Energiewende : EU-Finanzminister geben grünes Licht für CO2-Zölle

Umwelt Industrie Wien Emissionen Emission Klimawandel Abgase

CO2-Grenzausgleich: Die Maßnahme muss nun mit dem EU-Parlament verhandelt werden.

- © APA/ROLAND SCHLAGER

Die Mitgliedsstaaten der EU haben sich am Dienstag grundsätzlich darauf verständigt, Abgaben auf bestimmte Waren zu erheben, bei deren Produktion im EU-Ausland klimaschädliche Gase ausgestoßen werden. Eine sehr große Mehrheit war laut Frankreich für den Vorschlag, den die EU-Kommission im Sommer 2021 vorlegte. Die Maßnahme muss nun mit dem EU-Parlament verhandelt werden.

Die Einigung sei ein "wichtiger Schritt in Richtung Fairness", teilte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) am Rande eines Treffens der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister in Brüssel mit. "Produzenten, die Waren in Ländern mit einer weniger ambitionierten Klimapolitik dann eventuell günstiger produzieren können, würden auf dem europäischen Markt Kostenvorteile haben", so Brunner. Deshalb brauche es ein "System, das einen Ausgleich des CO2-Preises zwischen einheimischen Produkten und Einfuhren herstellt".

Beim sogenannten Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) - auf Deutsch etwa Grenzausgleichsmechanismus für Kohlendioxid (CO2) - sollen Hersteller außerhalb der EU dafür bezahlen, wenn sie Waren in die Union verkaufen wollen, bei denen CO2 in der Produktion ausgestoßen wurde. Zunächst soll das Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel sowie Strom betreffen. Die Regelung wird den Planungen zufolge ab 2026 gelten.

Das soll zu vergleichbaren Kosten für Importgüter und in der EU produzierte Produkte führen. EU-Hersteller müssen nämlich durch das Emissionshandelssystem bereits für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie CO2 über Zertifikate bezahlen. Die CO2-Preise für ausländische Hersteller sollen sich an den Emissionszertifikaten orientieren - wenn sie bereits im Ausland für ihre Emissionen gezahlt haben, müssten sie nicht zahlen. Um CBAM umzusetzen, müssen sich die EU-Länder jedoch noch über eine geplante Reform des Emissionshandels verständigen.

Der CBAM ist Teil des "Fit for 55"-Pakets der Europäischen Kommission. Die darin vorgeschlagenen Gesetze sollen den EU-Ländern dabei helfen, CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Österreichs schwarz-grüne Regierung will bereits 2040 klimaneutral sein.

EU-Parlament gab grünes Licht

Das EU-Parlament hat sich bereits Anfang März grundsätzlich für die Einführung von Aufschlägen auf Importe von CO2-intensiven Produkten ausgesprochen. Die Abgeordneten in Brüssel haben am Mittwoch einen entsprechenden Initiativbericht angenommen. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hatte zuvor in der Plenardebatte gesagt, ein solches Instrument sei absolut notwendig, um den Wettbewerb zu stärken sowie den Klimawandel und die Verlagerung von CO2-Emissionen zu bekämpfen.

Umweltschützer beklagten allerdings, dass das Parlament mit seinen Plänen an Vorteilen für die heimische Industrie festhalte. Der sogenannte CO2-Grenzausgleichsmechanismus ist Teil des von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellten Klimaschutzprogramms "Green Deal". Dabei geht es um Aufschläge auf Importe bestimmter Produkte aus Ländern, in denen Klimaschutz nicht so groß geschrieben wird. Die Abgabe soll vor allem eine Abwanderung von CO2-intensiven Industriezweigen in diese Staaten verhindern.

Der Entwurfstext des Parlamentsberichts schließt zu diesem Zweck eine Konsumsteuer auf CO2-intensive Produkte aus. Ein "CO2-Zoll" bei der Einfuhr von Produkten sei zwar schon besser, sagte der für den Bericht zuständige Abgeordnete Yannick Jadot. "Allerdings ist dafür die Einstimmigkeit (der 27 EU-Mitgliedstaaten) nötig", betonte der Franzose.

Die Abgeordneten favorisieren deshalb eine Ausweitung des Emissionshandels: Das exportierende Unternehmen müsste demnach die "Kohlenstoffintensität" seiner Produkte bewerten lassen. Wenn diese höher ist als der europäische Standard, müsste das Unternehmen ein entsprechendes Emissionszertifikat erwerben. Die erhobenen Preise würden denen auf dem EU-Markt für CO2-Zertifikate entsprechen, um die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zur Nichtdiskriminierung einzuhalten.

Der CO2-Grenzausgleich ist in den langfristigen Budgetplänen der EU auch als neue Einnahmequelle vorgesehen. Nach EU-Berechnungen könnte er jährlich fünf bis 14 Milliarden Euro in die Gemeinschaftskasse spülen.

Das Grundprinzip trifft im EU-Parlament auf sehr breite Unterstützung, auch wenn die Linke etwa beklagt, dass Agrarimporte von dem Mechanismus nicht betroffen wären. Streit gibt es allerdings bezüglich der Auswirkungen für den Emissionshandel in Europa. Aktuell dürfen die EU-Länder bestimmte Wirtschaftszweige mit der Ausgabe kostenloser Emissionszertifikate bedenken, um ihre Abwanderung in Drittländer zu verhindern.

"Damit Anlagen in der EU nicht doppelt geschützt werden", sah der Parlamentsbericht ursprünglich vor, dass die Ausgabe kostenloser Emissionszertifikate stufenweise "und schließlich vollständig" auslaufen soll. Eine knappe Mehrheit von hauptsächlich konservativen und rechtspopulistischen Abgeordneten kippte diesen Absatz.

Umweltorganisation liefen dagegen am Mittwoch Sturm. Sollte die Industrie weiterhin kostenlose Zertifikate erhalten, würde dies einen "Fehlanreiz zur Dekarbonisierung darstellen", erklärte der WWF. Die "doppelte Subventionierung" sei auch unfair gegenüber Drittländern.

Sie sei gespannt auf die Erklärung der Konservativen, "wie ein CO2-Ausgleich parallel zu Freizuteilungen im Emissionshandelssystem vor der Welthandelsorganisation Bestand haben kann", erklärte auch die sozialdemokratische, deutsche Abgeordnete Delara Burkhardt.

Die damit u.a. angesprochene ÖVP ließ wissen: "Europa alleine kann das Weltklima leider nicht retten. Um unseren Klimaschutzzielen, zu denen wir uns bekennen, wahre Wirkung zu verleihen, müssen wir andere Teile der Welt mitnehmen und EU-Unternehmen vor einseitigen Wettbewerbsnachteilen schützen", so die Europaparlamentarier Angelika Winzig und Alexander Bernhuber.

Der SPÖ-Europaabgeordnete Günther Sidl erklärte in einer Aussendung: Eine CO2-Abgabe auf Importe in die Europäische Union aus weniger klimafreundlichen Staaten müsse ein wichtiger Teil des "Green Deal" sein. "Es darf nicht sein, dass Unternehmen aufgrund der Ausgaben für Klimaschutzmaßnahmen ihre Produktion in Länder außerhalb der EU mit weniger strengen Emissionsvorschriften verlagern. Das ist der völlig falsche Weg, um den weltweiten Ausstoß von Treibhausgas zu reduzieren. Wer die Umwelt verschmutzt, muss dafür auch bezahlen. Das ist nur fair gegenüber jenen, die klimafreundlich und innovativ in der EU produzieren. Mit einem erneuerten CO2-Grenzausgleich muss die EU klarmachen, dass ehrgeiziger Klimaschutz kein Wettbewerbsnachteil, sondern eine Notwendigkeit für alle Länder ist."

Der Grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz forderte: "Die CO2-Grenzabgabe muss jetzt rasch eingeführt werden.(...) Die europäische Industrie kann damit ihre Produktion klimafreundlich und zu einem nachhaltigen Preis fortsetzen. Wir erhalten damit wichtige Arbeitsplätze und machen den Sektor klimafit. Das schafft faire Wettbewerbsbedingungen für die europäische Industrie und globale Standards in Richtung CO2-Neutralität im Kampf gegen die Klimakrise."

Die EU-Kommission will in den kommenden Monaten einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag für den CO2-Grenzausgleich machen. Das EU-Parlament legte nun mit Blick darauf seine Prioritäten fest. Als Start für den Mechanismus wird 2023 anvisiert.