Elektroindustrie : Brigitte Ederer warnt vor einer Erosion europäischer Schlüsseltechnologien

Die Elektronikindustrie hat ein starkes Jahr hinter sich - und ist noch besser ins heurige Jahr gestartet. Der zweitgrößte österreichische Industriezweig steigerte 2016 den Produktionswert um 7 Prozent auf 15,3 Mrd. Euro, Der Umsatz erhöhte sich um 10 Prozent auf 18,9 Mrd. Euro und der Mitarbeiterstand legte um 1,3 Prozent auf 62.058 Beschäftigte zu.

Zweischneidiges Schwert: Der starke Nachfrageanstieg in China

Noch besser lief es im 1. Quartal 2017 mit einem Plus beim Auftragseingang von 29 Prozent und einem Anstieg beim Produktionswert von 23 Prozent. "Diese Tendenz untermauert auch die Entwicklung der Exporte mit einem Plus von 5,9 Prozent. Der weiterhin niedrige Eurokurs und die nach wie vor moderaten Energie-und Rohstoffpreise sollten die Ausfuhren der Branche begünstigen", so Lothar Roitner, Geschäftsführer des Fachverbandes der Elektro-und Elektronikindustrie (FEEI).

Recht unterschiedlich verlief im Vorjahr das Exportgeschäft: Nach Rekordjahren in den USA gab es 2016 einen leichten Rückgang und das Russlandgeschäft litt unter dem Embargo im Zuge des Konflikts in der Ukraine. Dafür legte Deutschland leicht zu.

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Eine eindringliche Warnung von Brigitte Ederer

Das Geschäft der heimischen Elektroindustrie im asiatischen Markt stagnierte - mit der Ausnahme China, wo es einen Nachfrageanstieg von 11 Prozent gab.

Wobei der Boom in China nicht nur Freude bereitet. FEEI-Präsidentin Brigitte Ederer warnte vor der rasch wachsenden Dominanz der chinesischen Industrie. "Bei der Produktion verliert Europa an Bedeutung", so Ederer bei der Jahresbilanzpressekonferenz des FEEI.

Die heimische Industrie stehe in einem globalen Wettbewerb, in dem immer ungleichere Spielregeln gelten würden, so Brigitte Ederer: "Europa muss offen sein, aber seine Interessen wahren", so der eindringliche Appell der Topmanagerin und ehemaligen Spitzenpolitikerin.

Bestes Beispiel ist bekanntlich die chinesische Bahnindustrie, auf die in diesem Zusammenhang auch Ederer verweist. Noch vor zehn Jahren kaum präsent, habe die chinesische Bahnindustrie heute einen Weltmarktanteil von 41 Prozent.

Österreich schützt seine Firmen nicht genug

Und sie berichtet davon, dass es das Reich der Mitte zusehends auf mittelständische europäische Unternehmen abgesehen hat. Sie höre laufend von erfolgreichen Firmen, die Kaufangebote von Chinesen erhielten.

Österreich und die EU würden sich einerseits durch strenge Kartellauflagen und andererseits durch zu wenig Protektionismus selbst im internationalen Wettbewerb schwächen. Ederer wünscht sich zum Beispiel, dass - wie in den USA - strategisch wichtige Unternehmen nicht ans Ausland verkauft werden dürfen.

Vor wenigen Tagen äußerte sich auch Sabine Herlitschka, Chefin von Infineon Österreich, dahingehend: Sabine Herlitschka: Bei Firmenübernahmen in Europa nicht immer nur zuschauen >>

In Vorbereitung auf den Ratsvorsitz erarbeitet die Elektro- und Elektronikindustrie für die künftige Bundesregierung gerade ein standort- und industriepolitisches Papier, "das die strategische Bedeutung von Schlüsseltechnologien made in Europa unterstreicht", so Ederer. Wichtig sei es, die Industrieproduktion wieder nach Europa zurückzuholen.

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Arbeitszeiten: Ederer für Lösung mit Sozialpartnern

Gefragt nach der jüngsten Nicht-Einigung der Sozialpartner auf eine Arbeitszeitflexibilisierung plädierte Ederer - früher SPÖ-Spitzenpolitikerin und danach Personalchefin für den weltweiten Siemens-Konzern - für eine kollektivvertragliche Lösung durch die Sozialpartnerschaft.

"Die Sozialpartner sind die richtigen um das zu lösen - und sie werden es auch lösen", so Ederer. Und sie ergänzte: Natürlich wäre mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit wünschenswert, "aber eine geknebelte Industrie sind wir keine".

Industriellenvereinigung will trotzdem mehr ausländische Investitionen hierzulande

Gleichzeitig bringt sich die Industriellenvereinigung für den Industriestandort Europa in Stellung - allerdings von einer anderen Ausgangsposition aus.

"Es braucht mehr Reziprozität im Bereich der internationalen Investitionsbeziehungen, insbesondere gegenüber Ländern wie China. (...) Eine Prüfung auf strategische Sicherheitsbedenken ist berechtigt, gleichzeitig dürften etwaige neuartige Kontrollmechanismen die Attraktivität Europas und Österreichs als Investitionsstandort nicht beeinträchtigen", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

(red/apa)