Zumtobel : Zumtobel-CEO Alfred Felder: Heiler statt Heiland

Zumtobel_Vorstandschef Alfred Felder
© Zumtobel

Es dauert etwas, bis Besucher des Zumtobel Lichtzentrums bei der Wiener Uno City realisieren, was die großen und kleinen, runden und eckigen, breiten und spotartigen Objekte an Decke und Wänden vermögen: Es sind Beleuchtungskörper. Die Lampen und Leuchten modellieren Licht zu Farben und Nuancen, wie man es sonst nur von Theaterbühnen kennt. Alfred Felder, neuer Chef des Dornbirner Lichtkonzerns Zumtobel, hat Anfang September den Schauraum zum Veranstaltungsort für eine Pressekonferenz umfunktioniert. Lichtspiele gab es dabei keine. Denn der Anlass war ernst: Offiziell sollten die Quartalszahlen des börsennotierten Leuchtenkonzerns präsentiert werden. Inoffizieller Titel der Veranstaltung: Wie geht es mit Zumtobel weiter?

Der Person des 54-jährigen Vorstandsvorsitzenden kam besonderes Interesse entgegen. Von Februar bis zu seiner Fixbestellung am 8. Juni verfügte der gebürtige Südtiroler nur über ein interimistisches Mandat als Vorstandssprecher. Er war bis dahin „Boss auf Probe“, wie es ein Aktienanalyst umschrieb. Der Aufsichtsrat, allen voran dessen Präsident und langjähriger Vorstandschef (bis 2003) Jürg Zumtobel (82), zierte sich nach der eruptiven Trennung von Vorgänger Ulrich Schumacher, Felder von Anfang an das volle Vertrauen auszusprechen – eine Vorgangsweise, wie man sie sonst nur aus dem Fußballgeschäft kennt.

Verfahrener Karren

Felder verfügt über jede Menge Managementerfahrung in Konzernen – und dies auf allen Kontinenten. Er arbeitete in den 90ern vier Jahre für Siemens in Japan, wo er seine Frau kennenlernte, und vertrat Osram von 2003 bis 2012 in den USA und Hongkong. Bisher war er aber noch nie die Nummer 1 – ein Makel, den er im Februar vom Tisch wischen wollte. Felder akzeptierte die zaudernde Personalpolitik der Zumtobel-Aufsichtsräte.

Die Startphase war alles andere als einfach: Ulrich Schumacher und Jürg Zumtobel hatten sich über mehr als ein Jahr heftige Grabenkämpfe im eigenen Unternehmen geliefert – mit teilweise skurrilen Resultaten. Die Mehrheitseigentümer aus der Zumtobelfamilie – sie kontrollieren 35 Prozent – stießen sich immer heftiger am überaus selbstbewussten Managementstil des Ex-Infineon-Chefs, der bei wachsendem Sanierungsdruck immer tiefere Einschnitte in die Konzernstruktur forderte. Oberkontrollor Jürg Zumtobel war dies zu radikal. Er mischte sich immer öfter in operative Entscheidungen des Vorstands. Zuletzt berichteten Mitarbeiter von Schumacher-Direktiven, die von der Belegschaft auf Anordnung von Jürg Zumtobel nicht umgesetzt wurden. Schumacher seinerseits revanchierte sich mit Info-Leaks bei süddeutschen Medien, die Familiensprecher Jürg in das Licht eines störrischen alten Mannes rückten. Belegschaft wie Investoren verloren zunehmend das Vertrauen. Aber was am schwersten wog: Die Quartals- und Halbjahreszahlen färbten sich 2017/18 tiefrot. Im Juni musste das Unternehmen ein Jahresergebnis von minus 46,7 Millionen Euro bekannt geben – ein bislang nie dagewesener Verlust.

Reden und Vertrauen

Alfred Felder ist als Antithese zu Vorgänger Ulrich Schumacher an die Spitze von Zumtobel gerückt, auch wenn die beiden eine Karriere im Siemens-Konzern verbindet. Der gebürtige Südtiroler liebt Tourenschifahren und Bergwandern, Schumacher gilt als verhinderter Rennsportler, der ein Freund der Inszenierung ist: Zum Infineon-Börsegang 2000 fuhr er im Renn-Porsche und voller Fahrer-Montur bei der Frankfurter Börse vor. War Schumacher 2013 als charismatischer Sanierer geholt worden, der mitunter auch über Wasser wandeln sollte, so ist Felder der Heiler, der lieber mit Kräuterwickeln als mit dem Skalpell arbeitet. Dies bringt mit sich, dass er den Wünschen der Kerneigentümer weniger entgegensetzen wird, als dies sein Vorgänger getan hat. Felder soll das angeschlagene Unternehmen auf Spur bringen, ohne dessen Identität als Vorarlberger Familienunternehmen zu gefährden. Schumachers Vision sah hier wesentlich weniger Familie und deutlich mehr Shareholder Value vor.

Felders erster Sanierungserfolg trat rasch ein: Er stellte das Gemauschel ab. Sein zweiter Treffer: Er konnte dem Aufsichtsrat durch rasche Kosteneinsparungen in Vertrieb und Management beweisen, dass er einen Plan hat. Dass aus dem einst als Provisorium angetretenen Felder eine Dauerlösung wurde, ist letztlich auch der Tatsache geschuldet, dass ein neuerlicher Managementwechsel dem Unternehmen nicht mehr zuzumuten war.

Freundschaftliches Verhältnis

Die nötigen Heilbehelfe hat Alfred Felder in einem Restrukturierungsplan aufgearbeitet: Kosteneinsparungen, Produktoffensiven und frische Markenpositionierungen sollen das Dornbirner Unternehmen wieder wettbewerbsfähig machen. Von insgesamt 6.200 Mitarbeitern im Konzern arbeiten 2.800 am Stammsitz Dornbirn. Felder will den Standort mit der Produktion von High-End-Modulen auf alle Fälle halten. Ein neues Werk in der serbischen Industriestadt Nis soll die Wettbewerbsfähigkeit im preissensiblen Segment der Komponenten wiederherstellen. Dafür wird der bisherige Billigstandort China verkleinert. Freilich: Die umständlichen Analysen und Evaluierungen haben für den promovierten Elektrotechniker (TU Wien) in erster Linie Belegcharakter. Der in München wohnende Manager war von April 2016 bis Januar 2018 als Chief Operating Officer (COO) im Vorstand. Schumacher und Felder kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit bei Siemens und später bei Infineon. Den beiden wird zumindest in der ersten Zumtobel-Zeit ein „freundschaftliches Verhältnis“ nachgesagt. Felder als Letztverantwortlicher für die gesamte Produktion kannte und kennt die Organisation von Zumtobel aus dem Effeff – und damit all die Fehler, die er jetzt abstellen will. Im Interview erklärt er, wo die Probleme liegen – und wie er sie beseitigen wird.

Sie sind im Februar nach dem Abgang Ihres Vorgängers Ulrich Schumacher als interimistischer Vorstandssprecher eingesprungen und erst im Juni als CEO definitiv bestellt worden. Ihr Vertrag endet aber schon am 30. April 2019. Warum haben Sie einen Kontrakt mit so kurzer Laufzeit unterschrieben?

Alfred Felder Unsere Verträge laufen immer drei Jahre. Und ich bin im April 2016 in den Vorstand gekommen. Mein Vertrag, der in einen CEO-Vertrag umgewandelt wurde, endet daher im April 2019. Wir sind gerade dabei, über die Verlängerung zu sprechen.

Die Umstände Ihrer Funktionsübernahme waren von öffentlichen Auseinandersetzungen und schlechten Bilanzzahlen geprägt. Wie steht es heute um Zumtobel?

Felder Zum Start habe ich die Mannschaft auf zwei Dinge eingeschworen. Wir müssen erstens das Geschäft stabilisieren und zweitens müssen wir zu einer ganz anderen, schlankeren Organisation kommen. Wir hatten 45 direkt berichtende Manager und Managerinnen zu den drei Vorständen. Sehr gute mittelständische Unternehmen kommen mit sieben, acht direkt reportierenden Managern aus, die mittelguten mit zwölf und die schlechten mit fünfzehn. Wir hatten und haben ein Effizienzthema, das sich von ganz oben nach ganz unten zieht.

Sie sind seit 2016 im Vorstand. Warum haben Sie nicht schon früher etwas gegen die langen Entscheidungswege getan?

Felder Ich bin 2012 noch von Harald Sommerer eingestellt worden, dem Vorgänger von Ulrich Schumacher. Und schon am Anfang, als Chef von Tridonic, ohne jedes Vorstandsmandat, war mir klar, dass unsere Strukturen zu komplex waren. Es herrschte überall ein guter Wille, aber die Kommunikationskanäle waren verwirrend. Es war schwierig, Entscheidungen effizient zu erzielen.

Was machen Sie jetzt besser?

Felder Wir haben die Strukturen ganz flach gestaltet. Wir haben das Geschäft in drei Bereiche zusammengefasst: Die Tridonic-Einheit, die Leuchten-Einheit und die Solutions-Einheit. Und in diesen Bereichen gibt es jeweils zwei Ebenen, wobei wir nochmal nachschärfen werden.

Sie sprechen mittlerweile von 12 Millionen Euro, die Sie in den vergangenen acht Monaten einsparen konnten. Wenn es so einfach war: Warum wurde dies nicht früher gemacht?

Felder Ich will jetzt nicht über die Vergangenheit reden. Aber der Vorteil eines neuen Vorstandsteams ist, dass es neue Impulse bringt und mit neuen Ideen an Dinge herangeht. Jetzt haben wir mal den ersten Schritt der Neuorganisation gemacht. Der war lebensnotwendig. Jetzt müssen wir den zweiten Schritt setzen. Wir müssen mit den neuen Produkten, die jetzt in der Pipeline sind, und mit der neuen Struktur die Umsätze wieder nach oben ziehen. Umsätze sind nicht so leicht zu realisieren, wie Kosten rauszunehmen. Dazu müssen wir die Kunden wieder von Zumtobel überzeugen.

Aufsichtsrat und Management haben in den vergangenen zwei Jahren schlechte Figur gemacht. Wie gewinnen Sie das Vertrauen der Mitarbeiter wieder?

Felder Genauso wie wir das Geschäft stabilisieren, so müssen wir auch wieder das Betriebsklima in normale Bahnen bringen. Ich denke, dass es uns schon ein Stück weit gelungen ist, die Leute wieder zu motivieren. Es geht darum, die richtigen Menschen in die richtigen Positionen zu bringen, sie auszubilden und auch kritische Geister im Unternehmen wieder wachzurütteln. Teilweise haben wir diese Leute verloren, teilweise waren sie kurz vorm Absprung. Wir müssen sie zurück ins Unternehmen holen. Jetzt fragen Mitarbeiter, die uns verlassen haben, wieder bei uns an. Die Mitarbeiter-Fluktuation und den Wissensverlust der vergangenen Monate haben wir wieder im Griff.

Die LED-Technologie hat der Branche zunächst fette Bilanzen gebracht. Seit mehreren Jahren kämpfen aber alle Player mit Turbulenzen. Warum geht es der Branche so schlecht?

Felder Die weiße LED ist über 20 Jahre alt. In der Lichtbranche ist die Technologie aber erst seit etwa 2010 in breiter Anwendung. Es gab alle vier Monate eine neue LED-Generation, die heller war und weniger Strom gebraucht hat als die Vorgänger-Produkte. Ab 2016 haben sich die Innovationszyklen aber verflacht. Die Technologiesprünge waren nicht mehr so krass. Und das hat dazu geführt, dass die Dichte von Spielern in dem Feld zusammengerückt ist. Es gibt viel mehr Firmen, die die gleichen Produkte mit vergleichbarer Qualität anbieten. Unsere Produkte werden jährlich je nach Segment zwischen zwei und zehn Prozent am Markt günstiger. Das ist ein typischer Effekt in der Halbleitertechnologie, mit dem wir es jetzt zu tun haben.

Sie bezeichnen in einem Gespräch die Kostensituation von Zumtobel als derzeit nicht wettbewerbsfähig. Sind dies hausgemachte Dinge?

Felder Wenn die Preise jährlich um fünf Prozent nach unten gehen, brauchen Sie immer fünf Prozent Produktivitätssteigerung. In der Realität müssen Sie mehr machen, um auch mal Profit zu erwirtschaften. Diese Steigerungen hat Zumtobel in den vergangenen Jahren nicht geschafft.

Ihr Erfolg als Vorstandschef wird auch am Management der Brexit-Risiken gemessen werden. Denn mit dem Kauf des Konkurrenten Thorn im Jahr 2003 ist UK der wichtigste Markt für Zumtobel geworden.

Felder Der Komplettumsatz, den wir in England machen, liegt bei etwa 16 Prozent. Ab Mitte letzten Jahres haben wir gespürt, dass die Umsätze zurückgehen. Allein im Q1 2018/19 verzeichneten wir ein Minus von 22 Prozent beim Umsatz. Projekte, wo wir als Lichtlösungsprovider schon festgelegt waren, sind einfach nicht umgesetzt werden. Die Investition und damit unsere Umsätze wandern in ein nächstes oder übernächstes Geschäftsjahr. Und das hat sich über die letzten zwölf Monate zugespitzt.

Zumtobel hat im Sommer im serbischen Nis die Produktion hochgefahren. Warum dort?

Felder Die Errichtung der Produktion in Nis ist ein wichtiger Meilenstein in der Zumtobel-Geschichte. Wir können in Serbien jene Produkte produzieren, die wir aus Kostengründen in anderen Werken nicht mehr herstellen können. Wir haben die Möglichkeiten der vollautomatisierten Produktion in Dornbirn sehr weit ausgereizt. Um die Vorteile der neuen Technolo- gien zu nutzen, brauchen sie aber Volumen in den Stückzahlen. Die haben wir nicht bei allen Sortimenten. Wir haben auch Sonderproduktionen mit hohem Arbeiteranteil. Diese Form der Produktion lässt sich in Serbien noch umsetzen. Noch einmal: Nis ist für uns sehr wichtig.

Werden Sie die chinesischen Tridonic-Standorte schließen, nachdem Sie Teile der dortigen Fertigung nach Serbien verlagern?

Felder Nein. Das chinesische Werk von Tridonic hatte ja zwei Aufgaben. Zuerst einmal alle Produkte zu fertigen, die wir im asiatischen Raum verkaufen. Das bleibt unverändert. Wir sind aber jetzt in der Situation, dass die chinesischen Produktionskosten à la longue mit den serbischen Kosten nicht mehr mithalten können. In China sind die Löhne überproportional gestiegen. Wir hatten die rechtliche Vereinbarung, dass wir jedes Jahr 10 Prozent mehr Lohn zahlen müssen. Da schließt sich die Kluft bei den Arbeitskosten relativ rasch. China ist nicht mehr der Standort, wo man hingeht, um aus Kostengründen zu produzieren. Der China-Standort produziert jetzt nur mehr für den asiatischen Markt. Wir haben auch ein großes Entwicklungszentrum dort.

Wird es heuer noch Entscheidungen über Standortschließungen geben?

Felder Derzeit steht kein derartiger Entschluss an. Aber unsere Effizienzprogramme laufen. Jedes Werk steht am Prüfstand. Mit der richtigen Struktur gehe ich davon aus, dass alle Standorte konkurrenzfähig bleiben. Aber es wird eine tägliche Herausforderung sein, diesen Status zu verteidigen.

Zumtobel plant eine Software-Schmiede für Lichttechnik in Portugal aufzubauen. Warum?

Felder Weil wir das in Österreich nicht schaffen. Wir haben den Plan aufgegeben, in fünf Jahren 75 Software-Ingenieure in Dornbirn beschäftigen zu können. Die notwendigen Fachkräfte sind schlicht und einfach nicht verfügbar. Wir stehen als Zumtobel in Konkurrenz mit tollen Unternehmen wie Blum, mit Alpla, mit Doppelmayr. Die suchen genau die gleichen Mitarbeiter wie wir. Alle stürzen sich auf Absolventen der HTL. Und es klappt auch nicht, die benötigten Fach- und Führungskräfte von außerhalb nach Dornbirn zu bekommen. Da konkurrieren Sie mit München und Stuttgart. Dabei ist das von unserer Seite schon längst keine Kostenfrage mehr.

Unter Ihrem Vorgänger war das Verhältnis zwischen der Familie Zumtobel und dem Management angespannt. Wie geht es Ihnen mit den Vertretern der Kerneigentümer?

Felder Die Restrukturierungsstrategie, die wir jetzt umsetzen, ist mit dem Aufsichtsrat abgesprochen. Das ist normal und funktioniert wunderbar. Die Zukunftsvision für Zumtobel ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem operativen Management und dem Aufsichtsrat. Das Kontrollgremium muss die strategischen Entscheidungen letztendlich absegnen. Der Aufsichtsrat ist im Boot. Deswegen läuft das eigentlich sehr gut.