Autoindustrie : Nach dem Chefwechsel: Turbulenzen bei Fiat Chrysler

Der Chefwechsel bei Fiat Chrysler (FCA) infolge der Erkrankung des langjährigen CEO Sergio Marchionne hat bei dem italo-amerikanischen Autobauer zu Turbulenzen geführt. Während die Aktien des FCA-Imperiums in Mailand und an der Wall Street einbrachen, reichte Europa-Chef Alfredo Altavilla seinen Rücktritt ein. Er verlässt den Konzern, bestätigten FCA Medienberichte.

Altavilla galt als Favorit im Rennen um die Nachfolge des erkrankten CEO Marchionne. Er wurde jedoch vom Briten Mike Manley, Chef der Marke Jeep, ausgebremst. Der Italo-Kanadier Marchionne hätte eigentlich erst im April kommenden Jahres das Zepter an einen internen Nachfolger übergeben sollen. Wegen Marchionnes kritischen Zustands ernannte der FCA-Aufsichtsrat am Samstag Manley zum neuen CEO. >> Lesen Sie dazu auch: Diese Probleme warten auf den neuen Chef von Fiat Chrysler

Auch Ferrari hat neuen Chef

Die Börse reagierte nicht positiv auf den Chefwechsel. Alle Aktien des Fiat-Imperiums gerieten am Vormittag unter Druck. FCA meldete zum Börsenstart einen Kursverlust von 4,3 Prozent auf 15,71 Euro. An der Wall Street kam es zu Beginn der Verhandlungen zu einem Kurseinsturz von fünf Prozent. Kursverluste verzeichnete auch die FCA-Tochter Ferrari, an deren Spitze nun der Schweizer Manager maltesischer Abstammung, Louis Carey Camilleri, sitzt. Die Aktie des Luxuswagenherstellers meldete ein Minus von 5 Prozent. Auch dem Nutzfahrzeughersteller CNH sowie von Exor, der Finanzholding der italienischen Unternehmerfamilie Agnelli, die Mehrheitsaktionärin von FCA ist, blieben Kursrückgänge nicht erspart.

Inzwischen machte sich der neuen CEO Manley in Turin an die Arbeit. Am Montag leitete er ein erstes Treffen des Group Executive Council, dem Gremium aus den Chefs der verschiedenen Gruppenbereiche, berichteten italienische Medien. Rund 20 Topmanager beraten dieser Tage über die Zukunft des Konzerns nach der Erkrankung Marchionnes, der nach einem chirurgischen Eingriff in irreversiblem Koma im Zürcher Universitätskrankenhaus liegt. Die in Turin versammelten Manager werden am Mittwoch die Halbjahresergebnisse besprechen. Seit Ende Juni ist der italo-amerikanische Konzern wieder schuldenfrei.

Elektroautos im Fokus

Die Manager wollen über Wege zur geplanten Abspaltung des Zuliefergeschäfts Magneti Marelli beraten. Vorgesehen ist die Ausgliederung der Gesellschaft und deren Börsengang. Magneti Marelli soll in eine neugegründete niederländische Gesellschaft einfließen, die auch mehrere Töchter des Komponentenbauers übernehmen soll. Manley wird sich auch um die Umsetzung des Entwicklungsplans bis 2022 kümmern müssen, den Marchionne erst im Juni vorgestellt hatte. Demnach will FCA immer mehr auf elektrische Autos setzen. Der Autobauer will 9 Mrd. Euro investieren, um seine Modelle auch in der elektrischen Version anzubieten. Bis Ende 2021 will der Autobauer keine Dieselautos mehr herstellen. Der neue Plan sieht Investitionen von 45 Mrd. Euro vor.

Manley wird Insidern zufolge auch nach einem industriellen Partner suchen, um die Position auf dem globalen Automarkt zu festigen und der Konkurrenz großer Rivalen standzuhalten. Wegen Manleys Erfahrungen in Asien gilt eine Kooperation mit der südkoreanischen Gruppe Hyundai als wahrscheinlich. Damit könnte FCA die asiatischen Märkte mehr erschließen.

Von Italien in die USA?

Indes löste der Chefwechsel bei Fiat Chrysler Sorge unter den italienischen Gewerkschaften aus. Sie befürchten, dass unter der Führung Manleys, dem ersten Nicht-Italiener in der über 100-jährigen Geschichte Fiats, die Produktion verstärkt von Italien in die USA verlegt werden könnte. Fünf Produktionswerke besitzt FCA in Italien.

Marchionnes Zustand sorgte in Italien für Bestürzung. Der italienische Präsident Sergio Mattarella telefonierte mit FCA-Verwaltungsratspräsident John Elkann. Premier Giuseppe Conte drückte der Familie Marchionnes sein Mitgefühl aus. Marchionne saß bei Fiat seit 2004 am Steuer. Ihm wird zugeschrieben, Fiat und Chrysler vor der Pleite gerettet zu haben. (APA/red)