Energie : Trennung der Stromhandelszone: Höhere Strompreise in Österreich bleiben

Die mit 1. Oktober erfolgte Trennung der bis dahin gemeinsamen Stromhandelszone mit Deutschland wird Österreich auf Dauer ein höheres Preisniveau bei Elektrizität bescheren. Beim Energieregulator sieht man einige Ursachen aber hausgemacht. Die teils hohen Unterschiede zwischen beiden Ländern aus den ersten Oktober-Wochen dürften sich aber auf niedrigerem Niveau einpendeln, schätzt die E-Control.

Aktuelle Preisdifferenz wird wieder sinken

Bei der letzten Auktion für November lag das heimische Preisniveau doch um 5,75 Euro pro Megawattstunde (MWh) über jenem am Markt Deutschland-Luxemburg - für Oktober hatte der Spread lediglich 0,88 Euro/MWh betragen. Das zeige, dass die Marktteilnehmer zunächst deutlich geringere Unterschiede erwarteten, aber dann nachjustieren mussten.

In den ersten 20 Oktober-Tagen betrug die Preisdifferenz im Schnitt 8,2 Euro je MWh, doch wird das nicht dauerhaft so bleiben. Die heimischen Kraftwerke produzieren laut E-Control aktuell um 80 Euro pro MWh.

Seit 1. Oktober ist die langfristige Übertragungskapazität für Monats- und Jahresauktionen an der Grenze auf 4,9 Gigawatt (GW) beschränkt, auch wenn technisch mehr möglich wäre. Das entspricht etwa 45 Prozent der heimischen Spitzenlast. Ausgehandelt hat das der Regulator mit der deutschen Bundesnetzagentur - auch ein Aufschub wurde erreicht.

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Österreichs Industrie hat enorm von der deutschen Energiewende profitiert

Speziell die heimische Industrie hat sich in den letzten Jahren durch die niedrigeren Preise der gemeinsamen Zone viel erspart. Seit die für die Auftrennung relevante EU-Verordnung von 2015 in Kraft trat, hat sie kumuliert 200 bis 480 Mio. Euro gespart, betrachtet man die Produzenten mit über 4 GWh Jahresabnahme, so E-Control-Vorstandsdirektor Wolfgang Urbantschitsch im APA-Gespräch. Und die Haushalte hätten sich seit Mitte 2015 zwischen 115 und 276 Mio. Euro erspart.

Die Mehrkosten durch die Preiszonentrennung liegen für die Industrie bei 65 bis 150 Mio. Euro, vermutet die E-Control, denn angesichts von deren Stromverbrauch von etwa 25 TWh im Jahr verursacht jeder Euro Preisdifferenz Mehrkosten von 25 Mio. Euro. Haushalte müssen demnach mit etwa unter 10 bis gut 20 Euro pro Jahr an Mehrkosten rechnen.

Kleine Märkte würden tendenziell immer höhere Preise als größere aufweisen. Die Preiszonentrennung verhindere, dass günstige Energie aus Deutschland beliebig importiert werden könne, und der heimische Markt sei weniger liquide - es müssten Käufer wegen der größeren Spreads mehr zahlen als in einem liquideren Markt bei gleichen Preisverhältnissen.

Mit dieser Preisdifferenz ist zu rechnen

Langfristig werde sich der Preisaufschlag am österreichischen Markt gegenüber dem deutschen bei 2,5 bis 6 Euro je MWh einpendeln, schätzt man beim Regulator aufgrund früherer Berechnungen und der aktuellen Marktentwicklung. Vor gut einem halben Jahr ging man bei der E-Control durch die Zonenauftrennung von etwa 7 Prozent Aufschlag auf die reine Energiekomponente aus, die etwa ein Drittel der gesamten Stromrechnung ausmacht.

Auch durch einen Netzausbau in Deutschland könnte sich die Preisdifferenz zwischen den beiden Ländern langfristig verflachen, schätzt Urbantschitsch. Auch wenn Belgien wieder alle AKW anfährt - sechs der neun stehen derzeit still -, würde dies das Preisniveau beim Nachbarn senken, in Österreich wiederum eine bessere Wasserführung in den Flüssen als in den letzten Monaten.

Zahlreiche Strompreiserhöhungen - Zonentrennung als Vorwand

Die meisten Strompreiserhöhungen der EVU hätten mit der Preiszonentrennung "nichts zu tun", das sei "zumeist lediglich eine Kommunikationsstrategie der Unternehmen", betont Urbantschitsch. Grund für den schon länger währenden Anstieg der Strom-Großhandelspreise seien die internationalen Preise für Kohle, Erdgas und die CO2-Zertifikate. So legte in Amsterdam/Rotterdam die Kohlenotierung seit Jänner 2016 durch starke Nachfrage aus Asien von knapp 35 auf über 80 Euro/Tonne zu, mehr als eine Verdoppelung. Der Erdgaspreis wuchs zugleich von unter 15 auf über 25 Euro je MWh. Und die CO2-Notierungen, Anfang 2016 noch bei 5 Euro/t, legten auf über 25 Euro zu, um sich dann um 20 Euro einzupendeln.

Etliche Stromlieferanten haben ihre Preise schon erhöht, andere wiederum für demnächst Anhebungen angekündigt. Schon mit 1. Juli teurer wurde Elektrizität bei der Salzburg AG, die EnergieAllianz (Wien, NÖ, Burgenland) war mit 1. Oktober dran, und unter anderem Energie Steiermark, Tiwag und Innsbrucker IKB haben dies für Anfang 2019 avisiert.

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Faktor Redispatch

Preisentlastend könnte der künftig geringere Redispatch-Bedarf wirken, denn bisher musste Österreich für die Netzsicherheit wegen des teils stark aus Deutschland hereindrückenden Überschussstroms (etwa aus Windkraft) mit thermischen Kraftwerken gegenhalten - was nun durch die technischen Kapazitätslimits an der Grenze nicht mehr so sehr nötig ist: "Es sind weniger Redispatch-Abrufe zu erwarten, doch könnten dies teils etwas teurer werden, weil der Marktpreis höher ist." Die höheren Strom-Großhandelspreise würden nicht 1:1 auf die Endkunden durchschlagen, weil mit den höheren Marktpreisen weniger Ökostrom-Förderung nötig ist. Und auch die Ausgleichsenergiekosten würden sinken. (apa/red)

Weil aus einem großen gemeinsamen Markt nun der kleine inländische verblieben ist, können die heimischen EVU die für die Frage einer beherrschenden Stellung relevanten Hürden nun leicht überspringen, was in Österreich und Deutschland zusammen früher nicht möglich war. Laut heimischem Recht liegt eine marktbeherrschende Stellung vor, wenn ein Unternehmen einen Anteil von 30 Prozent am relevanten Markt einnimmt oder drei Unternehmen zusammen mindestens 50 Prozent.

"Sollten sich etwaige Verdachtsfälle der Marktmanipulation erhärten, wird die E-Control formale Ermittlungsverfahren eröffnen", erklärte Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand beim Energieregulator, im APA-Gespräch im Zusammenhang mit der Beobachtung der heimischen Regelreservemärkte. Denn seit der Zonentrennung seien "besonders beunruhigende Preis- und Kostenentwicklungen" aufgetreten, "die auf eine gewisse Tendenz zur Ausnutzung von Systemknappheiten hinweisen".

Durch die Neubewertung einer marktbeherrschenden Stellung im Zuge der Zonentrennung seien bei der Ahndung neben den üblichen REMIT-Verfahren - zur Integrität und Transparenz des Energiemarkts - auch Kartellrechtsverfahren denkbar, so Urbantschitsch. Auf den Regelreservemärkten, die dem Übertragungsnetzbetreiber APG zur Ausregelung von Erzeugungs- und Verbrauchsungleichgewichten in einer Regelzone dienen, sei es nämlich in den ersten Oktober-Tagen bei der Sekundärregelung, dem weitaus größten Regelreserve-Teilmarkt, "zu einer sprunghaften Vervielfachung der Kosten" im Vergleich zum Jahresschnitt gekommen. "Derartige Marktergebnisse werden von der E-Control besonders detailliert geprüft."

Für ein verstärktes Marktmonitoring habe die E-Control schon vorab alle nötigen Vorkehrungen getroffen - da schon antizipiert worden sei, dass die neuen Marktstrukturen in Österreich "mit einem hohen Grad an Unsicherheit einhergehen und somit auch einen gewissen Nährboden für etwaige Marktmanipulation bieten" würden. Ein besonderes Augenmerk am neuen, gegenüber früher begrenzten Markt werde auf die Aktivitäten der als marktbeherrschend identifizierten Unternehmen gerichtet. Und hier betrachtet man sowohl die potenzielle Engpassleistung der Kraftwerke als auch die tatsächliche Stromerzeugung.

Gemessen an allen Kraftwerken zusammen liegt auf Basis der 2017er Daten der größte Versorger deutlich über 30 Prozent Marktanteil sowohl bei der Engpassleistung als auch der Jahresproduktion der öffentlichen Erzeugung. Die Top-3 kommen bei Potenzialerzeugung und tatsächlicher Produktion auf über 60 Prozent.

Aus E-Control-Sicht ist auch die Versorgung bei Knappheiten von besonderer Relevanz "und somit häufig Grundlage für die Generierung von Knappheitspreisen auf dem Stromgroßhandelsmarkt". Deshalb werte man wegen der strategischen Bedeutung auch die Wettbewerbsstrukturen der regelbaren Kraftwerkssegmente (Wärme- und Speicheranlagen) aus. "Dabei zeigt sich eine noch ausgeprägtere marktbeherrschende Stellung einzelner Unternehmen." Auch hier liegen die Anteile jeweils über den Limits. (apa/red)