Hintergrund : Warten auf die Neuen: Machtübergabe in den zwei Familien hinter VW

Nach dem Abschied von Großaktionär Ferdinand Piëch (79) aus dem Volkswagen-Imperium wird dessen jüngerer Bruder Hans Michel (75) einem Bericht zufolge größter Einzelaktionär der Porsche SE.

Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, übernahm er den größten Teil der 14,7 Prozent von Ferdinand Piëch an der Porsche SE. Damit verfügt Hans Michel Piëch demnach mit seiner Familie allein über die Sperrminorität von 25,1 Prozent.

Machtbalance zwischen Porsches und Piechs bleibt gewahrt

Diese Woche war bekannt geworden, dass sich der frühere Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzende von Volkswagen von einem Großteil seiner Anteile trennt. Piëch werde den "wesentlichen Teil" der gehaltenen Stammaktien der Porsche SE an "weitere Mitglieder der Familien Porsche und Piëch übertragen", hieß es. Die Holding verfügt über 52 Prozent der Stimmrechte am Volkswagen-Konzern.

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"Das war eine gemeinsame Entscheidung der Familien Porsche und Piëch", sagte Hans Michel Piëch der "FAZ" und sprach von einer "positiven Situation". Bisher hielten die Brüder dem Bericht zufolge mit je 14,7 Prozent gemeinsam die Sperrminorität. Die Aktien, die künftig nicht für die Sperrminorität von Hans Michel Piëch notwendig sind, wurden den Angaben zufolge innerhalb der Familie verteilt.

Tonangebend beim weltgrößten Autobauer: Zwei Familien aus Österreich

Die Familien Porsche und Piëch stammen beide aus Österreich. Ihre Familienlinien gehen auf den legendären Autokonstrukteur Ferdinand Porsche und seinen Schwiegersohn, den Wiener Rechtsanwalt Anton Piëch, zurück.

Etwas überspitzt formuliert könnte man daher sagen, Volkswagen ist ein österreichisches Familienunternehmen - mitsamt allen seinen zwölf Marken, von Bentley und Bugatti über MAN und Porsche bis Skoda, Seat und Scania. Mehr zu allen VW-Marken hier: Der Zwölf-Marken-Konzern >>

Ferdinand Porsche hat seit der Kaiserzeit die Entwicklung neuer Autos in Österreich mitgeprägt. Er war auch in der Zwischenkriegszeit, in der Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit eine überragende Figur bei der Entstehung der modernen Autoindustrie in Deutschland und Österreich. Auch einige seiner Nachkommen prägten die Automobilgeschichte. Beide Familien haben Volkswagen bei seinem Aufstieg zum heute weltgrößten Autokonzern begleitet.

Heute werden die Familien Porsche und Piëch in einschlägigen Rankings mit sehr großem Abstand auf dem ersten Platz unter den reichsten Österreichern angeführt, etwa vom Magazin "trend". Ihr Vermögen wird auf Beträge zwischen 35 und 65 Milliarden Euro taxiert.

Generationswechsel im Clan der Besitzer steht weiter aus

Beim Familiengroßaktionär von Volkswagen ist es fast so wie im britischen Königshaus: Die Generation der Erben im Porsche-Piech-Clan wird wie der ewige Thronfolger Prinz Charles immer älter. Doch so wie die Queen behalten ihre Väter, die betagten Enkel des VW-Ahnen und Käfererfinders Ferdinand Porsche, das Zepter in der Hand.

Der jahrzehntelang dominante Firmenpatriarch Ferdinand Piech (79) verkaufte seinen Anteil von 14,7 Prozent am VW-Großaktionär Porsche SE an seinen Bruder Hans Michel Piech (75). Der Wiener Anwalt war schon seit Ferdinands Rückzug von allen VW-Kontrolleursposten vor zwei Jahren führender Repräsentant des Piech-Zweigs neben dem Porsche-Clanchef Wolfgang Porsche.

Insider: Bisherige Clanchefs treten nicht so bald ab

Das wird vorerst auch so bleiben: "Wolfgang Porsche und Hans Michel Piech werden sich nicht so bald zurückziehen", sagte ein Kenner der Familie der Nachrichtenagentur Reuters. Die älteste Urenkelin, Louise Kiesling, feiert in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag.

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Hans Michel Piech investierte mit dem Kauf des Anteils nach Schätzungen mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Familienholding der Porsche und Piechs, die mit gut 52 Prozent den Wolfsburger VW-Konzern kontrolliert. Denn einen Teil von 4,3 Prozent habe er innerhalb der Familie weiterverkauft, erklärte Piech im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Damit verfüge er über eine Sperrminorität von 25,1 Prozent.

Es sei darum gegangen, die Struktur zu erhalten, die keinem Familienstamm ein dominierendes Übergewicht gebe. "Das war eine gemeinsame Entscheidung der Familien Porsche und Piech", sagte er. Die exakte Aufteilung der Anteile unter den Familien ist nicht bekannt, grob geschätzt kontrollieren die Porsches zwei Drittel, die Piechs ein Drittel.

Wem gehört Volkswagen wirklich?

Laut dem bisher letzten Geschäftsbericht von VW hält die von den Familien Piech und Porsche kontrollierte Porsche SE als Hauptaktionärin 52,2 Prozent der Stimmrechte. Als zweitgrößter Eigner folgt das Land Niedersachsen mit 20 Prozent. Der dritte Hauptaktionär ist die staatliche Investmentgesellschaft des Emirats Katar, die Qatar Holding (17 Prozent). Die übrigen 10,8 Prozent befinden sich in Streubesitz und entfallen auf sonstige Aktionäre.

Die Porsche SE ist eine reine Beteiligungsgesellschaft. Ihr Anteil am gezeichneten Gesamtkapital von VW beträgt knapp 31 Prozent. Dass sie trotzdem mehr als die Hälfte der Stimmrechte hält und damit die de facto Kontrolle über den Konzern hat, liegt an der Trennung in Stamm- und Vorzugsaktien.

Die Stammaktien der Porsche SE selbst werden laut deren Geschäftsbericht mittelbar ausschließlich von Mitgliedern der Familien Porsche und Piech gehalten.

Wolfgang Porsche will bleiben, bis Dieselkrise ausgestanden ist

Wolfgang Porsche wiederum erklärte am Rande der Automesse in Genf im März, er wolle so lange aktiv bleiben, bis der VW-Konzern nach der Dieselkrise wieder Tritt gefasst habe. Europas größter Autokonzern hatte bei weltweit elf Millionen Dieselautos die Abgaswerte manipuliert, was ihn nach Analystenschätzung am Ende zwischen 25 und 35 Milliarden Euro an Entschädigungen, Bußgeldern und Reparaturaufwand kosten könnte.

Strafrechtliche Ermittlungen gegen Manager laufen noch, milliardenschwere Schadensersatzklagen in Deutschland werden die Gerichte noch Jahre beschäftigten. Dennoch übernehme die vierte Generation allmählich mehr Verantwortung, erklärte Porsche.

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Vierte Generation wächst in die Kontrollämter hinein

Mehrere der über 30 Urenkel des Käfer-Erfinders tummeln sich bereits in den Aufsichtsräten des VW-Imperiums. Als einziger unter ihnen hat bisher lediglich Ferdinand Oliver Porsche (56) eine exponierte Stellung, denn er sitzt nicht nur im Aufsichtsrat der Porsche SE, sondern auch in den Kontrollgremien des VW-Konzerns, von Audi und Porsche.

Der nächste wichtige Schritt beim Nachrücken der vierten Generation steht an, wenn Ferdinand Piech nach dem vollständigen Vollzug seines Anteilsverkaufs, sein Aufsichtsratsmandat in der Porsche SE aufgibt. Denn auf der Hauptversammlung Ende Mai stellt er sich noch mal der Wahl, weil er abwarten will, bis die Kartellbehörden grünes Licht für die Anteilsverschiebung innerhalb der Familie gegeben haben. Mit einer Freigabe sei in sechs bis zwölf Monaten zu rechnen, hieß es bei der Porsche SE.

Von Ferdinand Piechs zwölf Kindern sei nach dem Anteilsverkauf womöglich keines mehr an der PSE beteiligt. Piech behielt noch einige PSE-Aktien in einer Stiftung ein, ob an dieser seine Kinder beteiligt sind, ist unbekannt. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass aus dem Kreis seiner Nachkommen einer Ferdinands Aufsichtsratsposten übernimmt, sagte ein Kenner der Familie.

Es gibt über 30 Urenkel des Erfinders des VW Käfer

Unter den Kandidaten könnte vielmehr Hans Michels 1981 geborene Tochter Julia Kuhn-Piech sein. Sie füllte zeitweise schon die Lücke im VW-Aufsichtsrat nach dem Rückzug von Ferdinand und dessen Frau Ursula aus und sitzt in den Kontrollgremien von MAN und Audi. Ihr älterer Bruder Stefan, bisher noch ohne Mandat, sowie Audi-Aufsichtsrat Josef Ahorner und VW-Kontrolleurin Louise Kiesling, die Kinder von Ferdinands und Hans Michels Schwester Louise, kämen auch in Frage.

Der Generationswechsel steht in nicht allzu ferner Zukunft auch auf der Porsche-Seite an: So überschrieb Wolfgangs Bruder Hans-Peter Porsche seinen Anteil bereits seinem einzigen Sohn Peter Daniell, wie dieser Ende November in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", sagte.

Peter Daniell Porsche: "Man muss nicht Ingenieur sein"

Ende 2015 hatte der mittlerweile 76-jährige Hans-Peter Porsche angekündigt, in zwei bis vier Jahren seinen Aufsichtsratsposten in der Porsche SE an Daniell abtreten zu wollen. Dieser sitzt schon im Aufsichtsrat von Skoda. Der 43-jährige ist Musiktherapeut und Verleger - jedenfalls so wie fast alle Cousins und Cousinen kein Techniker. Aber darauf kommt es laut Wolfgang Porsche auch nicht an, um den absatzstärksten Autobauer der Welt mit zu lenken. "Man muss nicht Ingenieur sein", sagte er kürzlich in Genf. (afp/reuters/apa/red)