Russland-Krise : Forscher gehen von Sanktions-"Schock" für Russlands Wirtschaft aus

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Einen ziemlichen "Schock" für Russland können die umfassenden Wirtschaftssanktionen laut einer Berechnung von Wiener Forschern mit sich bringen. Die Analyse des Complexity Science Hub (CSH) Vienna ergibt einen 17-Prozent-Rückgang für die russische Wirtschaft durch direkte und indirekte Sanktionsauswirkungen, wenn auch China oder Indien bei den Embargos mitmachen. Für Österreich und die EU halte sich der Nachfragerückgang aber sehr in Grenzen.

Bei ihren Berechnungen gehen die CSH-Forscher Tobias Reisch, Liuhuaying Yang, Jan Hurt und Stefan Thurner einerseits von einem Szenario aus, in dem die aktuellem Sanktionen gegenüber der elftgrößten Volkswirtschaft weltweit wie gehabt aufrecht bleiben. Andererseits hat sich das Team angesehen, was geschehen könnte, wenn die wechselseitig so wichtigen Öl-, Gas- und Kohleexporte aus Russland weltweit gekappt würden.

"Die derzeit geltenden Sanktionen werden sich relativ wenig auf die westlichen Volkswirtschaften auswirken", schreiben die Forscher in ihrem "Policy Brief" mit dem Titel "Shocking Russia!". "Aufgrund der Sanktionen sinkt die russische Nachfrage nach Produkten, die in anderen Ländern hergestellt werden", heißt es. Die Forscher fuhren diese Nachfrage in ihrer mit "mehreren Einschränkungen" behafteten Analyse, die etwa Preiseffekte oder sich ändernde Marktmechanismen nicht berücksichtigt, in den von den Sanktionen betroffenen Sektoren komplett zurück.

Durch Lieferausfälle in den Bereichen Maschinen, Elektrogeräte und anderen Sektoren zeigen sich (direkte + indirekte) relative Produktionsveränderungen für jeden Sektor. Den größten negativen Schock erleiden die Sektoren Kraftfahrzeuge (D29, –52 %), elektrische Ausrüstungen (D27, –39 %) und Maschinen (D28, –36 %).

- © CSH Vienna

Auswirkungen auf Österreich

Für Österreich ergibt sich dadurch ein Rückgang der Gesamtproduktion von lediglich rund 0,1 Prozent. Am stärksten würde es hierzulande den Maschinenbau-, den Finanz- oder den Elektroniksektor treffen, wie es seitens des CSH auf APA-Nachfrage heißt. Für Deutschland kommen die Forscher auf ein Minus von um die 0,3 Prozent. Einzelne Sektoren können in einzelnen Ländern aber auch durchaus stärker betroffen sein. So etwa der Maschinenbau in Deutschland (minus zwei Prozent), der Fahrzeugbau in Frankreich (minus 1,7 Prozent) oder der Maschinenbau in Italien mit einem Minus von 1,6 Prozent.

Bis zu 17 Prozent würden hingegen die Produktionseinbußen in der russischen Wirtschaft ausmachen, falls nicht nur jene westlichen Länder bei den Sanktionen mitmachen, die aktuell schon an Bord sind. Betroffen von den vor allem auf elektronische und optische Geräte, Maschinen und Ausrüstungen, Kraftfahrzeuge und sonstige Transportmittel wie Schiffe oder Flugzeuge sowie Finanzaktivitäten zielenden Maßnahmen wären rund ein Fünftel der gesamten Importe Russlands.

Demnach würde es im Land selbst Kraftfahrzeug-Hersteller mit einem Minus von 52 Prozent am stärksten treffen, die Produktion elektrischer Ausrüstungen ginge um 39 Prozent zurück. Ähnlich hoch wären die Rückgänge im Maschinenbau (minus 36 Prozent) oder in der Produktion von Schiffen oder Flugzeugen (minus 34 Prozent). Um ein Drittel reduziert würde sich etwa die russische Computer- und Elektronikproduktion präsentieren. Gehen die Importstopps aber nur von den USA, Kanada, dem Vereinigten Königreich, den EU-Mitgliedstaaten und anderen westlichen Ländern aus, "sinkt die Gesamtproduktion in Russland nur um 6 Prozent".

Embargo auf fossile Brennstoffe?

Das Team berechnete auch die zu erwartenden kurzfristigen Auswirkungen falls rigorose Embargos auf die "Haupteinnahmequelle Russlands", die fossilen Brennstoffe, umgesetzt würden. Der massive Nachfragerückgang nach russischem Öl und Gas würde demnach dort "fast alle Industriesektoren" betreffen: "Unsere Modellvorhersagen gehen von einem zusätzlichen Produktionsrückgang von 12,4 Prozent zusätzlich zu den oben genannten 17 Prozent aus." Am stärksten von einem Lieferstopp aus Russland profitieren würden hingegen Saudi-Arabien, Norwegen, die USA sowie Australien, so das Team, das auf Basis der Analyse auch ein interaktives Online-Tool entwickelt hat. (apa/red)