Silk Road : Rückschlag für Seidenstraße? ÖBB verabschieden sich von Breitspurausbau

Güterzüge der ÖBB im Bahnhof

Stopp für Breitspur: ÖBB zieht sich von der Seidenstraßen-Investition zurück

- © David Payr

Das Projekt war von Anfang an umstritten, galt aber dennoch jahrelang als eine der wichtigsten Hoffnungen für die heimische Logistik-Branche. Mit dem Ausbau der Breitspur bis Wien hätte Österreich ein wichtiger Hub auf der Seidenstraße zwischen Europa und China werden sollen. Doch nun ist das Projekt Geschichte. Die ÖBB hat am Donnerstag den Staatsbahnen der Slowakei, der Ukraine und Russlands, mitgeteilt, dass sie das gemeinsame Projekt eines Breitspurausbaus bis Wien nicht mehr betreiben will und ihren Anteil von 27,74 Prozent an der Gesellschaft abgeben möchte.

Laut Gesellschaftsvertrag haben die drei Partner nun vier Wochen Zeit, diesen abzukaufen. Geschieht das nicht, womit man bei der ÖBB auch rechnet, wird die Planungsgesellschaft liquidiert. Das dürfte bis zum Jahresende 2022 erfolgen. Dann ist das Projekt „Breitspurbahn nach Wien“ begraben.

Die an das 2007 vom russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgebrachte und seit 2009 formell betriebene Projekt geknüpften Hoffnungen bestanden darin, durch neue Logistik-Terminals zusätzliche Jobs und Wertschöpfung zu generieren.

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Wie realistisch diese Erwartungen waren, bleibt allerdings offen. Denn schon heute existiert eine Bahnverbindung nach Russland, die Umladung der Güter erfolgt dabei rund 500 Kilometer weiter östlich an der slowakisch-ukrainischen Grenze. Das Umladen der Transporte dauert bei einem Zug kürzer als die Zollformalitäten. Ob es einen großen Zeit- und Effizienzgewinn durch den Ausbau bis Wien gegeben hätte, war in der Branche daher umstritten.

Mittlerer Korridor statt Russland-Route

Wenn es nun Bedrohungen für das Seidenstraßen-Projekt gibt, dann wohl eher aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage, nicht aber, weil die Wiener Terminals nun doch nicht gebaut werden. Direkte Verbindungen zwischen Wien und dem chinesischen der südwestchinesischen Millionenmetropole Chengdu existieren bereits seit 2018. Der erste Zug dieser Art bewältigte die Strecke in 13 Tagen. Beladen war die Gütergarnitur mit Elektronikgeräten, Maschinenteilen und Schlafsäcken. Oder wie es die chinesische Seite etwas salbungsvoller formulierte, mit „Freundschaft und Hoffnung“.

Die steht angesichts der aktuellen politischen Verwerfungen allerdings auf dem Spiel. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist der Güterverkehr zwischen Europa und China massiv eingeschränkt, Spediteure wie Gebrüder Weiss nützen verstärkt den sogenannten mittleren Korridor über die Türkei.

Im März hat das Unternehmen daher einen weiteren neuen Standort in Mersin im Süden des Landes eröffnet. Die Aktivitäten in der Hafenstadt umfassen Luft- und Seefrachtservices sowie intermodale Landtransporte. Der Standort Mersin - für Gebrüder Weiss der dritte in der Türkei nach Istanbul und Izmir - gilt als zentrale Drehscheibe für Transporte in Richtung Kaukasus, den Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien, informierte das Unternehmen.

Die Türkei sei ein aufstrebender Wachstumsmarkt und mit seiner Lage am Mittelmeer ein wichtiger Umschlagspunkt für Verkehre zwischen Asien und Europa, sagte Wolfram Senger-Weiss, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Gebrüder Weiss. Richtung Zentralasien und China biete das Land zudem eine wichtige Gateway-Funktion auf dem sogenannten "Mittleren Korridor" der neuen Seidenstraße. "Wir sind in den meisten Ländern entlang des mittleren Korridors mit eigenen Standorten vertreten", so Senger-Weiss. Kundenseitig stelle man eine erhöhte Nachfrage nach Transporten auf dieser Route fest.

Breitspur bis Wien für China-Bahnroute sekundär

Bis zum Ausbruch der Kriegshandlungen funktionierten die Bahnverbindungen nach China allerdings gut, auch ohne der Wiener Terminal. Selbst in der Corona-Zeit gab es kaum Einbußen.

Dem Containerverkehr auf der Eisenbahnroute der Seidenstraße scheint die Corona-Krise bisher kaum zugesetzt zu haben. Der Geschäftsführer von UTLC ERA (United Transport and Logistics Company - Eurasian Rail Alliance), Alexey Grom, sagte gegenüber der APA, dass im Jänner und Februar lediglich die Zuwächse nicht die erwartete Höhe erreicht hätten.

UTLC ERA, ein Dienstleister für Containertransporte auf der Schiene zwischen Europa und China, verzeichnete zum Beispiel 2020, mitten in der Pandemie, massive Zuwächse. "Im Jänner und Februar dieses Jahres stieg das Transportvolumen mit 47.000 beförderten Standardcontainern (TEU) um zwölf Prozent gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr", sagt Geschäftsführer Alexey Grom. "Das sind 550."

Von Januar bis Februar betrug das Wachstum des Transportvolumens beladener Container von UTLC ERA aus China mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die europäischen Kunden waren in dieser Zeit noch aktiver. Das Wachstum des Transportvolumens beladener Container von Europa nach China in den ersten beiden Monaten dieses Jahres übertraf das Vorjahresvolumen um mehr als 60 Prozent. Damit sei der Anteil der leer in den Osten zurück geschickten Container deutlich gesunken.

Im Februar seien beispielsweise die ersten beiden Züge vom deutschen Hafen Mukran nach Asien geschickt worden, die komplett mit Produkten aus Schweden beladen waren. "Das war der erste multimodale Transport aus Skandinavien auf unserer Route", sagte Alexey Grom. Vom schwedischen Hafen bis zum chinesischen Ankunftsort dauere es etwa 15 Tage. Auf dem Seeweg wären es 60 Tage.

Wie China das Seidenstraßen-Projekt trotz Ukraine-Krieg vorantreibt

Für China ist die Seidenstraße aber ohnehin ein globales Vorhaben, das mehr umfasst als bloß eine Verbindung nach Europa. Mit der Initiative für eine neue Seidenstraße unterstützt China Infrastrukturprojekte. Das Land hat in den vergangenen Jahren Abkommen mit fast allen arabischen Staaten geschlossen. Bis zum Jahr 2023 will China nach Angaben der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) bis zu 600 Milliarden US-Dollar (527 Milliarden Euro) in die Region investieren. Für viele arabische Länder ist die Volksrepublik schon jetzt der wichtigste Handelspartner.

China wiederum braucht die arabischen Partner vor allem für eines: Um seinen steigenden Bedarf an Energie zu sichern. Die zweitgrößte Volkswirtschaft ist dringend auf Ölimporte etwa aus den Golfstaaten angewiesen. Das Land will es aber trotz seines zunehmenden Engagements vermeiden, in die Konflikte der Region verwickelt zu werden. "China hat eine ganz klare Strategie: Keine Einmischung in innere Angelegenheiten", sagt die Leiterin für den Nahen Osten und Nordafrika der KAS, Canan Atilgan.

Ihre Hilfen knüpft die Wirtschaftsmacht deshalb auch nicht an demokratische Reformen oder die Bekämpfung von Korruption. "Für viele Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas ist diese chinesische Entwicklungsstrategie eine höchst willkommene Alternative zum wertebasierten europäischen Modell", so Atilgan. Von dem chinesischen Multi-Milliarden-Projekt profitieren so auch Länder, die sonst nur schwer internationale Hilfe bekommen würden, etwa Syrien.

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Die dortige Führung feiert Chinas Unterstützung beim Wiederaufbau als "Überwindung der einseitigen Zwangssanktionen gegen Syrien". Gemeint sind die Sanktionen des Westens. Die USA und Europa wollen damit Druck auf Assad und dessen brutale Machtelite ausüben, die nach wie vor die eigene Bevölkerung foltern und töten lässt.

Im Gegenzug zu Chinas Nichteinmischung halten sich auch die arabischen Staaten mit Kritik zurück - sogar bei Chinas Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Nordwestregion Xinjiang. Umfragen zeigen, dass viele Menschen in der arabischen Welt offen für Beziehungen mit China sind. Beziehungen mit den USA sehen sie dagegen inzwischen eher skeptisch.

Allein in Ägypten investiert China Milliarden für Projekte in den Bereichen Infrastruktur, Energie und Telekommunikation sowie am Suezkanal. Präsident Abdel Fattah al-Sisi reiste seit 2014 sechsmal nach China und unterzeichnete mindestens 25 bilaterale Abkommen. Auch in Afrika investiert Peking massiv in Infrastrukturprojekte.

Global Gateway - der europäische Konter

Zumindest hier setzt die EU dem allerdings eigene Initiativen entgegen. Die Europäische Union will über ihre neue Initiative Global Gateway mehr als 150 Milliarden Euro für Investitionen in Afrika mobilisieren. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an.

Das Programm Afrika-Europa ist laut von der Leyen der erste Regionalplan unter der im Dezember gestarteten Initiative, die den internationalen Einfluss der EU steigern soll. Es werde von Europa getragen, aber partnerschaftlich umgesetzt, sagte sie.

Über Global Gateway sollen in den nächsten Jahren bis zu 300 Milliarden Euro in die Infrastruktur von Schwellen- und Entwicklungsländern investieren werden. Das Projekt macht Chinas Vorhaben für eine neue Seidenstraße Konkurrenz, an dem die Volksrepublik schon seit Jahren in vielen Ländern arbeitet.

Geplant sind beispielsweise Projekte zur Energieerzeugung mit klimaneutralem Wasserstoff in Afrika und eine neue Unterwasserkabelverbindung zum Datentransport zwischen der EU und Lateinamerika. Zudem ist die Unterstützung von Schulen und Bildungssystemen vorgesehen.