Interview : Menard-Galli: „Digitalisierung ist größte Chance der letzten 30 Jahre“

Solveig Menard-Galli, COO von Baustoffkonzern Wienerberger Building Solutions und Vorstandsmitglied Wienerberger AG
© Wienerberger

Seit sechs Jahren ist sie bei Wienerberger, seit bald drei Jahren im Vorstand des 200 Jahre alten Unternehmens. Solveig Menard-Galli ist beim Konzern für Baustoffe als COO für den Bereich Building Solutions zuständig. Im Interview mit INDUSTRIEMAGAZIN spricht Sie als eine der 125 wichtigsten Managerinnen Österreichs über digitale Tools, Resilienz in Krisensituationen und darüber, warum ihr die Arbeit Freude macht. Und das, obwohl Sie sogar schon in Hawaii gelebt hat.

Industriemagazin: Frau Menard-Galli, Sie haben mehrere Jahre im Ausland gearbeitet. Was konnten Sie davon mitnehmen?


Solveig Menard-Galli
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Meine verschiedenen Auslandserfahrungen möchte ich auf keinen Fall missen. Angefangen vom post-graduate-Programm am Pacific Asian Management Institute an der University of Hawaii mit Fokus auf Internationalem Management und dem Vergleich der verschiedenen Ansätze in Asien, Nord Amerika und Europa, über verschiedene projektbezogene Auslandsaufenthalte während meiner Zeit bei Pago International, bis hin zu über sechs Jahren Expat-Erfahrung bei Heineken in den Niederlanden. Auch wenn es dabei beruflich und privat sehr anspruchsvolle Phasen gab, habe ich wahnsinnig davon profitiert und fachlich wie auch persönlich so viel gelernt, dass es kein Ausbildungsprogramm ersetzen könnte.

Vor fünf Jahren begann bei Wienerberger die digitale Transformation. Liegt darauf nach wie vor der Fokus Ihrer Arbeit?


Menard-Galli:
Darauf und aktuell auch auf der strategischen Ausrichtung des Unternehmensbereichs Building Solutions auf unsere Nachhaltigkeitsziele und hier vor allem auf der konsequenten Umsetzung unserer Dekarbonisierungsstrategie.

"Wer versucht, sich zu verstellen, wird viel zu viel Energie verwenden."
Solveig Menard-Galli

Gebäude für 36 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich


Tonbaubaustoffe spielen hier bekanntlich eine wichtige Rolle…


Menard-Galli:
Tonbaustoffe haben sich über mehrere Jahrtausende als natürliche, nachhaltige und unglaublich langlebige Baumaterialien bewährt. Ein Ziegelmassivhaus zeichnet sich nachgewiesenermaßen durch ein positives Raumklima, natürlichen Feuchtigkeitsausgleich und thermische Eigenschaften aus, die Gebäude im Winter warm und im Sommer kühl halten. Wienerberger hat in den letzten 200 Jahren maßgeblich durch Forschung und Entwicklung dazu beigetragen, dieses unglaubliche Baumaterial weiterzuentwickeln. Aktuell stehen wir kurz vor dem nächsten Technologiesprung, um unsere Produktion vollständig CO2-neutral zu gestalten.

Bleiben wir beim Thema Digitalisierung und Smart Solutions. Was bringen hier die nächsten Jahre?


Menard-Galli:
Wir verstehen Digitalisierung als größte Chance der Bauindustrie der letzten 30 Jahre. Gebäude sind in Europa für 36 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Um den Hausbestand bezüglich Energieeffizienz zu transformieren, muss nicht nur die Renovierungsquote von ein auf drei Prozent erhöht, sondern auch entsprechend effizienter neuer Wohnraum geschaffen werden. Der limitierende Faktor dabei sind jedoch die fehlenden Facharbeiter in diesem Bereich – das heißt, Innovationen, die die Arbeit bei Bauprojekten erleichtern und beschleunigen wie etwa digitale Planungstools sowie Vorfertigung von Fassadenlösungen und Wandelementen, oder der Einsatz von Robotik auf den Baustellen werden ausschlaggebend sein, um diese Herausforderungen in den nächsten Jahren zu meistern.

"Der Bedarf an smarten Lösungen ist enorm."
Solveig Menard-Galli

Ein Abreißen des Wienerberger-Erfolges – der Gewinn war ja zuletzt sogar über Vorkrisenniveau – durch Schuldenbremsen der Kunden nach der Pandemie befürchten Sie also nicht?

Menard-Galli: Wienerberger hat sich in den letzten zehn Jahren vom Produzenten von Baustoffen hin zu einem Anbieter von umfassenden nachhaltigen Gesamtlösungen für die Bauindustrie entwickelt und ist damit viel breiter aufgestellt und resilienter gegenüber Krisensituationen. Durch Innovation, strategische Partnerschaften und Akquisition erweitern wir laufend unser Angebot an smarten Lösungen für die gesamte Gebäudehülle in den Bereichen Neubau und Renovierung, sowie für Infrastruktur im Wasser- und Energiemanagement. Der Bedarf an solchen Lösungen ist enorm und es ist zu erwarten, dass das unter anderem durch das Commitment zum European Green Deal auch nachhaltig so bleibt.

Digitalisierung in der Baubranche

Was zeichnet Ihren Führungsstil aus?

Menard-Galli: Was mir persönlich sehr wichtig ist, ist zuhören zu können. Zuhören im Unternehmen, um etwa Mitarbeitern und Teams rasch und effektiv Orientierung und Unterstützung geben zu können, aber auch extern, um die Herausforderungen unserer Geschäftspartner gut zu verstehen, um mit der Weiterentwicklung unserer Lösungen das Leben unserer Kunden leichter zu machen.

Das klingt, als würde Ihnen die Arbeit Freude machen.

Menard-Galli: Ausschlaggebend ist aus meiner Sicht, sich selbst treu zu bleiben. Wer versucht, sich längerfristig zu verstellen, wird darauf viel zu viel Energie verwenden um in der Sache erfolgreich sein. Wichtig ist, herauszufinden, was einem wirklich Spaß macht. Wer Vergnügen an dem empfindet, was er tut, kann auch über sich hinauswachsen und Höchstleistungen erbringen.

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