Major Rentenberger über effektive Führung : Heeres-Major Rentenberger: „Der Kommandant ist an keinen Platz gebunden“

Albin Rentenberger

Major Albin Rentenberger vom Österreichischen Bundesheer am Industriekongress auf Schloss Pichlarn.

- © Matthias Heschl

Ein russischer Abnutzungskrieg in der Ukraine, der sich fortsetzen wird, US-November-Wahlen, die entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf sein werden: Wie gut ein militärisches Führungssystem auf geopolitische Herausforderungen vorbereitet ist, das - so eine militärische Redewendung - „beweist erst der scharfe Schuss“, sagt Major Albin Rentenberger vom Österreichischen Bundesheer am Industriekongress auf Schloss Pichlarn. Auf ein Umfeld der Unsicherheit sei man jedenfalls eingestellt, sagt Rentenberger. Der Hauptlehroffizier und Forscher für Führungslehre am Institut für höhere militärische Führung (IHMF) führt aus, welche Lehren das Militär für das Unternehmensmanagement bietet.

>>> Velina Tchakarova am Industriekongress 2024 über Europas Sicherheit und Deglobalisierung: "Kann Europa wirklich sterben?"

Rentenberger selbst ist in Zeiten aufgewachsen, wo im Bundesheer gespart wurde. 20 Jahre wurden Stabilisierungseinsätze auf der Welt durchgeführt, zuletzt wurden in Österreich - Stichwort Aufbauplan 2032 - in die Trendwende viel investiert. „In der EU ist ein Sinneswandel zu beobachten“, sagt Rentenberger.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!


Das Österreichische Bundesheer sei auf das schwer planbare, auf brüchige Situtationen, vorbereitet. Eine Reihe von Führungsinstrumenten werden Unternehmen bekannt vorkommen, gilt es doch, mit Methoden die eigene Führungsleistung zu erhöhen. Dazu zählen Controlling, Simulationen, Wargames. Eine zentrale Rolle fällt der Dienstaufsicht zu.

„Das oberste Führungsprinzip“ sei die Auftragstaktik, sagt Rentenberger. Dabei werde - im Unterschied zur Befehlstaktik, die bei schlecht ausgebildeten Truppen zu sehen sei - zwar das Ziel vorgegeben und Mittel werden bereitgestellt, die Art und Weise der Zielerreichung bleiben aber frei. „Es bleibt die Handlungsfreiheit in der Umsetzung“, sagt Rentenberger. Das fördere bei der unteren Führungsebene „Kreativität und Flexibilität“. Mitarbeiter identifizieren sich mit den Zielen und nehmen die Aufgabe als "ihr Baby" wahr. „Für die Motivationsfrage ganz entscheidend“, sagt er.

Voraussetzung jedoch: Generell eine gute Ausbildung, und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Es braucht eine gute Vertrauensbasis. Wenn man das als Führungskraft lebt, sei der Preis dafür eben auch, dass das Endprodukt womöglich anders aussieht als geplant - das Ziel aber trotzdem erreicht wird.

Ein weiteres Führungsprinzip lautet Führen als Vorbild. Die Führungskraft muss da sein, es braucht die Synchronisation für den Kampf der verbundenen Waffen. Ebensowichtig: Effektbasiertes Handeln. Taktisch folge man der Denkschule, aus einem nicht akzeptablen Handlungszustand - in Effekten - den Endzustand zu denken. “Zuerst kommt das was, dann das wer, wie, wann und wo“, sagt Albin Rentenberger. Ein Teilsystem kann dann das Gesamtsystem kippen lassen.

Dazu kommen eine Reihe von Führungsgrundsätzen. Diese lauten wie folgt: klare Ziele, Schwergewichtsbildung - sprich die Priorisierung von Zielen -, Einfachheit, Beweglichkeit (auch im Denken) sowie die Ökonomie der Kräfte. Dazu zählt auch, dass die eigenen Stärken nicht durch Überlastung verglühen. Ebenso wichtig: Die Einheit der Führung - „jeder macht seine Sache“ - die in der Wirtschaft eher unpopuläre Reservenbildung sowie Kooperation. Was tun, damit die Prinzipien auch gelebt werden? Man implementiert sie in die Ausbildung.

Die Verantwortung des Kommandanten ist unteilbar

Ganz oben in der Führungsorganisation steht der Kommandant. „Dessen Verantwortung ist unteilbar“, sagt Rentenberger. Er informiert
ganz klar seine Absichten, lässt sich aber auch beraten. Beim Bundesheer gibt es den Sinnspruch: „Der Kommandant ist an keinen Platz gebunden“. Das heißt: Er ist nicht in Prozessen gebunden. „Wenn er sich die Zeit nimmt, eine Zigarre zu rauchen, aber in dieser Phase eine neue Vision entwickelt“, sei das legitim, so der Militär. Darunter schlägt der Stab Varianten vor, es gibt in einem Art Wechselspiel die Pflicht zum Widerspruch. Doch ist eine Entscheidung getroffen, gibt es die loyale Umsetzung durch den Stab.

Rentenberger gibt auch Einblicke in das Führungsverfahren. Einleitend steht die Lagefeststellung, das Erfassen des Auftrags, danach folgt die Entscheidungsfindung und -beurteilung der Lage. Auf Basis dessen entwickelt der Stab 3 oder 4 Varianten, von denen die nachgereihten in der Schublade bleiben. Es folgt: Durchführung und Kontrolle.

Major Albin Rentenberger vom Österreichischen Bundesheer
Wie gut ein militärisches Führungssystem auf geopolitische Herausforderungen vorbereitet ist, das - so eine militärische Redewendung - „beweist erst der scharfe Schuss“, sagt Major Albin Rentenberger vom Österreichischen Bundesheer - © Matthias Heschl

De-Risking, Re-Shoring und Near-Shoring: Wie nutzen wir die Chancen der sich transformierenden Globalisierung? Unter dem Thema „Navigating the Future: How multiple crises shape leadership“ lädt dieser hochkarätige Kongress am 04. und 05. Juli 2024 im malerischen IMLAUER Hotel Schloss Pichlarn, Vertreter aus der Industriebranche ein zusammenzukommen und in Diskurs zu treten.