Digitale Geschäftsmodelle : Wacker Neuson, Rosenberger Telematics, Emco-Test: Die Daten-Asse

Datenasse
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Er verschmolz Fachabteilungen zu einer 15-köpfigen agilen Zelle. Verhalf Methoden des agilen Arbeitens zum Durchbruch. Anfang 2018 wurde Eric-Jan Kaak, ein sprudeliger Anfangfünfziger, von Emco-Test-Geschäftsführer Klaus Reisinger als CIO an Bord des Unternehmens geholt. Seither ist in Kuchl einiges im Umbruch. Updates ihrer Prüfsoftware bringen die Salzburger nicht mehr zyklisch, sondern kurzfristiger und mitunter als Minimum Viable Product heraus. Es wird an monetarisierbaren Zusatzservices geschraubt. Von einer Blaupause für den digitalen Erfolg könne dennoch nicht gesprochen werden, sagt Kaak. Die Transformation bestünde eben nicht aus einer Aneinandereihung von Best-Practise-Aktivitäten, die woanders Erfolg hatten und sich einfach übertragen ließen. "Viele suchen Standardantworten, die es so nicht gibt", sagt er. Es müsse jeder selbst ins Thema einsteigen.

Was der Apparatebauer aus der 7000-Seelen-Gemeinde beim Thema Pay-per-Use frühzeitig tat, nämlich vor zwei Jahren. Ein Bezahlmodell (Pay per Intend), bei dem nur der Härteprüfeindruck abgerechnet wird, fand aus der Taufe. "Der Servicetechniker kommt vorbei und ließt den Zählerstand ab", erklärt Kaak. Erste Kunden wären dafür gewonnen, mehrere Spielarten, etwa Leasing oder ein Modell ganz ohne Kapitalbindung, aber auch eine monatliche Kündigung des Angebots oder die 36-monatige Bindung, seien möglich. Und im Mai, auf der Control, einer einschlägigen Fachmesse für die Qualitätssicherung in Stuttgart, schalten die Salzburger in den nächsten Gang: Ein neues Produkt, Pay per Method, wird gelauncht. "Eine Software schaltet an der Maschine in dem Ausmaß Prüfmethoden frei, wie es der Kunde für erforderlich hält", erzählt Kaak.

Neue Innovationskapitel

Und dann Das schien in vielen Unternehmen vor ein paar Jahren noch undenkbar. Die immerselben Fallbeispiele machten die Runde - wo man sie zu imitieren versuchte, stand man sich oftmals selbst im Weg: "KPI-Hörigkeit und die immerselben Methoden zum Abernten kleinster Volumensvorteile bremsten den plötzlich aufkeimenden Eifer", beobachtet der Automobilberater Engelbert Wimmer. Radikale Innovation vertrug sich häufig nicht gut mit dem Bestandsgeschäft", sagt Christian Gülpen, Bereichsleiter Digitalisierung bei der Technikhochschule RWTH Aachen University. Doch die Erfolgsmeldungen von Unternehmen, in denen inkrementelle und disruptive Innovation ineinandergreift, werden häufiger.

Rundum-Sorglos-Paket

Ein Beispiel ist der Baumaschinenhersteller Wacker Neuson. Sehr behutsam pirschte sich dieser an neue Serviceangebote heran. Man verfolge die Vision eines telematikgestützten "Rundlos-Sorglos-Pakets" für Baggerbetreiber, hieß es im Unternehmen die vergangenen zwei Jahre knapp. Und man bestätigte, solche digitalen Services schon aufgegleist zu haben. Betriebszeiten, Bewegung, Maschinenzustand – Informationen zu diesen Parametern ließen sich schon optional im Leistungsumfang des Baggers enthaltenen GPS-Ortungssystem abrufen, hieß es. Seit Jahresbeginn gibt es weitere Produkte: Per Software (EquipCare) ist jetzt die Bestimmung des Gerätestandorts, ihr (betriebsstunden-)optimierter Einsatz in der Flotte sowie deren stärker automatisierte Wartung über Ferndiagnose möglich.

Die Baugeräte senden ihre Informationen in die Wacker-Cloud, "CAN-Bus-fähige Bedienelemente sorgen für die Durchgängigkeit der Daten", sagt Wacker-Neuson-Linz-Geschäftsführer Gert Reichetseder. Im nächsten Schritt strebe man Lösungen für eine stärkere Vernetzung auf den Baustellen selbst an. "Da gibt es einige Ideen, die Abläufe effizienter zu gestalten", sagt Reichetseder. Neuigkeiten gibt es im Konzern auch, was das Mietgeschäft betrifft. 2018 wurde eine Partnerschaft mit Klarx, einem Betreiber einer digitalen Plattform für das Baumaschinenmietgeschäft besiegelt. Durchaus denkbar: "Ein vergleichbares- über eine Plattform Dritter gestütztes Online-Mietmodell auch auf Österreich auszurollen", sagt Reichetseder.

Investiert. Und unabhängig

Make or buy - vor dieser Frage stand Christian Meschnig Anfang 2017. Mit Commander, einer Softwarearchitektur zur Verwaltung von systemunabhängigen Daten, hat sich Rosenberger Telematics über die Jahre einen tadellosen Ruf in der Branche erarbeitet. Weil die Datenmengen im Fahrzeug- und Flottenbereich immer größer werden und die Anforderungen ans (Parallell-)Streaming steigen, traf Meschnig für Version Drei der Software eine Entscheidung mit Folgen: Man gehe in die Eigenentwicklung einer solchen neuen (wie bisher schon cloudbasierten) IoT-Plattform, die Daten in Echtzeit verarbeitet.

Der Zukauf über Dritte war keine zufriedenstellende Option: Weder hätte ein solcher die nötige Passgenauigkeit für die Anforderungen der Branche gebracht, sagt Meschnig. Aber auch ein unersprießliches Kapitel der Lieferantenabhängigkeit wollte man letztlich nicht aufschlagen: "Wir haben in unserem Ökosystem die vollständige Kontrolle, alles liegt weiterhin in unserer Hand", sagt er.

Von Netflix inspiriert

Inspirieren ließ man sich auf seiner Innovationsreise - für die der Eigentümer Investitionen in einstelliger Millionenhöhe freigab - vom Streaming-Anbieter Netflix. Die nützlichsten Elemente von Open Source-Tools wie Apache Kafka oder Elasticsearch zog man zur Entwicklung seiner Telematik-Plattform heran. Damit hat Rosenberger einen Pfad bestritten, der CEO Meschnig heute selbst ein wenig überrascht: "Früher waren wir Systemeintegrator, heute sei man zu 70, 80 Prozent ein Softwareentwickler", sagt er. Kunden können sich auf das neue Release jedenfalls freuen, meint Meschnig: Auch wegen der neuen Möglichkeiten bei der Massendatenverarbeitung, sagt er.

Verschiedene Spielarten von Pay per Use

Als aktuell höchst inspiriert darf auch Eric-Jan Kaaks Arbeitsumfeld bezeichnet werden. Denn beim Kapitel Pay per Use könnte der Prüfmaschinenbauer Emco-Test noch eine Schippe nachlegen. "Es gibt noch keine wirklichen Ideen, wie sich Mengendaten effizient im Industrieumfeld abrechnen ließen", sagt der CIO. Ein Weg könnte über Telekommunikationsunternehmen führen, die einen solchen Abrechnungsschlüssel ja Monat für Monat bei Gesprächsminuten generieren. Allein: Sie müssten noch ein solches Geschäftsmodell auf die Beine stellen. In einem Gespräch zeigte sich ein Mobilfunker jedenfalls "hochinteressiert", sagt Kaak.