Wachablöse : ABB-Österreich-Chef Kohlmaier: "Wir stecken inmitten eines Generationenwechsels"

ABB-Chef Martin Kohlmaier vor ABB-Logo
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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Kohlmaier, Sie sind seit 1. Mai Vorstandschef von ABB Österreich. Ich nehme an, nach über 30 Jahren bei ABB und dem Einzug in den Vorstand im Vorjahr war ein guter Einstand reine Formsache, oder?

Martin Kohlmaier: Natürlich muss man selbst erst einmal erfassen, welchen Job man hier nun macht. Aber das operative Tagesgeschäft holt einen schnell auf den Boden der Tatsachen. Was dominiert, ist die Freude über die neue Herausforderung, gepaart mit dem unbedingten Willen, das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen und dabei den Rückhalt der Belegschaft zu spüren.

Das ABB-Portfolio sei ein hervorragendes Fundament für den Wiederanlauf der Industrie, sagten Sie in einem Gespräch vor einem Jahr. Hat sich das bewahrheitet, zogen die Geschäfte an?

Kohlmaier: Es kam, wie wir vorsichtig optimistisch prognostiziert hatten. Im Grunde erholten sich alle Geschäftsfelder. Und sie entwickelten sich auch gut weiter. Im Bereich der Elektrifizierung haben unsere Flaggschiffprodukte von Busch-Jaeger, etwa sehr positiv dazu beigetragen, das Geschäft zu beleben. Geringere Einbrüche in einem Segment wurden durch höhere Auftragseingänge in einem anderen Segment ausbalanciert. So kamen wir in Summe gut durchs Jahr 2020.

Ein Sorgenkind war vorübergehend die Robotik, oder?

Kohlmaier: Die Automobilbranche wurde bereits vor der Pandemie hart getroffen. Die Pandemie verstärkte dies. Das bekamen wir bei der Robotik natürlich zu spüren. Mittlerweile sind wir auch hier wieder auf Kurs. Investitionen, die voriges Jahr verschoben wurden, werden nun nachgeholt. Das schließt Ersatzinvestitionen und Investitionen in den Ausbau gleichermaßen ein.

Und bei alledem bleibt die Robotik ein globaler Wachstumsmarkt...

Kohlmaier: Roboter bahnen sich ihren Weg auch in Logistik, medizinische Einrichtungen und pharmazeutische Labors. Das stützt in schlechten Zeiten das Geschäft. Und in guten bringt es schnelleres Wachstum.

Ihr bisheriger Vorstandskollege, Franz Chalupecky, wechselte nach 22 Jahren im ABB-Österreich-Vorstand nun in den Aufsichtsrat. Wann kreuzten sich Ihre Laufwege erstmals nachhaltig?

Kohlmaier: Chalupecky hat mich ins Nachwuchsführungsprogramm geholt und war dort mein Mentor. Das war sicher eine Weichenstellung für die sehr gute Zusammenarbeit, die dann folgte.

Führen Sie seinen partizipativen Führungsstil fort?

Kohlmaier: Gutes zu prolongieren oder gar auszubauen ist kein Fehler. Es ist mein Anspruch, die Kontinuität im Unternehmen sicherzustellen. Das schließt die Nähe zu Kunden ebenso wie ein Qualitätsversprechen ein.

Wo wird es Veränderungen geben?

Kohlmaier: Das Binden von Mitarbeitern ist sicher ein Punkt. Wir stecken inmitten eines Generationenwechsels. Hier müssen wir rechtzeitig Vorsorge treffen. Und mit der Ausgliederung der E-Mobilität, als Grundlage für einen möglichen Börsengang könnten sich durchaus auch bei uns separate Strukturen herausbilden.

Seit kurzem hat das Unternehmen selbst den Turbo bei der Suche nach qualifiziertem Personal gezündet - im Studiengang Robotik, den ABB mit dem Campus 1 der FH Wiener Neustadt und dem FabLab Mödling aufgesetzt hat.

Kohlmaier: Die Kooperation mit den beiden Bildungsinstitutionen funktioniert seit Jahren sehr gut. Die Arbeit in einem Studiengang zu vertiefen war demnach eine fast logisch folgende Entscheidung.

Kam man ohne personelle Einschnitte durch die Krise?

Kohlmaier: Wir kamen ohne Personaleingriffe durch die schwierige Zeit. Es ist uns wichtig, unser Humankapital zu halten. Ich würde es als Unding ansehen, jetzt in den Nachwehen der Pandemie Anpassungen vorzunehmen. Wir setzen hier auf Kontinuität.

Die IV fordert nach dem Auslaufen der Investitionsprämie die Wiedereinführung des Investitionsfreibetrags. Begrüßenswert?

Kohlmaier: Die Vorteile solcher Stützungsmaßnahmen sind ja evident. Davon profitierten auch unsere Kunden bei der Anschaffung von Neugeräten im Bereich der Robotik und in weiteren Geschäftsbereichen der ABB.

In Shanghai baut ABB eine hochmoderne Roboterfabrik. Das Werk für Niederspannungsprodukte in Peking wurde dagegen gerade mit einem Fokus auf Erneuerbare energetisch optimiert. ABB macht also auch ernst mit der Verbesserung der eigenen Energiebilanz...

Kohlmaier: Definitiv. Mit der Produktionsstätte in Peking hat ABB ein neues System zur Erzeugung von Solarstrom eingeführt inklusive der Integration erneuerbarer Energien. Damit will ABB den jährlichen CO2-Ausstoß um rund 400 Tonnen reduzieren. Da sehen wir uns schon als Vorbild.

Ab diesem Juli werden neue Mindestanforderungen in der Energieeffizienz von Antrieben und Wechselumrichtern schlagend. Ein schöner Hebel für Neugeschäft?

Kohlmaier: Definitiv ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz. Und es bringt Anbietern von Antriebstechnik und deren Kunden mittelfristig Wachstumschancen.

Mit CEO Björn Rosengren hielt eine vertikale Spartenstruktur mit nunmehr 21 globalen Divisionen bei ABB Einzug. Wie macht sich das bemerkbar?

Kohlmaier: Wir sind in dieser sich rasant verändernden Welt um einiges schneller geworden und können unsere Kunden noch fokussierter und agiler bedienen

Bei B&R, der ABB-Division Maschinenautomatisierung, ist mit Jörg Theis ebenfalls ein Nachfolger gefunden, der schon lange im Unternehmen arbeitet. Was eint sie noch?

Kohlmaier: Uns eint sicherlich, dass wir mittlerweile auf mehr als zwei Jahrzehnte erfolgreicher Tätigkeit im global agierenden, innovativen Unternehmen ABB zurückblicken können. Zudem hat Jörg Theis jahrelang in Singapur gearbeitet, in derauch ich vor vielen Jahren in meiner Funktion als globaler Applikationstechniker für roboterbasierte mechanische Bearbeitung immer wieder geschäftlich anwesend war. Ansonst hatten wir bisher keine gemeinsamen Wegstrecken, wenn Sie das meinen.

Beim bisherigen Vorstandschef Chalupecky schlägt eine Fußballleidenschaft durch. Welche bei Ihnen?

Kohlmaier: Segeln ist eine meiner großen Leidenschaften, vorzugsweise in internationalen Gewässern. Und natürlich steht die Familie an oberster Stelle.

Mit Segeln war nicht viel zuletzt, oder?

Kohlmaier: Die Coronapandemie hat meine seefahrerischen Pläne definitiv durchkreuzt. er letzte Törn in internationalen Gewässern war im ionischen Meer und liegt nun doch schon wieder gut eineinhalb Jahre zurück. Somit war ein Ausweichen auf den Neusiedlersee angesagt. Auch hier kommt großartiges Segelfeeling auf.

ZUR PERSON

Martin Kohlmaier, 51,

ist seit Mai neuer Vorstandsvorsitzender von ABB Österreich. Kohlmaier ist seit 30 Jahren für ABB tätig und hatte in den vergangenen Jahren Managementpositionen in den Geschäftsbereichen Robotik und Antriebstechnik inne. Er hat ein Diplomstudium in technischem Prozess- und Projektmanagement an der FH Campus Wien absolviert. Kohlmaier ist verheiratet und Vater einer Tochter (19) sowie eines Sohnes (21).