Beschaffung : Koenig & Bauer: "Sourcen kaum in Russland oder der Ukraine"

Rudolf Vogl CEO Koenig & Bauer AT

Koenig & Bauer AT-Chef Rudolf Vogl: "Implikationen überschaubar"

- © Helene Waldner

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Vogl, welche Implikationen für Ihr Geschäft am Standort hat der Kriegsausbruch in der Ukraine?

Rudolf Vogl:
Dieser Krieg hat natürlich Auswirkungen auf die Rohstoffmärkte und globalen Lieferketten. Die Ukraine ist ein wichtiger Stahlproduzent, aber gemessen am Gesamtumsatz von Koenig & Bauer sind die Implikationen überschaubar.

Sie verantworten im Konzern auch die Bereiche Supply Chain Beschaffung . Sourcen Sie in der Region?


Vogl:
Wir sourcen kaum bis gar nicht in diesen Ländern, auch praktisch nicht direkt in China. Wir sind sehr traditionell in der Beschaffung. Wir betreiben in Radebeul und Würzburg große Fertigungen für den Bereich mechanischen Teile. Wo es Ausfälle gibt, werden wir unsere eigene Stärke noch umfassender nutzen. Zu Beginn gab es Engpässe bei Blechen, das hat sich nach der Pandemie stabilisiert. Bei der Elektronik ging es nicht ohne den einen oder anderen Deckungskauf. Grundsätzlich gilt: Beim Sondermaschinenbau in Mödling konnten wir gut austarieren. Diese Flexibilität sehen wir jedoch als Teil unseres Leistungsversprechens.

Als Sondermaschinenbauer stellt Ihr Standort gerade auf eine getaktete Fließmontage um. Das ist salopp gesagt eine ziemliche Nummer, oder?


Vogl:
Ja, das ist eine große Nummer. Und eine Novität bei einem Sonder- Maschinen-Anlagenbauer, der nicht in Großserien fertigt. Jede unserer Maschinen wird weiterhin speziell für den Kunden auslegt.

Wie weit ist denn das Projekt zur Stunde fortgeschritten?


Vogl:
In den baulichen Maßnahmen sehr weit. Auch das gesamte Arbeitsumfeld wurde von der Arbeitsplanung über die Taktung bis zur Teilelogistik im Projekt, das kumuliert zwei Jahre läuft, umgekrempelt. Unser Ziel ist, Ende des zweiten, Anfang des dritten Quartals 2022 in die Taktmontage einzusteigen. Die getaktete Vormontage und das neue Logistikkonzept bringt uns eine lang ersehnte Trennung und Optimierung von Wareneingang und Maschinenversand.

Seit 2020 gibt es im Mutterkonzern mit Michael Ulverich einen neuen Vorstand COO. War das alles seine Idee?


Vogl:
Es war eine gemeinsame Idee. Mit Michael Ulverich haben wir einen Operations-Spezialisten im Konzernvorstand. Er kommt aus der Automobilindustrie, arbeitete bei MAN Trucks, von wo er zu uns stieß. Das hat den Charme, dass er in der Optimierung der Montage und Fertigung einen großen wertvollen Erfahrungsschatz hat. Leuchtturmprojekte im Konzern wurden aufgesetzt. Und gemeinsam entschieden wir, dass Mödling von Beginn an in einer sehr aktiven Rolle dabei ist. Das brachte uns Tempo und Dynamic . Als CCO stärkte er uns gemeinsam mit dem CEO, Andreas Pleßke, dabei den Rücken.

2020 wurde im Konzern das Effizienzprogramm P24x verabschiedet. Ein Handlungsfeld ist die Optimierung der Montagewerke. Wie effizient wird das Mödlinger Werk nach dem Umbau sein?


Vogl:
Als Operations-Standort bringt uns P24x große Optimierung. Die kritische Größe ist die Montagezeit.,Was genau möglich ist, wird sich weisen, wenn wir loslaufen. Wir werden jedenfalls effizienter - und das speziell auch in den Abläufen dank der neu überarbeiteten Logistikprozesse. Abends werden genau jene Vorprodukte an die Montagearbeitsplätze geliefert, die morgens von den Kollegen auf den nun neu ausgerichteten Endmontageplätzen erforderlich sind. Taktgenau und überwiegend auftragsunabhängig, ohne Materialengpässe und Suchkosten. Gerade die Logistik als Teil der SCM ist ja der Schlüssel zur effizienten Montage. Was in der Automobilindustrie zum Standard geworden ist, beherzigen wir nun im Sondermaschinenbau.

Welche baulichen Maßnahmen - also Umbauten - sind dafür denn notwendig geworden?


Vogl:
Wir haben eine komplette Halle mit rund 3.000 Quadratmetern leergeräumt, die komplette bestehende Lagerlogistik mit alten Regalen und Regalbediengeräten leergefegt. Lager Shuttles im optimierten IT Umfeld fanden Einzug. Und wir unterlegten die Halle zum Teil neuen massiven Fundamenten, da unsere Druckwerke sowie Aggregate 20 bis 30 Tonnen auf die Waage bringen. Dabei erlebten wir eine Überraschung: Bei Grabarbeiten für die neuen Fundamente sind wir auf alte, massive Fundamentplatten gestoßen - diese verflochten wir mit den neuen und mussten dabei äußerst präzise vorgehen. Denn wir takten über hochpräzise Schienensysteme, die in den Boden eingelassen sind. Ein Umstand, der Niveauunterschiede verbietet. Auch die Hallenkräne wurden neu positioniert und Routenzüge in die anderen Bereiche der Endmontage und deren Belegung optimiert. Das Verkehrskonzept innerhalb des Werks ist damit grundlegend auf den Kopf gestellt.

Welche Überlegungen liegen dem Umbau zugrunde? Denkt man da hauptsächlich an die internen Kosten oder auch an die Kundenzufriedenheit, wie time-to-market?


Vogl:
Sie sprechen es an: Die Kosten sind das eine. Das andere ist die Durchlaufzeit, die rapide absinkt, wenn es gelingt, auftragsanonym Teile bzw. Aggregate zur Endmontage zu schleusen.


Koenig & Bauer (AT) Werk in Maria Enzersdorf: "Getaktete Vormontage und neues Logistikkonzept bringen uns eine Trennung und Optimierung von Wareneingang und Maschinenversand".

- © Koenig & Bauer (AT)

Als Hersteller von Wertpapiermaschinen kann Koenig & Bauer (AT) auf Holz klopfen: Der Auftragsbestand ist hoch. Konnte man beim Umsatz 2021 in Mödling auch Schadensbegrenzung üben, vielleicht sogar zulegen?

Vogl: 2021 war für uns als Unternehmen, das zu über 80 Prozent exportiert, kein leichtes Jahr. Die Pandemie und ihre Folgeeffekte wie etwa lange Quarantänezeiten hatten ihre Folgen. Projekte starteten verspätet, das hat uns Umsatz gekostet. Wir lagen nicht auf Wunschniveau, mussten auch wie in 2020 z.T Kurzarbeit arbeiten. Seit dem zweiten Quartal 2021 sind wir jedoch wieder in Normalbetrieb und legten einen Jahresendspurt hin. So hielten wir den Umsatz gegenüber dem Vorjahr stabil.

Wie entwickelt sich der Personalstand in Mödling?

Vogl: Dieser ist konstant. Zur Absicherung unserer Fachkräfte zückten wir alle Instrumente, um 2021 keine Anpassungen vornehmen zu müssen. Unsere 300-köpfige Mannschaft hat wie immer höchst flexibel mitagiert. Und wir helfen uns im Konzern wechselseitig in Form kommunizierender Röhren. So halfen unsere Kollegen bei den Konzernschwestern, im Werk Radebeul Dobruskja und Würzburg, aus. Dort entwickelte sich der Auftragseingang im Bogenbereich speziell für Abnehmer aus der Verpackungsindustrie zuletzt sehr erfreulich. Zeitweise waren bis zu 30 unserer Kollegen in den Schwesterstandorten vor Ort.

Welche Rolle spielen Leiharbeiter in Mödling?

Vogl: Wir freuen uns über enorme Firmentreue in unserer Belegschaft. Die eine oder andere Pensionierung können wir immer wieder durch Leiharbeiter, die wir dann bei hoher Qualifikation und Motivation fix an Bord holen, kompensieren.

Die Befürchtung, dass das Mödlinger Werk nach seiner Teilschließung 2014 zur verlängerten Werkbank schrumpft, hat sich nicht bewahrheitet - man ist Kompetenzzentrum für die Serienmontage Wertpapierdruck und liefert seit Jahren gute Ergebnisse. Sagen Sie jetzt: Das war mir immer klar, dass wir das schaffen?

Vogl: Ich habe immer an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geglaubt. Wir blieben - trotz halbierter Mannschaft - unseren Stärken treu und konzentrierten uns auf unsere Kompetenzen. Mit diesem Zukunftsglauben setzten wir im Konzern ein Signal.