Continental: Warum der Autozulieferer jetzt nur noch Reifenhersteller sein will
Es ist so etwas wie ein Denkmal, das sich Wolfgang Reizle setzen will. Der Aufsichtsratschef des deutschen Automobilzulieferers Conti, der seine Karriere in den 1970er Jahren bei BMW begann, treibt seit Jahren Pläne voran, Continental zu seinen Wurzeln zurückzuführen. Continental soll wieder ausschließlich Reifenhersteller - mit einer starken Gummisparte für Industrieanwendungen unter der Marke Contitech - werden. Schon vor drei Jahren war mit Vitesco das ebenso notleidende Antriebsgeschäft von Conti abgespalten worden – es ist jetzt Teil der Schaeffler Gruppe, deren Mehrheitseigentümer, Georg Schaeffler Großaktionär von Conti ist.
Die Absatzkrise in der deutschen Automobilindustrie verhalf Conti-Aufsichtsrats-Chef Reizle jetzt zum endgültigen Durchbruch seiner Pläne: Der Vorstand des Automobilzulieferers hat grünes Licht für die Abspaltung des Geschäftes mit Bremsen, Sensoren, Assistenzsystemen und Displays gegeben.
Die Auto-Sparte von Continental schreibt schon seit Jahren zumeist rote Zahlen. Der Bereich ist seit 2022 rechtlich selbstständig – uns eigentlich auch alleinstehend ein Gigant: Mit 100.000 Beschäftigten hat die Sparte im Vorjahr einen Umsatz von etwa 20,3 Milliarden Euro erzielt. Der Autozulieferer von Conti soll jedoch nicht wie die Antriebssparte Vitesco verkauft werden, sondern bis Ende kommenden Jahres an die Börse gebracht werden. Bis dahin muss das Unternehmen, wie es heißt, „kapitalmarktfähig“ aufgestellt werden
Zu dieser Kapitalmarktfähigkeit gehört ein rigoroses Sparprogramm, das gerade umgesetzt wird: 400 Millionen Euro sollen jährlich durch die Verschlankung der Geschäfts- sowie Verwaltungsstrukturen, die Senkung von Ausgaben für Forschung und Entwicklung durch die Reduktion der insgesamt weltweit 82 Entwicklungsstandorte – und eine Verlagerung der F&E in Ländern mit niedrigeren Kosten eingespart werden.
Teil der Strategie sind zudem Stellenstreichungen. Konzernweit sollen 7.150 Stellen, mehr als drei Prozent der Gesamtbelegschaft, abgebaut werden. In den Verwaltungsbereichen stehen rund 5.400 Jobs zur Disposition, im Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk weitere rund 1.750 Stellen. Etwa 40 Prozent der insgesamt betroffenen Arbeitsplätze befinden sich in Deutschland.
Wie schon bei der Abspaltung der Antriebssparte Vitesco, der beim Verkauf an Schaeffler eine Mitgift in Höhe von rund 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurde, dürfte ein geplanter Börsegang der Continental Autosparte aber vor allem einen finanziellen Zuschuss von Continental bedeuten. Nur weitgehend schuldenfrei hätte die Autosparte eine Chance an der Börse. Die Verbindlichkeiten dürften also der Reifensparte aufgebürdet werden.
Noch ist auch unklar, ob sich, wie geplant, Ende 2025 überhaupt ein praktikables Zeitfenster für einen erfolgreichen Börsegang des neuen Automobilzulieferers ergibt. Sollten die Aussichten an den Börsen im zweiten Halbjahr 2025 schlecht sein, könnte die Abspaltung noch einmal vertagt werden.
Spielraum für Manöver hat Continental jedenfalls: Der Gesamtkonzern konnte dank eines starken Reifengeschäfts zuletzt den Gewinn im dritten Quartal steigern. Der Umsatz von Juli bis September ging zwar um vier Prozent auf 9,8 Milliarden Euro zurück, doch der Betriebsgewinn, der von Juli bis September erwirtschaftet wurde, stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut ein Drittel auf 873 Millionen Euro.