Güterverkehr in der Ukraine : Wie ÖBB Rail Cargo auf Matchmaking setzt

Mit Methodenkompetenz unterstützte das Open-Innovation-Team des ÖBB-Konzerns
- © ÖBBClemens Först weiß um die Zwangsläufigkeit in seiner Branche. "Wenn wir nachhaltigen Landtransport wollen, gilt es mehr auf der Bahn zu transportieren ", schildert Först, CEO der ÖBB Rail Cargo Group. Von multimodalen Verkehrslösungen spricht er dann. Der Kombination von Bahntransport kombiniert mit einem LKW-Transport auf der sogenannten ersten und letzten Meile. Klassische bahnaffine schwerindustrielle Volumina stagnieren seit vielen Jahren, einen immer größeren Anteil im Transportmix machen Fertig- und Halbfertigprodukte aus. End-to-end Digitalisierung bis hin zum flächendeckenden Einsatz von Sensorik auf Güterwägen also kann ein Teil der Lösung sein.
Doch welchen Kurs fährt ein Unternehmen, wenn in Europa Krieg ausbricht? Und woher kommen die zündenden Geschäftsmodellideen, wenn der Kern des Unternehmensgegenstands aus der Donaumonarchie angedampft kommt?
Lesen Sie auch: Andritz, Greiner, Lisec, Umdasch & Co: Disruptive Innovation - so schraubt die Industrie an neuen Geschäftsmodellen
"Mit Methodenkompetenz unterstützt uns das Open-Innovation-Team des ÖBB-Konzerns“, sagt Först. Ein aktuelles Beispiel einer solchen Innovation ist "Grainlane", eine Drehscheibe für Matchmaking, die Landwirtschaft, Handel, Verbraucher und Logistikanbieter digital vernetzt.

Getreideangebot per Mausklick
Als der Prototyp mit Hilfe des Company Builders V_labs fertiggestellt war, warf der Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine gerade seine Schatten voraus. "Während die Bahn Domänenwissen einbrachte, näherten wir uns der Aufgabe bewusst naiv von außen", erzählt V_labs Managing Partner Lukas Meusburger. Man sprach mit Landwirten und Betreibern von Mühlen. Ergründete die Interaktionsmuster aller Beteiligten, ging "empirisch" vor, ehe Beziehungen "in Code gegossen wurden", sagt Meusburger. Der Kriegsausbruch im Februar lieferte schließlich den Anlassfall für einen vorgezognenen Go-live.
Mit wenigen Klicks sind für Partner heute detaillierte Getreideangebote und -gesuche erstellbar. Ende Juli wurden über 400.000 Tonnen Agrar-Produkte aus der Ukraine angeboten, 1000 User waren auf der Plattform für Getreide und Ölsaaten wie Weizen, Soja oder Mais, die in wenigen Wochen in Startup-Atmosphäre entstand. Und die trotz partieller Aufhebung der Schwarzmeersperre weiterhin stärker skalieren soll als andere Angebote", ist Först überzeugt.
Digitale Assets. Sprudelnde Erlösquellen?
Freilich, es erfordert gar nicht die großen Drohkulissen wie Krieg oder Pandemie. Probleme in Branchen können auch langsamer einsickern. So ist der Maschinenbau für seine Ingenieurtugenden vielgerühmt, was brandgefährlich ist: Dieser Mythos, der durch inkrementelle Innovation befördert werde, wiege "in falscher Sicherheit", sagt Andreas Pfleger, Head of Market Unit Industry & Consumer Products des Innovationsdienstleisters Zühlke Österreich.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Story Corporate Venture Building von INDUSTRIEMAGAZIN-Ausgabe 9/22.
