Recticel-Übernahme : Axel Kühner: „Wir haben genügend andere Optionen“
Nach neun Monaten zähem Ringen hat der oberösterreichische Kunststoff- und Schaumstoff-Hersteller Greiner den Übernahmeversuch des belgischen Rivalen Recticel endgültig aufgegeben. Damit gerät das Ziel von Greiner, in der Schaumstoffsparte mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro zum Global Player zu werden, in Ferne.
„Natürlich wäre es uns wichtig gewesen, unser strategisches Ziel schon jetzt zu schaffen. Aber der Markt ist noch immer groß und fragmentiert genug, dass wir an dem Ziel festhalten werden“ sagt Axel Kühner, CEO von Greiner im Interview mit INDUSTRIEMAGAZIN News.
Mit mehr als 150 Jahren Tradition haben wir gelernt, dass nicht immer alles im ersten Anlauf klappt – und dass man Geduldig sein muss.Greiner CEO, Axel Kühner
Greiner und der belgische Recticel arbeiteten seit Jahrzehnten zusammen. Sie gründeten 1992 ein Joint Venture namens Eurofoam, das Schaumstoffe aus Polyurethan herstellt. Anfang vergangenen Jahres übernahm Greiner den Recticel-Anteil in dem gemeinsamen Unternehmen – die strategisch wohl wichtigste Übernahme für Greiner seit Jahrzehnten. Die Schaumstoffsparte von Recticel, die für von Matratzen bis hin zu Autoteilen produziert (und die jetzt an den US-Mitbewerber Carpenter geht), hätte Greiner zum global Player gemacht.
„Mit mehr als 150 Jahren Tradition haben wir gelernt, dass nicht immer alles im ersten Anlauf klappt – und dass man Geduldig sein muss. Recticel ist ein spannendes Unternehmen, aber wir glauben, es gibt genügend andere Optionen um unser Wachstumsziel zu erreichen“ sagt Kühner.
Ob sich die Oberösterreicher in Zukunft am Markt nach großen Übernahmekandiaten umsieht oder über kleinere Zukäufe wachsen will beantwortet Kühner im Interview so: „Wir haben gelernt, dass das Übernahmeprojekt hausintern gut gelaufen ist – auch wenn wir das Ziel nicht erreicht haben“ sagt Kühner. „Und kleine Übernahmen bedeuten zumeist fast genau so viel Aufwand wie größere.“
Wie es mit dem Recticel-Aktienpaket, das Greiner zu Beginn des Übernahmeversuches erworben hat, weitergeht, steht noch nicht fest. "Wir werden nun Optionen für die Beteiligung an Recticel prüfen, um den Wert unserer Investition zu maximieren" sagt Kühner. Nach dem Verkauf der Schaumstoff-Sparte hätte Greiner das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Möglich sei aber auch, die Aktien wie geplant für 204 Millionen Euro zu übernehmen und später weiterzuverkaufen. Die Recticel-Aktie ist zuletzt deutlich gestiegen.
Nach der Komplettübernahme des einstigen 50-Prozent-Anteils am Recticel-Joint Venture Eurofoam vergangenen Februar wurden bisher als eigenständige Unternehmen geführten Geschäftsbereiche Aerospace, Eurofoam, Multifoam, Perfoam, Purtec und Unifoam in denen so unterschiedliche Produkte wie Schaumstoffe für die Möbelindustrie, Gebäudeisolierung, Akustiklösungen oder Filteranwendungen produziert werden, zu einem Unternehmen namens Neveon zusammengefügt.
Neveon, dass als einziges Tochterunternehmen der Gruppe zukünftig ohne den Namenszusatz Greiner auskommen wird, beschäftigt jetzt mehr als 3.700 Mitarbeiter an 62 Standorten in 17 Ländern. Dass die Namenswahl ohne Hinweis auf die Dachmarke eine Vorwegnahme möglicher größerer Freiheitsgrade von Neveon vom Gesamtkonzern sei, kommentiert CEO Axel Kühner so: "Wir haben unseren Auftritt sehr sehr intensiv diskutiert. Auch wenn wir ein Unternehmen mit viel Tradition sind, stellen wir uns immer die Frage: Haben wir auch eine starke globale Marke?" Die scheint man jetzt gefunden zu haben, davon ist Kühner überzeugt. "Der Auftritt sagt unseren globalen Mitbewerbern: Zieht euch warm an."
Die Greiner AG mit Sitz im österreichischen Kremsmünster ist ein globaler Anbieter von Kunststoff- und Schaumstofflösungen im Verpackungs-, Möbel-, Automobil- und Medizinbereich mit einem Umsatz von rund 1,9 Milliarden Euro. Im Vorjahr beschäftigte man 11.000 Mitarbeiter an 140 Standorten weltweit.
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