Stahlindustrie : Thyssenkrupp: Aufsichtsräte gegen "Psychoterror der Heuschrecken"

Im Streit um den Kurs bei Thyssenkrupp hat Aufsichtsratschef Ulrich Lehner einzelne Investoren scharf angegriffen. Sie hätten viel getan, um den Industriegüterkonzern und seinen abgetretenen Vorstandschef Heinrich Hiesinger zu destabilisieren, sagte Lehner in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit".

"Einige Aktionäre arbeiten mit Psychoterror"

Einige Aktionäre hätten Wege beschritten, "die teilweise schon als Psychoterror bezeichnet werden können". Hiesinger war im Zuge der Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit dem Konkurrenten Tata unter Druck geraten, weil Anteilseigner wie der US-Hedgefonds Elliott oder Cevian Capital aus Schweden mehr Tempo bei dem seit langem angekündigten Umbau des Ruhrkonzerns gefordert hatten. Hiesinger hatte Ende vergangener Woche überraschend das Handtuch geworfen.

Publizist Gabor Steingart berichtete dazu, die "angelsächsisch geprägten Investoren" sowie René Obermann, ehemals Chef der Deutschen Telekom, und die deutsche HSBC-Chefin Carola von Schmettow hätten Hiesinger das Vertrauen entzogen.

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Bei der Suche nach einem Nachfolger für Hiesinger setzt Lehner nach einem Bericht des "Handelsblatts" auf eine Übergangslösung. Es laufe darauf hinaus, dass Finanzchef Guido Kerkhoff das Unternehmen bis zu einer endgültigen Personalentscheidung führen solle, berichtete die Zeitung unter Verweis auf Konzernkreise. Ein Sprecher von Thyssenkrupp wollte sich nicht zu dem Bericht äußern.

Lehner: "Bei uns gibt es keine Not"

Lehner ließ offen, wie lange eine Einigung im Aufsichtsrat über die Strategie und einen neuen Unternehmenschef dauern könne. "Es wird so lange dauern, wie es dauern muss", sagte er. Forderungen nach einem Verkauf der profitablen Aufzugssparte erteilte Lehner eine klare Absage. "Das widerspräche jeglicher Vernunft." Solches Tafelsilber verkaufe man nur in der Not: "Bei uns gibt es keine Not."

Krupp-Stiftung: "Wir werden den Heuschrecken nicht das Feld überlassen"

Zu Wort meldete sich in der "Zeit" auch Thyssenkrupps größte Anteilseignerin, die Krupp-Stiftung. Der Vizechef des Kuratoriums, der 95-jährige Reimar Lüst, sagt der Wochenzeitung mit Blick auf den Finanzinvestor Cevian und den Hedgefonds Elliott: "Wir werden den Heuschrecken nicht das Feld überlassen, sonst verraten wir den Auftrag der Stiftung." Der Rücktritt des Thyssenkrupp-Chefs Heinrich Hiesinger hat Lüst persönlich getroffen. "Wenn wir könnten, würden wir Herrn Hiesinger sofort zurückholen. Wir haben immer hinter ihm gestanden."

"Wenn wir könnten, würden wir Herrn Hiesinger sofort zurückholen"

Die Krupp-Stiftung plant nach Medienberichten eine Sondersitzung am Freitag. Die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" berichtet unter Berufung auf Kuratoriumsmitglieder, das Gremium unter der Leitung von Stiftungschefin Ursula Gather mit der aktuellen Lage nach dem überraschenden Rücktritt von ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger befassen.

Sondersitzung am Freitag

Das Kuratorium ist das wichtigste Führungsgremium der Krupp-Stiftung. Dort sei "Verblüffung über die Darstellung von angeblich mangelnder Unterstützung für Hiesinger zu hören", so der Bericht. Es sei davon auszugehen, dass das Kuratorium Stiftungschefin Gather bei der Sitzung am Freitag den Rücken stärken werde.

Gather war in die Kritik geraten, nachdem Hiesinger am vergangenen Donnerstag seinen Rücktritt angekündigt hatte. Grund für den Rücktritt waren nach Hiesingers Angaben unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Er stand unter starkem Druck von Großaktionären, die ein schnelleres Tempo beim Umbau des Konzerns fordern.

Cevian macht weiter Druck: Bei Thyssen "kein industrieller Sinn erkennbar"

Cevian-Gründungspartner Lars Förberg hingegen unterstrich seine Forderung nach einem Strategiewechsel: "In einem integrierten Verbund von U-Booten, Stahlhandel und Aufzügen können wir, wie übrigens die meisten anderen Eigentümer, keinen industriellen Sinn erkennen." Förberg kann die Kritik von Gewerkschaften an seiner Arbeit nicht nachvollziehen. Cevian arbeite "nicht gegen, sondern mit den Belegschaften. Wer wenig erfolgreich ist, riskiert Arbeitsplätze, aber wer stark und wettbewerbsfähig ist, sichert und steigert Beschäftigung." (dpa/afp/apa/red)