Digital Services Act : Verschärfte Regeln: "Wir werden bis August eine starke Veränderung sehen"

Internationale Online-Dienste (Facebook,Twitter, Google, Tik Tok, Snapchat, Instagram)
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Das EU-Regelwerk, das für User Ordnung in das Internets bringen soll, ist der sogenannte Digital Services Act. Ein Gesetz für digitale Dienste, um mit Hilfe von Selbstverpflichtungen der Dienste gegen illegale Inhalte vorzugehen. Vor allem große digitale Dienste, die über 45 Millionen User erreichen, sollen dadurch stärker kontrolliert werden können. Für die EU ist in diesem Zusammenhang wichtig, die Algorithmen zu verstehen:

"Algorithmen prägen unser Leben. Wir alle nutzen digitale Dienste und Algorithmen schlagen uns vor, was als nächstes angezeigt wird. Welche Werbung wir sehen sollen und wie unser Nutzerverhalten gesteuert wird. Durch den Digital Services Act haben besonders große Dienste und Suchmaschinen Pflichten, die sie fortan einhalten müssen", so Johannes Bahrke, Sprecher der Europäischen Kommission für digitale Wirtschaft, im Gespräch mit INDUSTRIEMAGAZIN.

Johannes Bahrke, Sprecher der EU-Kommission für digitale Wirtschaft
Johannes Bahrke, Sprecher der EU-Kommission für digitale Wirtschaft - © Europäische Kommission
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Der DSA soll nun unter anderem dafür sorgen, dass Plattformen zum Beispiel Hassrede und gefälschte Produkte schneller von ihren Seiten entfernen. Für die ganz großen Plattformen sollen besonders strenge Vorgaben gelten. Wer dazu zählt, hat die EU-Kommission diese Woche anhand der Nutzerzahlen festgelegt. Betroffen sind unter anderem der Einzelhändler Amazon, Apple und die Modefirma Zalando, teilte EU-Industriekommissar Thierry Breton mit.

Aber auch Social Media Plattformen wie Instagram oder Facebook müssen sich künftig den EU-Vorgaben stellen. Sie alle organisieren ihre Dienste maßgeblich über künstliche Intelligenz (KI) - also Algorithmen. Das Europäische Zentrum für Algorithmen-Transparenz (ECAT), das vergangenen Dienstag in Sevilla eröffnet wurde, soll bei der Analyse eine maßgebliche Rolle spielen. Es wird der EU-Kommission internes technisches und wissenschaftliches Fachwissen zur Verfügung stellen. Damit soll überprüft werden, ob die verwendeten algorithmischen Systeme die Anforderungen des DSA in Bezug auf Risikomanagement, Risikominderung und Transparenz erfüllen.

Das JRC in Sevilla in dem das Europäische Zentrum für Algorithmen-Transparenz seinen Sitz hat.
Das JRC in Sevilla in dem das Europäische Zentrum für Algorithmen-Transparenz seinen Sitz hat. - © Europäische Kommission

Diese Online-Dienste sind betroffen

Zahlreiche internationale Technologiekonzerne müssen in der EU demnächst strengere Auflagen zur Kontrolle von Inhalten erfüllen. Die Eu ist weltweit der erste Zusammenschluss, der die Tech-Riesen auf diese Art in die Schranken weisen möchte.

Auf der Liste der künftig reglementierten Online-Plattformen stehen: Alibaba AliExpress, Amazon, der App Store von Apple, Booking.com, Facebook, Google Play, Google Maps, Google Shopping, Instagram, LinkedIn, Pinterest, Snapchat, TikTok, Twitter, Wikipedia, YouTube und Zalando. Bing und Google Search wurden als sehr große Online-Suchmaschinen eingestuft.

Sie qualifizieren sich ebenfalls, weil sie mindestens 45 Millionen aktive Nutzer pro Monat erreichen. Dazu mussten die Unternehmen im Februar ihre Nutzerzahlen offenlegen. Dies sollen bisher aber noch nicht alle gemacht haben, so Bahrke. Die EU sei mit diesen Diensten aber bereits in Kontakt, um sie über die Pflichten aufzuklären. Man habe aber auch die Möglichkeit, die Plattform dennoch zu nennen, auch wenn die Zahlen derzeit nicht vorliegen. In den kommenden Wochen soll laut Medienberichten noch über die Aufnahme von fünf weiteren Unternehmen entschieden werden.

"Dienste können den Pflichten nicht entgehen. Auch wenn sie versuchen ihre Zahlen geheim zu halten."
Johannes Bahrke, Sprecher der EU-Kommission für digitale Wirtschaft

Was die Dienste jetzt ändern müssen

Der Digital Services Act (DSA) soll Unternehmen verpflichten, stärker gegen Hass und Hetze sowie andere illegale Inhalte im Netz vorzugehen. Manipulative Praktiken, die Nutzerinnen und Nutzer zum Kauf drängen werden ebenso verboten, wie Werbung, die sich an Kinder richtet. Außerdem müssen große Plattformen den Nutzerinnen und Nutzern künftig mehr Einfluss darauf geben, welche Werbung ihnen angezeigt wird. Sensible Daten wie sexuelle Orientierung oder ethnische Herkunft dürfen nicht mehr zu Werbezwecken verwendet werden. Die verschärften Regeln betreffen auch den Umgang mit gemeldeten illegalen Inhalten. Internetportale müssen zudem ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen leicht verständlich zusammenfassen.

Die Unternehmen haben bis August Zeit, die verschärften Regeln umzusetzen. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Künftig müssen die Dienste einmal im Jahr eine Risikobewertung mit Blick auf schädliche Inhalte bei der EU-Kommission vorlegen - samt möglicher Gegenmaßnahmen.

Deep Dive Meet-up 14. Juni 2023

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Was ist der Artificial Intelligence Act?

KI hat längst die Art und Weise verändert, wie wir das Internet erleben: Welche Produkte werden uns angeboten? Welche Nachrichten werden uns angezeigt? Welche Ergebnisse liefert unsere Suche? Algorithmen bestimmen so maßgeblich unsere Wahrnehmung der Welt und werden immer ausgefeilter. Manche sind darüber besorgt. Sie warnen davor, dass die selbstlernenden Programme unkontrollierbar werden könnten.

Experten werden sich hierzu mit der Frage beschäftigen müssen, was mit zukünftigen Entwicklungen geschehen soll, die auf Algorithmen und KI basieren. Wie soll mit Themen wie ChatGPT, selbstfahrenden Autos, automatischen Programmen zur Personalrekrutierung oder zur Bewertung der Kreditwürdigkeit umgegangen werden?

All dieses Wissen soll letztlich in ein neues Regelwerk fließen, das vor zwei Jahren von der U-Kommission vorgeschlagen wurde: Der sogenannten Artificial Intelligence Act. Dieser wird derzeit in Brüssel verhandelt und soll den Einsatz von Künstlicher
Intelligenz im Umgang mit Kundendaten regeln. Das ECAT wird auch hier helfen, Algorithmen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft besser zu verstehen. Definierte Hochrisiko-Bereiche, wie etwa die Echtzeit-Fernidentifikation mit Videokameras durch KI, die Bewertung von Kreditwürdigkeit, die gesundheitliche Risikobewertung oder die Preisgestaltung verschiedener Produkte sollen so reglementiert werden.

Das Gesetz über künstliche Intelligenz zielt darauf ab, "Europas Position als globales Zentrum für Spitzenleistungen im Bereich der KI vom Labor bis zum Markt zu stärken und sicherzustellen, dass die KI in Europa die Werte und Regeln respektiert und das Potenzial der KI für die industrielle Nutzung zu erschließen", so die Europäische Kommission.