Kollektivvertrag : Schwierige Frühjahrslohnrunde eingeläutet

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Lohn-Preis-Spirale? Was die geforderten sechs Prozent Lohn-Plus in der Elektronikindustrie für die Lohnrunde 2022 bedeuten.

- © ABB

Mit dem Arbeitnehmervorschlag von 6 Prozent Plus bei Lohn und Gehalt in der Elektro- und Elektronikindustrie am Tisch treffen sich die Sozialpartner am 4. April zu den Gesprächen. Und es dürfte der Auftakt für äußerst schwierige Verhandlungen werden – auch in der Chemischen Industrie und der Papierindustrie.

Basis für die Verhandlungen ist von je her die zurückliegende Inflationsrate des Jahres - in diesem Fall von 3,5 Prozent - und die Produktionssteigerung, die ein wenig geringer ausfiel. Doch angesichts der dramatischen Teuerungswelle der vergangenen Monate spielt auch die kurzfristigere Betrachtung eine Rolle: So lag die Inflationsrate im Februar bei 5,9 Prozent – dem höchsten Wert seit 1984. Und im Vorjahr ist die kollektivvertragliche Lohnerhöhung der 67.000 Beschäftigten der heimischen Elektro- und Elektronikindustrie mit 2,0 Prozent noch relativ moderat ausgefallen. Die nur wenige Monate später verhandelten Herbstlohnrunden haben ein Plus von 3,1 bis 3,9 Prozent brutto gebracht.

Als „mehr als Heftig“ bezeichneten die Arbeitgeber die Forderungen zum Verhandlungsstart vergangene Woche – auch wenn man betont, dass die Gespräche in konstruktivem Klima stattgefunden haben. Ökonomen sehen in den Forderungen der Gewerkschaft den Auftakt für eine extrem schwierige Lohnrunde. Auch wenn die wegen der Energie- und Rohstoffpreise gekletterte Inflation die Bruttoreallöhne heuer um 2,3 Prozent fallen liesse, plädieren sie für Zurückhaltung. "Es gibt ja nichts zu verteilen. Der Kuchen ist für alle Kleiner geworden. Die Unternehmen leiden ja selbst am meisten durch die stark gestiegenen Energiepreise.“ sagt etwa der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes WIFO. Gemeinsam mit dem IHS schlägt der Ökonom bei der Präsentation der Konjunkturzahlen am vergangenen Freitag vor, in den Lohnverhandlungen ausnahmsweise auf den BIP-Preisdeflator als Berechnungsbasis abzustellen. Im Gegensatz zum Verbraucherpreisindex liesse dieser die importierte Teuerung beiseite. Das IHS etwa erwartet heuer den Preisindex des BIP bei 3,1 Prozent, deutlich unter dem VPI-Anstieg.

Eine Lohn-Preis-Spirale, ein Aufschaukelungseffekt zwischen Lohnerhöhungen und Preiserhöhungen aufgrund dauernder Anpassungsreaktionen von Haushalten und Unternehmen - wie in den 70er Jahren - sehen die Ökonomen allerdings derzeit noch nicht.

Wer sich in der nächsten Verhandlungsrunde der Elektronikindustrie am 4. April durchsetzt, ist noch unklar. Der große Gewinner der nächsten Lohnrunde steht allerdings bereits fest: Der Staat. Bei einem sechsprozentigen Lohnplus würde die Steuer- und Abgabenlast für einen durchschnittlichen Arbeiter in der Elektronikindustrie um 7,5 Prozent steigen. Dem Arbeiter würden rund 4,7 Prozent mehr im Börsel bleiben.

Gabriel Felbermayr vom Wifo
"Es gibt ja nichts zu verteilen. Der Kuchen ist für alle Kleiner geworden. Die Unternehmen leiden ja selbst am meisten durch die stark gestiegenen Energiepreise.“ Wifo-Chef Gabriel Felbermayr - © YouTube/ORF Fan [HD]

Gewinner: Der Fiskus

Gemeinsam mit dem IHS schlägt der Ökonom bei der Präsentation der Konjunkturzahlen am vergangenen Freitag vor, in den Lohnverhandlungen ausnahmsweise auf den BIP-Preisdeflator als Berechnungsbasis abzustellen. Im Gegensatz zum Verbraucherpreisindex liesse dieser die importierte Teuerung beiseite. Das IHS etwa erwartet heuer den Preisindex des BIP bei 3,1 Prozent, deutlich unter dem VPI-Anstieg. Eine Lohn-Preis-Spirale, ein Aufschaukelungseffekt zwischen Lohnerhöhungen und Preiserhöhungen aufgrund dauernder Anpassungsreaktionen von Haushalten und Unternehmen - wie in den 70er Jahren - sehen die Ökonomen allerdings derzeit noch nicht. Wer sich in der nächsten Verhandlungsrunde der Elektronikindustrie am 4. April durchsetzt, ist noch unklar. Der große Gewinner der nächsten Lohnrunde steht allerdings bereits fest: Der Staat. Bei einem sechsprozentigen Lohnplus würde die Steuer- und Abgabenlast für einen durchschnittlichen Arbeiter in der Elektronikindustrie um 7,5 Prozent steigen. Dem Arbeiter würden rund 4,7 Prozent mehr im Börsel bleiben.

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Gewinner ist der Fiskus: Bei einem sechsprozentigen Lohnplus würde die Steuer- und Abgabenlast für einen durchschnittlichen Arbeiter in der Elektronikindustrie um 7,5 Prozent steigen. Dem Arbeiter würden rund 4,7 Prozent mehr im Börsel bleiben. - © industrieblick - Fotolia

Echte Inflation höher als Gemessene?

Die Preise steigen Ökonomen zufolge in der Wahrnehmung der Verbraucher deutlich stärker als offiziell gemessen. Die gefühlte Inflationsrate liege aktuell schätzungsweise bei rund 8,5 Prozent, sagte Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig, am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Die offizielle Statistik weist dagegen nur rund fünf Prozent aus.

"Mit dem steilen Anstieg der offiziell gemessenen Raten ist die Inflation nun in aller Munde. Sie wird daher von den Verbrauchern viel stärker wahrgenommen", nannte Schnabl einen Grund für die Diskrepanz zwischen offizieller und gefühlter Teuerung. "Dazu kommt, dass wegen der Coronakrise anders konsumiert wird. Restaurantbesuche sind weniger geworden, es werden eher mehr Lebensmittel gekauft - und gerade die haben sich zuletzt überdurchschnittlich verteuert." Da Obst, Gemüse oder Brot regelmäßig gekauft werden, fallen Preiserhöhungen auch stärker auf als bei selten gekauften Waren wie Möbel, Waschmaschinen oder Computer.

Schnabl, der das Institut für Wirtschaftspolitik an der Uni Leipzig leitet, stützt sich auf die regelmäßigen Umfragen der Europäischen Kommission unter Verbrauchern. Diese ergab für das vierte Quartal 2021 für den gesamten Euroraum - Daten für einzelne Länder werden nicht angegeben - eine gefühlte Teuerungsrate im gesamten Euroraum von 8,0 Prozent. Damit liegt sie um 3,4 Punkte über der offiziell ermittelten Rate von 4,6 Prozent.

Schnabl schlägt diesen Wert auf den im Jänner ermittelten offiziellen und nach europäischen Regeln berechneten deutschen Anstieg der Verbraucherpreise von 5,1 Prozent auf. Daraus ergibt sich eine gefühlte Inflationsrate von 8,5 Prozent für Deutschland. "Ich gehe davon aus, dass die gefühlte Inflation weiter hoch bleiben wird, weil die EZB weiter mit der geldpolitischen Straffung zögert", sagte der Ökonom. Damit dürfte die offiziell gemessene Teuerung hoch bleiben und die Berichterstattung darüber anhalten. "Beides wird die gefühlte Inflation weiter befeuern."

Die hohen Werte könnten dem Professor zufolge bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen eine Rolle spielen. "Lange Zeit wurden insbesondere in Deutschland hohe Lohnforderungen mit dem Argument abgeblockt, dass die Inflation gering sei", sagte er. Die offiziell gemessene Teuerung diente in der Vergangenheit als Richtschnur bei den Lohnverhandlungen. "Da nun die Inflationsraten steigen und die gefühlte Inflation ohnehin schon lange über den Lohnabschlüssen liegt, könnten die Gewerkschaften stärker auf höhere Lohnabschlüsse drängen", sagte Schnabl. "Dann würde eine Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt, wie sie sich bereits in den USA und dem Vereinigten Königreich abzeichnet." Davon wird gesprochen, wenn sich Löhne und Preise gegenseitig immer weiter nach oben schaukeln.