Serie: Ventures Almanach : "Start-ups müssen sichtbar werden"

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Frau Prodanovic, Sie haben die Austrian Angel Investors Association (AAIA) mitbegründet und sind wohl Österreichs bekannteste Business Angelina. Wie wird man so etwas?

Selma Prodanovic Ich habe mein Unternehmen Brainswork 2005 gegründet und begonnen, die Kreativwirtschaft zu beraten. Dort habe ich gesehen, dass die meisten wenig Ahnung von Business haben, und kurz darauf festgestellt, dass in anderen Branchen ebenfalls Bedarf herrscht. 2009 habe ich „IncrediblEurope“ gestartet und dort den ersten Pitch mit Andreas Tschas, der später das Pioneers Festival mitbegründete, organisiert, 2010 das erste internationale Business-Angelina-Meeting in Wien veranstaltet, usw.

Mittlerweile haben Sie mehr als 400 Start-ups beraten. Wie viele davon sind erfolgreich?

Prodanovic Die Erfolgsquote habe ich mir nicht angeschaut. Aber es ist erwiesen, dass Start-ups, die Business Angels an Bord haben, erfolgreicher sind als andere. Was auch logisch ist. Im Gegensatz zum reinen Investor bringt ein Business Angel drei Sorten von Kapital ein: finanzielles Kapital, soziales Kapital in Form seines Netzwerks und Wissenskapital bzw. Erfahrung.

In wie vielen Start-ups sind Sie tatsächlich mit Geld investiert?

Prodanovic Direkt in nur wenigen, aber indirekt sind es derzeit 29. Mir geht es eher um die strategische Beratung und um den Aufbau des Eco-Systems. Daher habe ich im Vorjahr auch 1millionstartups ins Leben gerufen.

Dabei wollen Sie eine globale Bewegung initiieren. Wie genau soll diese aussehen?

Prodanovic In einem ersten Schritt geht es darum, Visibility zu schaffen. Ein Start-up mag heute in den Medien sein, morgen vielleicht noch einmal bei einem Wettbewerb sichtbar, aber übermorgen schon nicht mehr. Es gibt einfach keinen Platz, wo man jederzeit nachschauen könnte, welche Start-ups derzeit aktiv sind. Daher haben wir eine Art Online-Galerie geschaffen, auf der sich Start-ups präsentieren können. Später wird es auch Schulungen und finanzielle Unterstützung geben.

Und das Ziel ist eine Million Teilnehmer?

Prodanovic Ja, das ist auch zu schaffen, wir haben 1millionstartups gerade im März in Südafrika gelauncht, die teilnehmenden Start-ups sind vorerst großteils aus Österreich, Europa und Afrika. Doch weltweit gibt es jedes Jahr 100 Millionen neue Entrepreneurs.

Aber diese sind wohl nicht alle Start-ups.

Prodanovic Uns geht es um Lösungen. Mich interessiert weniger die zehnte Applikation für Fotografie, so erfolgreich sie auch sein mag. Es geht um Lösungen für 13 globale Challenges, große Themen wie Klimawandel, Wandel der Arbeitswelt oder Mobilität.

Worauf schauen Sie bei der Auswahl der Start-ups, die Sie unterstützen?

Prodanovic An erster Stelle steht das Team, also ob es die Fähigkeit hat, mit verschiedenen Situationen umzugehen. Dann kommt natürlich die Idee und wie relevant sie für den Markt ist. Es nützt das beste Konzept nichts, wenn kein Markt dafür da ist.

Muss das Start-up dabei gleich für den globalen Markt ausgerichtet sein?

Prodanovic Das ist es, was ein Start-up von einer klassischen Gründung unterscheidet: Das Businessmodell muss von Anfang an so aufgestellt sein, dass es über die Grenzen hinweg funktioniert. Daher haben wir auch 1millionstartups in Südafrika gelauncht.

Sind – neben vielen Start-ups – nicht auch die Frauen in der Szene noch zu wenig sichtbar?

Prodanovic Ja, der weibliche Anteil unter den Start-ups beträgt rund zwölf Prozent, unter den Investoren etwa zehn Prozent. Doch es gibt deutlich mehr Investorinnen als wir glauben. Viele Frauen sind Mentorinnen, aber sehen das gar nicht als professionelle Beziehung an. Sie sagen, ich habe nur ein bisschen geholfen. Hier muss das Bewusstsein geschaffen werden, dass sie für ihre Unterstützung auch etwas haben dürfen und am Unternehmensgewinn beteiligt werden.

Warum sind Frauen hier so zurückhaltend?

Prodanovic Das hat mit der Sozialisierung und mit Vorbildern zu tun. Das Bild des klassischen Start-up-Gründers weltweit betrachtet ist männlich, jung und weiß. Auf Investorenseite kommt hinzu, dass Frauen traditionell oft keinen Zugang zu Geld hatten. Wir haben daher auch Rising Tide Europe, ein Netzwerk von 93 Frauen aus vier Kontinenten, sowie in Österreich Investorinnen.com geschaffen und hier heuer erstmals Awards vergeben – um zu zeigen, es gibt sie, die weiblichen Investorinnen.

Sie haben selbst zwei Kinder. Wie schaffen Sie es, Ihre weitgehend globale Tätigkeit, den Aufbau von 1millionstartups etc. und Familie unter einen Hut zu bringen?

Prodanovic Ich habe, nachdem ich sechs Monate arbeitslos war, 2005 mein Unternehmen gegründet und so aufgebaut, dass es für mich und meine Familie passt. Je größer die Kinder wurden, desto mehr konnte ich arbeiten und auch reisen. Doch ich habe von Anfang an global gedacht und mir rasch ein Netzwerk von 132 Partnern weltweit aufgebaut.

Gehört diesem netzwerk- und projektbezogenen Arbeiten die Zukunft?

Prodanovic Ja, davon bin ich überzeugt, wobei es nicht um ein Entweder-Oder geht. Zusätzlich zu den großen Unternehmen wird es die komplementäre Welt von immer mehr Start-ups geben. Und diese ist genauso wichtig. Stellen Sie sich vor, die 1 million startups haben jeder drei Mitarbeiter – dann wäre das zusammen der größte Arbeitgeber der Welt.

Mehr zur heimischen Start-up-Szene finden Sie in unserem Ventures Almanach.