Stahlindustrie : Thyssenkrupp: Die 6 größten Problemfelder

Rund vier Monate nach der Übernahme des Chefpostens bei Thyssenkrupp präsentiert Guido Kerkhoff diese Woche die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr 2017/18 (per Ende September). Klar ist bereits, dass auch die gesenkten Jahresziele verfehlt wurden. Die Probleme im Mischkonzern sind nicht geringer geworden. Es folgt eine Übersicht:

(1) EUPHORIE ÜBER AUFSPALTUNGSPLÄNE VERFLOGEN

Die anfängliche Begeisterung über die Aufspaltungspläne in eine Industrial AG mit der lukrativen Aufzugssparte und einer Materials AG um den Anteil am Stahl Joint Venture mit Tata Steel ist Ernüchterung gewichen. "Ich bin immer noch skeptisch, ob die Aufspaltung der richtige Weg ist", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer. "Der entscheidende Punkt ist doch: Wie bringe ich das Geschäft voran?"

(2) SCHWIERIGKEITEN IM OPERATIVEN GESCHÄFT

In den Sparten tauchen immer neue Probleme auf. Der Anlagenbau schwächelt seit Jahren. Das Marinegeschäft kämpft unter anderem mit höher als erwartetet ausgefallenen Gesamtkosten bei einem Marineprojekt in der Türkei. Die Sparte für Autoteile läuft ebenfalls nicht rund. Das Aufzugsgeschäft ist zwar die Ertragsperle, musste aber zuletzt Rückschläge hinnehmen. Dazu: Thyssenkrupp: Chef der erfolgreichsten Konzernsparte wird abgelöst >>

Kerkhoff setzte daraufhin Insidern zufolge den Spartenchef Andreas Schierenbeck ab. "Kerkhoffs Vorgänger Heinrich Hiesinger hat im operativen Geschäft zu wenig Verbesserungen erreicht. Hier muss Kerkhoff liefern", sagt ein Insider.

(3) KERKHOFF KÄMPFT MIT VERTRAUENSVERLUST

Der zunächst als Interimschef gehandelte Kerkhoff hat sich zwar gegenüber den Investoren wandlungsfähig gezeigt, vielen gilt der langjährige Finanzchef aber als Vertreter der alten Garde, ist er doch seit 2011 dabei. Zwei Gewinnwarnungen binnen weniger Monate haben den Markt schockiert. "Das zeigt, wie fragil das Geschäft ist und schwächt das Vertrauen in den Vorstand noch weiter, der die Probleme einfach nicht in den Griff bekommt", kritisiert Portfoliomanager Ingo Speich von Union Investment. Kerkhoff werde sich für das neue Jahr wohl nicht allzu optimistisch äußern, erklärten die Experten des Bankhauses Lampe.

(4) AKTIENKURS IM KELLER - ÜBERNAHMEPHANTASIEN MACHEN DIE RUNDE

Die Aktie hat in den vergangenen Wochen weiter deutlich an Wert verloren. Das Papier liegt bei rund 16,50 Euro und damit in etwa so niedrig wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Mit einem Börsenwert von rund 10 Mrd. Euro ist Thyssenkrupp vor der Lufthansa der zweitkleinste Wert im DAX. Der Zahlungsdienstleister Wirecard, der erst vor zwei Monaten in die erste Börsenliga aufgestiegen ist, kommt auf eine fast doppelt so hohe Marktkapitalisierung. Die Aufzugssparte ist schon länger im Visier des finnischen Konkurrenten Kone. Das alles nährt Übernahmegerüchte rund um Thyssenkrupp - auf die vor allem die aggressiv auftretenden Finanzfirmen Cevian und Elliott drängen.

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(5) KONZERN IST WIEDER IM VISIER DES KARTELLAMTS

Egal ob Edelstahl, Eisenbahnschienen oder Aufzüge - Thyssenkrupp hat eine lange Geschichte von Kartellverstößen. Hiesinger hatte zwar eine Null-Toleranz-Politik eingeführt, derzeit holen den Konzern aber die Schatten der Vergangenheit ein. Erst kürzlich teilte Thyssenkrupp mit, wegen einer drohenden Strafe der Stahlsparte Rückstellungen gebildet zu haben. Die Höhe ist noch nicht bekannt.

Die Aufzugssparte war einst zu einer Strafe von 480 Millionen Euro verdonnert worden, die später allerdings auf 319 Millionen reduziert wurde. Sollte Thyssenkrupp erneut eine hohe Strafe zahlen müssen, könnte dies auch das neue Jahr verhageln.

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(6) EINTRÜBUNG DER KONJUNKTUR WÜRDE THYSSEN HART TREFFEN

Das Geschäft von Thyssenkrupp ist nach wie vor stark konjunkturabhängig. Sollte sich diese eintrüben, drohen neue Einbußen. Das Stahl- und Werkstoffgeschäft ist dafür anfällig, aber auch Aufzüge hängen etwa an der Baukonjunktur. Dazu: Ende des deutschen Aufschwungs: Ein Pro und ein Contra >>

Wichtigster Kunde ist die Autoindustrie, die gerade im Abwärtsstrudel ist, auch wegen der hausgemachten Diesel-Krise. Probleme in der Autoindustrie haben die deutsche Wirtschaft im Sommerquartal erstmals seit dreieinhalb Jahren schrumpfen lassen. (reuters/apa/red)

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