Außenwirtschaft : Vom Umzug bis zur Luftbrücke: So bereiten sich Firmen auf den Brexit vor

Der Brexit bereitet vielen deutschen Unternehmen Kopfzerbrechen. "Wir würden uns gerne darauf vorbereiten, wenn man uns sagt, auf was", sagt Hubert Menze von Tommy Trips & Travel, einem Kölner Anbieter von Klassenfahrten nach England, und fasst damit die Ratlosigkeit zusammen. Alles scheint möglich vor der geplanten Abstimmung des britischen Parlaments über das Abkommen mit der EU.

Beratung gefragt...

Wer kann, leistet sich einen Unternehmensberater. "Den Brexit und die Unsicherheit vieler Unternehmen, wie es mit Großbritannien weitergehen wird, spüren wir bereits seit einiger Zeit auch in unserem Geschäft", sagt Großbritannien-Experte Nikolaus Schadeck von KPMG. Er erhalte derzeit viele Anfragen. "Besonders Unternehmen aus der Finanzbranche und Unternehmen, die einen Produktionsstandort im Vereinigten Königreich haben, suchen nach Antworten und Beratung."

Der Deutschland-Chef der Beratungsfirma EY, Hubert Barth, beobachtet: "Während die großen Unternehmen das Thema Brexit in der Regel im Griff haben, ist der Beratungsbedarf vor allem bei Mittelständlern groß." Im Fokus stünden zahlreiche Unternehmensbereiche: vom Güterverkehr über den Zoll, interne Umstellungen in Betriebsabläufen, Lieferketten, Entsendung von Personal oder Finanzierungsfragen.

...aber auch Berater wissen oft nicht weiter

Viele Unternehmen müssten langfristige strategische Entscheidungen treffen - eigentlich. Doch selbst die Unternehmensberater fischen im Trüben: "Die praktische Herausforderung für uns ist, dass es mangels politischer Einigung noch keine fixen rechtlichen Vorgaben gibt, so dass wir die Mandanten im Hinblick auf verschiedene denkbare Szenarios beraten müssen", sagt Arnold Büssemaker von der Anwaltskanzlei Heuking. Das bedeute in einigen Fällen, vom "worst case" auszugehen.

Logistiker trifft es als erstes

Einen Brexit ohne Austrittsabkommen würde als erstes die Logistikbranche spüren. Täglich nutzen mehr als 10.000 Lkw die Verbindung zwischen Calais und Dover, um Waren nach England zu bringen. Sollte es zu breit angelegten Zollkontrollen kommen, werde "mit Sicherheit erstmal alles zusammenbrechen", glaubt Stefan Nüsse von der M+F Spedition aus dem niedersächsischen Nordhorn. Die Spedition macht mehr als ein Viertel ihres Umsatzes mit Fuhren auf die Insel, das meiste durch das Nadelöhr Dover.

Vorsichtshalber sei seine Firma auf der Suche nach Zollagenten, die sich um die drohende Papierflut kümmern sollen. Zudem rechnet sie Alternativrouten durch. Aktuell verdient sie aber gut am Brexit: "Viele unserer Kunden bauen Vorräte auf der Insel auf, um möglichen Nachschubproblemen im Falle eines Zoll-Chaos vorzubeugen." Nüsse hat deshalb alle Hände voll zu tun, um genügend Lkw zu organisieren.

Autobauer und Zulieferer in der Klemme

Auf gesicherten Nachschub angewiesen sind vor allem die Autobauer. Zulieferer stellen Fahrzeugteile "just in time" bereit, die direkt nach Ankunft in der Fabrik verarbeitet werden. Mit unvorhersagbaren Wartezeiten wegen der Zollabfertigung wird dies kaum möglich sein.

BMW kündigte deshalb bereits an, die jährliche Routine-Schließung seiner britischen Werke für Mini und Rolls-Royce zu Wartungszwecken direkt auf die Zeit nach dem Brexit zu verlegen. Der Autobauer hat sich zudem Luftfracht-Kapazitäten gesichert, um seine Fabriken im Zweifel per Luftbrücke zu versorgen. Der Zulieferer Schaeffler hingegen hat mit Verweis auf den Brexit angekündigt, zwei von drei Werken in Großbritannien zu schließen und die Produktion ins Ausland zu verlagern.

Vor einem Exodus hat auch die Finanzmetropole London lange gezittert. Bisher ist der allerdings ausgeblieben. Viele Banken verlagern weniger Stellen aufs Festland als zunächst erwartet, so auch die Deutsche Bank. Bis Ende März nächsten Jahres sollen es nur wenige hundert sein, kündigte Deutschlands größtes Finanzinstitut Ende vergangenen Jahres an. Im Vergleich zu anderen Branchen haben die Banken aber den Vorteil, dass sich Geld sehr schnell von einem Land in ein anderes verschieben lässt. (von Florian Müller, AFP/APA/red)