesinger: Das Thema ist noch nicht ganz gelöst. Wir bekommen die Daten unserer Kunden meist nur, wenn ein Problem an der Maschine auftritt – und dann auch nur diesen isolierten Datensatz. Ziel ist es aber schon – und wir haben ja nicht nur Automobilisten als Kunden –, über Cloudplattformen die Daten zu uns ins Haus und damit ins Engineering zu bekommen und so daraus lernen zu können. Immer mit dem Ziel, noch bessere Maschinen zu entwickeln.
Der übervorsichtige Umgang mit Daten sei vor allem ein europäisches Phänomen, hört man.
Kühner: Ich glaube, dass wir in Europa zu ängstlich mit Daten umgehen. Während man in den USA die Grundeinstellung hat, dass Daten zu teilen hilft, ist man hier der Ansicht, das sei gefährlich. Man muss schon feststellen, dass das für datengetriebene Unternehmen in Europa ein Wettbewerbsnachteil ist. Konkurrenz belebt das Geschäft – gibt man Daten nicht weiter, geht damit immer die Gefahr einher, andere ihrer Chance zu berauben, besser zu werden. Man kann nur gemeinsam besser werden.
Schnelle Infos aus großen Datenmengen
Hackl: Sicherheit ist elementar. Unsere Kunden sind B2B-Kunden und übergeben uns sehr, sehr viele Daten, um weiterzukommen. Aber bei uns ist das eigentlich gar kein großes Thema. Wenn wir Daten nicht bekommen, dann ist das nicht aus Geheimhaltungsgründen, sondern weil die Kunden über diese Daten oft gar nicht in genügender Qualität verfügen.
Leindecker: Um die Frage der Datensicherheit zu adressieren, bauen wir alles, was State-of-the-Art ist, in unsere Plattform ein und bieten somit sehr guten Schutz. Und ich warne vor dem überholten Dogma „Never touch a running system“, aus Angst, sich das Risiko eines Produktionsstillstands einzukaufen. Neue Technologien ermöglichen Stillstandszeitenreduktion. Deshalb sollten Unternehmen mehr IT zulassen.
Kommen wir zur Trias Haltung, Wartung und Nutzung von Daten. Gibt es hier eine Erfolgsformel, Herr Huber-Lindinger?
Huber-Lindinger: Bei uns geht es vorwiegend darum, aus einer riesigen Datenmenge schnell Informationen zu extrahieren und beispielsweise für Wartungsaufgaben – also einen Servicemitarbeiter – entsprechend aufzubereiten. Wir arbeiten mit dem Softwarekompetenzzentrum Hagenberg zusammen. Hier gibt es keine Lösungen von der Stange zu kaufen. Aber ich gebe Herrn Leindecker recht: Aufgrund von COVID 19 konnten wir nicht zu Kunden fliegen und halfen Kunden deshalb remote. Plötzlich war der Fernzugriff keine Diskussion mehr, in zwei Tagen waren wir an der Maschine des Kunden operativ.
Wiesinger: Wir legen vertraglich fest, auch Remotezugang zu bekommen. Was sich geändert hat, ist die Berechtigung, etwas weiter ins System des Kunden vorgelassen zu werden. Wir können jetzt etwa auch kritischere Softwarestände ändern – das wäre früher überhaupt nicht gegangen.
Eine Sprache für alle Sensoren
Stichwort offene Ansätze: Herr Kühner, birgt eine gemeinsame Sprache nicht erst recht die Gefahr einer Abhängigkeit von mächtigeren Playern in der Cloud oder der Supply Chain?
Kühner: Viele Beispiele – ich erinnere nur an Linux – haben gezeigt, dass offene Ansätze einen wirklichen Boost dargestellt haben. Ich bin sicher, das Einzellösungen von Industrieunternehmen in Zukunft kaum noch eine Chance haben werden.
Leindecker: Wenn alle Sensoren, Aktuatoren und Teilnehmer die gleiche Sprache sprechen, dann kann ein Sensor einer beliebigen Maschine seine Messwerte veröffentlichen. Und jeglicher Teilnehmer des Netzwerks kann entscheiden: Ich höre diesem Sensor zu. Über Anlagen, Maschinen und Netzwerkgrenzen hinweg. So können in einer Produktionsumgebung eine Menge neuer Services aufgebaut werden.
Für heuer waren erste Lösungen auf Basis von OPC UA over TSN angekündigt – durch die Absage der großen Messen ist das nach hinten gerückt. Wann werden Produkte kommen?
Leindecker: Das wird wohl jetzt Anfang nächsten Jahres so weit sein. Man muss aber natürlich schon sagen: Das wird nicht eine sofortige Revolution sein, ab der alles anders ist. Bis alle Standardprodukte das neue Protokoll verstehen und sprechen werden, wird es wohl noch ein paar Jahre dauern.
Wenn der einzelne Sensor der Maschine mit der Auftragserfassung kommunizieren kann – ist das nur Segen oder kann das auch Fluch sein, Herr Hackl?
Hackl: Ich glaube, viele Systeme sind mittlerweile so komplex, dass sie keiner mehr versteht – und dass wir uns immer mehr einem Algorithmus unterwerfen, den vielleicht ein paar Spezialisten noch verstehen, der sich aber möglicherweise immer mehr von den originären Fertigungsprozessen entfernt.
Huber-Lindinger: Da beginnt auch das Akzeptanzproblem. Wenn man das Gefühl hat, man kann nur mehr zuschauen, dann koppeln sich die Menschen ab.
Hackl: Wir haben ein Projekt beobachtet, wo das implizite Wissen von Personen in KI-Algorithmen zum Ausdruck gebracht werden sollte. Jetzt treffen zwei Menschen aufeinander: der eine, der nicht sagen kann, warum er diese richtige Entscheidung getroffen hat, und der andere, der versucht, sämtliche Entscheidungen in Algorithmen zu gießen. Diese beiden Personen haben wenig gemeinsam – von der Ausbildung, von der Art zu denken, bis hin zum Charakter und der persönlichen Sichtweise. Wenn es uns gelingt, diese beiden Charaktere zu einer gemeinsamen Leistung zu bekommen, dann ist die Welt in Ordnung. Aber die Gefahr, dass einer den anderen überrollt oder hängen lässt, ist leider wahnsinnig groß. Deshalb haben wir die Policy, nur dann zu digitalisieren, wenn es wichtig ist.
Zwischen IT und klassischen Automatisierern
Wie erleben Sie die Diskrepanz zwischen IT-lern, deren Denken stark in die Produktion hineinspielen wird, und klassischen Automatisierungstechnikern, die komplett anders ticken?
Leindecker: Wir sitzen auf Geschäftsführungsebene oft mit IT und Automatisierungstechnik zusammen, das funktioniert blendend. Ich habe Ähnliches schon einmal in meinem Berufsleben erlebt: Damals kam die IP-Telefonie auf. Da gab es die Telefonanlagenkenner sowie die ITler und Netzwerker. Und die beiden haben sich schon begrifflich nicht verstanden. Letztlich ist alles aber zusammengewachsen – und heute ist es für niemanden mehr eine Diskussion, dass wir über ein IP-basiertes Netzwerk kommunizieren.
Ermöglichen Trends wie Edge Computing eine Tempoverschärfung bei der Flexibilisierung, Herr Wiesinger?
Wiesinger: Wir haben 2006 begonnen, Funktionen von der SPS auf einen – damals noch – Industriecomputer auszulagern. Man hat gesehen, wir brauchten immer größere SPSen für immer mehr Aufgaben, was aber längst nicht mehr mit dem klassischen Steuern und Regeln zu tun hatte. Das war ein erster Moment, der uns zeigte, an die Leistungsgrenze der SPS zu geraten. Deshalb haben wir begonnen, Rezeptverwaltung, Datenverwaltung, Datenspeicherfunktionen auszulagern. Das wird jetzt sukzessive mehr, weil auch die Echtzeitfähigkeit auf dem EdgeDevice vorhanden ist.
Herr Huber-Lindinger, haben Sie ein anschauliches Beispiel eines Services aus Ihrem Produktionsalltag, das vor zehn Jahren noch nicht mal im Ansatz möglich war, sehr wohl aber heute?
Huber-Lindinger: Wir haben BluPort, unsere digitale Kundenplattform, die ermöglicht Kunden am Handy Datenzugang zu ihren Maschinen. Bis hin zur Durchsatzberechnung für eine Kunststoffextrusionsmaschine.
Hackl: Mir fällt da ein eigenentwickeltes Produkt ein. Wir statteten ein Gerät so aus, dass es vorausberechnet, wann es fertig sein wird und über eine Bluetooth-Verbindung mit der Smartwatch des Operators verbunden ist. Ein kleines, nettes Feature, das wir jetzt in den Maschinen haben.
Kühner: Noch vor einigen Jahren wäre es – um ein Beispiel aus unserer Medizintechniksparte zu nehmen – undenkbar gewesen, dass bei einer Blutprobe jederzeit unabhängig von der Beschriftung nachvollziehbar ist, wann, von wem und wo sie entnommen wurde. Wir können mit unserer Software eine hundertprozentige Sicherheit geben, dass Proben nicht mehr verwechselt werden.
Kein autonomes Fahren ohne Sensorik
Was wird in zehn Jahren auf Basis dessen, was wir heute wissen, möglich sein, Herr Leindecker?
Leindecker: Ich denke, dass am Edge-Device die Steuerung in Echtzeit laufen wird. Um bei einem einfachen Beispiel zu bleiben: Wenn ein Fahrzeug autonom fahren soll, müssen die einzelnen Steuergeräte und Sensoriken zusammengeführt werden. Erst dann kann eine zentrale Steuerung eingreifen. Zusätzlich muss sichergestellt werden, dass die Funktionen, die softwareseitig relativ unverändert sind, wie z. B. das Lenken oder das Bremsen, in harter Echtzeit und ohne sich gegenseitig zu stören regelmäßig kommunizieren können. Ich muss also eine Plattform schaffen. Ich sehe das als eine sehr gute Analogie dazu, was in der Fabrik der Zukunft möglich sein wird: Wenn wir eine gemeinsame Plattform mit einer Sprache schaffen, die Steuerung und Analysefunktionen orchestrieren, dann kann man im nächsten Schritt die gesamte Produktion in Richtung Flexibilisierung und Selbstoptimierung weiterentwickeln.
Welche Geschäftsmodelle ergeben sich daraus dann, Herr Kühner?
Kühner: Ich kann mir gut vorstellen, dass Unternehmen, die wir heute als Lohnfertiger bezeichnen, in 20 Jahren darauf spezialisiert sind, herrenlose Fabriken zu betreiben. In diese würde ein Industrieunternehmen seine Daten und sein Knowhow einspeisen. Wenn die Datensicherheit gewährleistet ist, übergebe ich meine Daten und kann über eine blockchainbegleitete Lieferkette Dinge produzieren, die ich selbst entwickelt habe, die ich aber gar nicht mehr selbst produzieren muss.
Industrie ohne Produktion?
Also weg von der flexiblen Produktion – hin zur flexiblen Wertschöpfungskette...
Kühner: Wir müssen uns als Industrieunternehmen ja immer wieder fragen: Was ist eigentlich unsere Wertschöpfung? Wo liegt unser Knowhow? Wenn ich die Entwicklungen in der Produktion sehe, kann ich mir vorstellen, dass wir dort hinkommen. Dass wir unsere Fähigkeiten eher auf die Entwicklung, das Produkt fokussieren und weniger darauf, von der Produktionsseite zu denken, was wir eigentlich fertigen können.
Also eine Industrie ohne Produktion?
Kühner: Auch wenn wir uns als Industrieunternehmen schwer tun, weil es heute so ist, dass wir uns über die Produktion differenzieren, kann ich mir das sehr wohl vorstellen, dass das vielleicht in 20 Jahren so sein wird.
Supply Chain mit voller Transparenz
Hackl: Herr Kühner, wir tun in etwa das, was Sie vorhin als Lohnfertiger bezeichnet haben. Der Kunde sagt, was er möchte. Meine Vision für die nächsten zehn bis 20 Jahre ist weitaus realer: Wir sind schon aufgrund der Stückzahlen im 100er-Bereich pro Jahr pro Maschine von Artificial Intelligence weit entfernt, unser eigentliches Problem ist die Supply Chain hinter dieser Maschine: Immer wieder reißt diese ab, weil der Vorlieferant mit den Kapazitäten nicht hochgehen kann. Meine Vision ist ein Management, das uns in die Lage versetzt, nicht nur zu bestellen, wenn es notwendig ist – oder wo es notwendig werden könnte. Sondern eines, das abbildet, wo bestellt werden muss, weil die Supply Chain möglicherweise gemanagt werden muss. Das alles bei voller Transparenz.
Der Auftragsfertiger macht also einen Schritt weg von der reinen Produktionshalle, hin zu einem Spezialisten mit ausgefeiltem Prognosemodell...
Hackl: Korrekt. Etwas zu drehen oder zu fräsen, das kann jeder – selbst wenn es sich um sehr herausfordernde Spezialaufgaben handelt. Das Modell dahinter – oder darüber – zu verstehen und zu beherrschen, wird der USP für unsere Branche in der Zukunft sein.
Wie sieht Ihre Vision für 2030 aus, Herr Huber-Lindinger?
Huber-Lindinger: Ich stelle mir schon Systeme vor, wo eine Maschine von selbst aufgrund der Verschleißdaten, die auf der Maschine ermittelt werden, Ersatzteile bestellt. Diese Prozesse gibt es längst, doch künftig wird es selbstverständlich sein.
Wiesinger: Zentral ist für uns der digitale Zwilling. Wir wollen alle Aspekte der Simulation – von Materialfluss bis zu numerischen Simulationen – vernetzt und in Echtzeit an der Anlage mitlaufen lassen.
Leindecker: Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass ein Buchhändler wie Amazon mit Webservices so tief in die Digitalisierung der klassischen deutschen Industrie eindringen wird? Ein Stück weit stelle ich mir das als Vision für uns vor: dass wir mit einer Softwareumgebung basierend auf verfügbarer Hardware am Shopfloor neue Offenheit erzeugen. Mit dem Ziel, all die Visionen, von denen heute die Rede war, flexibel umzusetzen.
Dieser Beitrag erschien erstmals November 2020. Zum Zeitpunkt der Diskussionsrunde war Wolfgang Leindecker noch bei TTTech.