Interview zur Coverstory Oktober : Günther Apfalter: "Graz wird die Mutter der Magna Gesamtfahrzeugfertigung"
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Industriemagazin: Herr Apfalter, geradeeben hat BMW den Fertigungsvertrag für den 5er-BMW bestätigt. Wie erleichtert sind Sie?
Für mich war es natürlich keine Überraschung. Die Vorbereitungszeit für einen derartigen Kontrakt dauert vier bis fünf Jahre, von der ersten Kontaktaufnahme bis zur offiziellen Bekanntgabe.
Es heißt, Magna investiert für die Fertigungsstraßen des kommenden Jahres 500 Mio. Euro …..
Es ist selbstverständlich, dass wir im Werk die notwendigen Planungen umsetzen müssen. Auf die Finanzzahlen kann ich hier nicht eingehen. Wenn Sie jedoch derzeit in Graz auf der Autobahn bei Thondorf vorbeifahren, sehen Sie viele Kräne und Baumaschinen, obwohl wir uns schon in der Abschlussphase der Vorbereitungen befinden. Zwei Produktionshallen wurden erweitert und weitere Gebäudekapazitäten frei gemacht. Ab Anfang 2017 startet in den Hallen die Produktion des 5ers. Im Laufe des kommenden Jahres laufen in anderen Hallen noch die Produktion der zwei Jaguar LandRover-Modelle an.
Der 5er-BMW wird in Splitfertigung hergestellt. Er soll im BMW-Werk Dingolfing ebenso vom Laufband rollen wie in Graz. Wird Graz der Puffer der deutschen Hauptfertigung?
Der Ausdruck Puffer ist nicht richtig. Es gibt fix zugeteilte Produktionsvolumina für Graz. Es handelt sich bei den Aufträgen um keine Overflowproduktion, in der das gefertigt wird, was in Dingolfing übrig bleibt. Wir haben eine Produktionsplanung aber den ganzen Zyklus, wo wir mit einer Bandbreite von plus minus X sehr genau wissen, wie viel wir produzieren. Gehen Sie davon aus, dass BMW einzuschätzen weiß, wie viele 5er der Markt aufnehmen kann.
Es ist insgesamt von 80.000 5er-BMWs pro Jahr die Rede. Wie viel davon kommen aus Graz?
Solche Dinge kann nur der Kunde kommunizieren.
Toyota und BMW entwickeln einen Sportwagen mit Arbeitstitel Supra. Es heißt, Magna verhandelt mit Toyota, um dieses Hybridfahrzeug in Graz zu fertigen?
Es tut mir leid. An Spekulationen kann ich mich nicht beteiligen Aber Sie können annehmen, dass wir uns um jeden einzelnen Auftrag und um jeden einzelnen Kunden bemühen – von A bis Z.
Trotz anstehender Aufträge baut Magna bis in den Herbst Mitarbeiter ab. Ab Jahresfrist wird wieder aufgestockt. Die Anzahl der Jobs soll von aktuell 4500 auf 8000 Anfang 2018 wachsen. Wie muß man sich diese Gleichzeitigkeit von Implacement- und Outsourcing-Stifungen vortellen?
Wir sind aktuell in einer Übergangsphase. Der Mini ist am Auslaufen und der BMW noch nicht angelaufen. Wir nennen diese Zwischenphasen „Badewanne“, in die wir in den kommenden Wochen voll eintreten werden. Während dieser Talsohle werden die Mitarbeiter karenziert und parallel fortgebildet, bleiben aber Angestellte von Magna Steyr. Sobald der neue Auftrag anläuft, kommen die Mitarbeiter wieder zurück. Das haben wir in der Vergangenheit schon so gehandhabt.
Wann können die alten neuen Magna-Mitarbeiter damit rechnen, wieder ins Werk zu fahren?
Ab dem ersten Quartal 2017. Wir haben eine Anlaufkurve, die kommendes Jahr sukzessive nach oben geht. Dementsprechend werden die Mitarbeiter wieder ins Werk geholt. Ich sehe diesen Prozess sehr entspannt. Wir können das.
Magna Steyr baut jetzt Kapazitäten von bis zu 200.000 Modellen im Jahr auf. Wie wird es Ende 2017 mit der Kapazitätsauslastung aussehen?
2017 werden wir noch nicht voll ausgelastet sein. Wenn die Wirtschaft und die Konjunktur bringen, was sie versprechen, dann arbeiten wir Ende 2018 an der Kapazitätsgrenze.
Es gibt auf der Welt nur drei Komplettfertiger in der Automobilbranche. Gleichzeitig drücken die OEMs ihre Fertigungstiefen nach unten und lagern immer mehr aus. Wie schätzen Sie die Zukunft für automotive Gesamtfertiger ein?
In Branchen wie Computer, Elektronik oder Textil ist das Prinzip des Outsourcings wesentlich weiter gediehen als in der Autobranche. Unsere Branche ist bislang eher verhalten. Da gibt es noch natürliches Potential. Gleichzeitig fordert der Markt immer mehr Derivate eines Modells. Da reichen die Differenzierungsmerkmale vom Cabrio über Off Road-Applikationen bis hin zu den alternativen Antrieben wie Elektro-Auto oder Hybrid. Wir glauben, dass unser Geschäftsmodell des contract manufacturers heute mehr Zukunft hat als dies in der Vergangenheit zu vermuten war.
Unterm Strich heißt das was?
Das bedeutet, dass Magna dafür exzellent aufgestellt ist. Wir haben das Kerngeschäft der Komponentenfertigung mit unseren sechs Produktgruppen, auf der anderen Seite haben wir hohe Engineering- und Entwicklungskompetenz. Dazu können wir unter einem Dach Fertigungs-Know how bis hinauf in höchste Stückzahlen anbieten. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal, das wir Mitbewerbern eindeutig voraus haben. Im Szenario zunehmenden Outsourcings ist dies keine schlechte Ausgangsposition, wie wir meinen.
Magna ist in Österreich unter der Ägide von Frank Stronach überproportional stark gewachsen. Kann Österreich seine gute Position im Konzern eines Donald Walker halten?
Magna ist in Österreich heute gleich groß wie zu Franks Zeiten. Wir haben in Österreich 13 Fabriken mit 14.000 Mitarbeitern. Wenn ich die 3.000 Arbeitsplätze dazunehme, die wir gerade dabei sind zu schaffen, dann wachsen wir sogar. Fest steht aber, dass es keine Ressentiments gegenüber den Standort Österreich gibt. Da gibt es keine Unterschiede zu früher.
Es gibt aber offensichtlich auch keinen Bonus mehr. Die Konzernzentrale in Oberwaltersdorf besaß eine andere Dimension als das angemietete Stockwerk im Europlaza, Frank Stronach und Siegfried Wolf sorgten für eine durchgehende Präsenz von Magna in der Öffentlichkeit. Aktuell gibt es in Wien nicht einmal mehr eine Pressestelle. Dies lässt schon vermuten, dass sich der Stellenwert des Standortes Österreich im Konzern verringert hat.
Jeder hat Präferenzen. Wenn Frank oder Siegried Wolf gegenüber Medien andere Verhaltensweise an den Tag gelegt haben als ich, dann ist das eben so. Aber die Magna-Kultur ist unverändert und hat einen wesentlichen Stellenwert. Wir arbeiten ständig daran, dass dies so bleibt.
Sind die Digital-Konzerne wie Apple oder Google die neuen Magna-Partner von Morgen?
Wir tun natürlich alles, dass wir für mögliche neue Hersteller attraktiv sind. Wir sind Nummer drei unter den globalen Zulieferern und haben die Voraussetzungen, um mit den „New Entrants“ kooperieren zu können. Ob die dies tun, werden wir sehen.
Es gibt eine Forschungskooperation von Magna und Apple. Wie groß ist die Chance, dass ein iCar von Magna gefertigt wird?
Das müssen sie Apple fragen...
Ist der Streit Prevent-VW ein Hinweis, dass die Zulieferer gegenüber ihren Auftraggebern verbesserte Verhandlungspositionen erobert haben?
Ich kenne durch meinen Job viele Kulturen. Und ich merke immer wieder, dass eine gute Zusammenarbeit regelmäßig von den handelnden Personen abhängt. Wen sich alle ordentlich benehmen, funktioniert jede Geschäftsbeziehung.
Branchenkollegen beschreiben die Realität als nicht so einfach. Die Zulieferer übernehmen zusehends die Risiken der OEMs. Ist dies das gute Benehmen, von dem Sie sprechen?
Es gibt High- und Lowlights. In einer durchschnittlichen Geschäftsbeziehung gleichen sich derartige Ereignisse aus. Die aktuelle Diskussion um den bösen OEM und den armen Zulieferer halte ich für nicht relevant.
Wie geht Magna selbst mit seinen Zulieferern um?
Ganz normal. Ich frage um den Preis an. Und wenn der Zulieferer wettbewerbsfähig ist und ich vertraue dem Unternehmen, dann kaufe ich das Teil.
Klauseln zur Preisreduktion, zur flexiblen Abrufverhalten, unangekündigten Nachverhandlungen – all dies spielt keine Rolle?
In jeder Geschäftbeziehung gibt es Verträge und Klauseln. Aber am Ende des Tages entscheiden die Personen. Wenn die Handschlagqualität haben, halten die Vereinbarungen.
Muss ein Zulieferer es als gegeben hinnehmen, wenn der OEM Konstruktionszeichnungen weitergibt und sich die Entwicklung anderswo billiger fertigen lässt?
Ich kann den Fall nicht beurteilen. Aber wenn ich als Zulieferer ein Teil entwickle, dann muss ich so klug sein, nicht alle Karten sofort auf den Tisch zu legen.
Wenn der OEM dies von Ihnen aus Gründen der Qualitätsprüfung aber verlangt?
Das ist eine Frage des Verhandlungsgeschicks. Einkäufer und Verkäufer müssen sich finden, auch wenn sie kontroverse Interessen haben. Es gibt Regeln und Verhandlungstaktiken, die im normalen Leben wie im Geschäftsleben halten. Und das gilt auch für unser Geschäft.
Sie wurden für Qualitätsprobleme in europäischen Werken verantwortlich gemacht. Sie seien ein Ablösekandidat, hieß es. Wie gehen Sie mit derartigen Situationen um?
Das ist jetzt schon einige Jahre her. Das war zu der Zeit, als wir den ehemaligen Opel CEO Karl Friedrich Stracke zu Magna geholt haben. In den Medien wurde spekuliert: Stracke kommt, Apfalter geht….
Sie sind der letzte Top-Manager, der noch von Frank Stronach installiert wurde….
Was die Sache nicht richtiger macht. Es ging damals um Entlastung. Ich habe zu dem Zeitpunkt drei Hüte getragen: Ich hatte den Europa-Job, den Magna Steyr-Job und war Chef der Magna Steyr Operations und Engineering. Das war einfach zu viel. Karl Friedrich Stracke hat dann den Job als Chef in der Auftragsfertigung in Graz und des Engineerings übernommen. Das war der Hintergrund für diese Spekulationen.
2015 wurden in Graz um 17 Prozent weniger Autos hergestellt als das Jahr zuvor. Im ersten Quartal 2016 betrug das Produktionsminus 23 Prozent. Bei aller Euphorie für 2017 – wird das heutige Jahr ein „annus horibile“ für den Standort Graz?
Es zählen nicht die gebauten Fahrzeuge, sondern das finanzielle Ergebnis. Und das wird auch heuer passen. Es war immer einer der Vorteile von Graz, dass auf alle Auftragslagen flexibel reagiert werden konnte. Wir fürchten das heurige Jahr nicht.
Herbert Demel, Ihr Vorgänger als Chef von Magna Steyr, hat in einem Interview mit mir gemeint, dass Graz vom Aufschwung der Drittfertigung nicht profitieren können. Es sei zu klein….
Er meint, Graz müsse Töchter bekommen. Wir sind dabei, das zu prüfen. Wir evaluieren, ob und wie wir neue Gesamtfertigungskapazitäten an anderen Standorten schaffen können. In Frage kommen Europa, Asien oder Amerika. Entschieden ist noch nichts. Die bestimmenden Faktoren sind die Outsourcing-Strategien der OEMs und unsere Kapazitätssituation.
Welche Rolle kommt Graz beim Ausbau der Fertigungssparte zu?
Graz hat eine über 100jäjhrige Tradition im Fahrzeugbau. Es ist nur natürlich, dass Magna Steyr dabei eine zentrale Rolle übernehmen wird. Graz wird die Mutter der Gesamtfahrzeugfertigung.