Bayer und Monsanto – Der teuerste Fehler der deutschen Industriegeschichte

Am 14. September 2016 verkündeten Bayer-Chef Werner Baumann und Monsanto-CEO Hugh Grant vor laufenden Kameras den größten Deal der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Für 55 Milliarden Euro übernimmt Bayer den umstrittenen US-Agrarriesen Monsanto. Was als Triumph beginnt, endet in einem Desaster.

Vom Industriehelden zum Sorgenfall

Bayer, einst Synonym für deutsche Ingenieurskunst, geht aus einer kleinen Farbstoffwerkstatt in Wuppertal hervor und wird über Jahrzehnte zu einem globalen Chemie- und Pharmariesen. In den 2010er-Jahren steht das Unternehmen auf seinem Höhepunkt: 46 Milliarden Euro Umsatz, mehr als 100.000 Mitarbeiter, ein weltweit führendes Pharmageschäft. Doch im Bereich Agrarchemie fürchtet man, den Anschluss zu verlieren – und sucht den großen Wurf.

Baumann sieht in Monsanto den Schlüssel zur globalen Dominanz. Monsanto wiederum verdient Milliarden mit gentechnisch verändertem Saatgut und „Roundup“. Der Preis: ein angeschlagenes Image und wachsende Kritik. Dass Glyphosat im Verdacht steht, krebserregend zu sein, wird in Leverkusen ignoriert.

Der Glyphosat-Schock

Nur wenige Wochen nach Abschluss der Übernahme, am 10. August 2018, fällt das erste Urteil: Ein kalifornisches Gericht spricht dem Schulhausmeister Dewayne Johnson 289 Millionen Dollar Schadenersatz zu. Der Vorwurf: Monsanto habe nicht vor den Gesundheitsrisiken von Roundup gewarnt.

Der Schock trifft Bayer mit voller Wucht. Innerhalb weniger Monate verliert der Konzern über 30 Milliarden Euro Börsenwert. Hunderttausende weitere Klagen folgen, Anwaltskanzleien in den USA werben offen um Kläger. Bis heute summieren sich die Vergleichszahlungen auf mehr als 10 Milliarden Dollar – und noch immer sind Zehntausende Fälle offen.

Ein Konzern in der Krise

Der Monsanto-Deal zieht Bayer in eine beispiellose Krise. Die Schulden steigen auf 35 Milliarden Euro, der Börsenwert liegt inzwischen bei rund 27 Milliarden – weniger, als man einst allein für Monsanto zahlte. Der langjährige Vorstandschef Werner Baumann tritt 2023 ab. Sein Nachfolger Bill Anderson, ein Manager aus dem Silicon Valley, soll die Wende bringen: Schulden abbauen, Prozesse beenden, das Unternehmen neu ausrichten. Doch trotz Stellenabbau und Restrukturierungen schreibt Bayer weiter Verluste – zuletzt rund 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2024.

Und ausgerechnet der neue US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., ein langjähriger Monsanto-Kritiker, dürfte den Druck weiter erhöhen.

Mehr als ein Wirtschaftskrimi

Die Geschichte von Bayer und Monsanto ist ein Lehrstück über Hybris, Fehleinschätzung und Größenwahn.
Ein deutscher Industriegigant wollte die Welternährung revolutionieren – und stolperte über den Glauben, größer sei immer besser.

Heute steht Bayer für einen Paradigmenwechsel:
Wachstum um jeden Preis hat seinen Preis.