Automobilindustrie : Talfahrt: VW-Stammwerk Wolfsburg in Alarmbereitschaft

VW Hauptversammlung
© Volkswagen AG

Die Talfahrt am deutschen Automarkt hat sich im September beschleunigt. Insgesamt wurden 196.972 Personenkraftwagen (Pkw) neu zugelassen, das waren 25,7 Prozent weniger als im September vor einem Jahr, teilte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) am Dienstag mit. Schon im Juli und August waren die Zulassungen zurückgegangen, allerdings nicht ganz so stark. In der ganzen Autoindustrie fehlen derzeit wichtige Bauteile, weshalb die Produktion seit Monaten immer wieder unterbrochen wird.

Am deutlichsten waren die Rückgänge bei Ford (minus 51,3 Prozent) und Mercedes (minus 49,8 Prozent). Volkswagen (minus 23,3 Prozent) und BMW (minus 18,7 Prozent) büßten ebenfalls zweistellig ein. Bei Opel gingen die Neuzulassungen um 1,2 Prozent zurück. Zuwächse gab es bei Smart (plus 23 Prozent) und bei Porsche (plus 3,9 Prozent). Fahrzeuge mit alternativen Antrieben waren im September erneut stark gefragt. Elektro-Pkw verzeichneten ein Wachstum von knapp 60 Prozent.

Alarmierende Zahlen im VW-Stammerk Wolfsburg

Noch nie wurden dort so wenig Autos gebaut wie in diesem Jahr, jetzt sollen E-Autos die Rettung bringen, wie die Frankfurter Allgemeine berichtet. Vor Corona war noch von rund einer Million Autos die Rede, die im Stammwerk produziert werden sollten. Im Ende 2016 beschlossenen Zukunftspakt ist von mindestens 820.000 Autos die Rede gewesen. „Auch bereinigt um die aktuellen Negativfaktoren Corona und Halbleitermangel, sind wir von diesen gemeinsam verabredeten Plänen weit entfernt“, sagt Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Es ist das alte Problem: Die Kunden und der Markt halten sich oft nicht an die Planvorgaben. 2020 wurden in Wolfsburg knapp 500.000 Autos produziert, in diesem Jahr zeigt der Pfeil weiter nach unten. Massive Kurzarbeit ist die Folge. Die Belegschaft in Wolfsburg „kennt solch lange Kurzarbeitsphasen nicht“, sagt Cavallo.

Die Angst geht um in Wolfsburg, doch Cavallo scheint einen Lösungsvorschlag zu haben: Im Stammwerk, wo derzeit vor allem die früher erfolgreichen Verbrennermodelle Golf und VW Tiguan gebaut werden, sollen früher als bislang geplant Elektroautos gebaut werden, so die FAZ.

„Der Standort braucht einen rascheren Weg in die E-Mobilität“, sagte sie. Es müsse sich um ein „volumenfähiges Modell“ handeln. Um die Wolfsburger Probleme zu lösen, will sie umschichten. Die Betriebsräte wollen jetzt schon 2024 ein E-Modell für Wolfsburg. Nach Lage der Dinge können das nur der ID.3, die SUV-Variante ID.4 oder das angekündigte dritte Modell, das SUV-Coupé ID.5 sein. Die allerdings werden nach den bisherigen Plänen des Unternehmens in anderen Werken produziert, berichtet die FAZ.

Dass Cavallo gerade jetzt Alarm schlägt, hat, laut FAZ, einen einfachen Grund. Am 12. November tagt in Wolfsburg der Aufsichtsrat von Volkswagen zur Investitionsplanung für die nächsten Jahre. Dann geht es darum, wohin die Milliarden-Investitionen des Konzerns fließen, in welchem Werk welches Fahrzeug produziert wird. Würde eines der Modelle, das jetzt schon produziert wird oder – wie der ID.5 – in den Startlöchern steht, nach Wolfsburg gehen, würden die Auslastungssorgen der Wolfsburger kleiner werden. Die Betriebsräte legen Wert darauf, dass es nicht darum gehe, anderen Werken etwas wegzunehmen. Die Nachfrage nach E-Autos wachse deutlich schneller, als viele es erwartet hätten, hieß es. In Wolfsburg könne zum Beispiel diese Nachfrage aufgefangen werden.

VW-Chef Diess - Standort muss zukunftsfähig werden

Volkswagen-Chef Herbert Diess und Markenchef Ralf Brandstätter wissen um das Problem. Nur ihre Antwort sieht anders aus. Konzernchef Diess mahnte vergangene Woche bei einem Treffen mit 120 Managern, dass nicht alles so bleiben könne, wie es derzeit in Wolfsburg ist, so die FAZ. Der VW-Chef fordert, es müsse ein Ruck gehen durch das Werk, die Stadt und die ganze südostniedersächsische VW-Region. „Wir müssen Wolfsburg endlich zukunftsfähig machen“, sagte Diess und sprach von einem „nie da gewesenen Wettbewerb“ in der Branche. Erneut rief er dabei die geplante neue Fabrik des amerikanischen Elek­troautobauers Tesla als Maßstab aus, in der ein Auto schneller gebaut wird als bei VW. Im Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin sollen die Elektroautos in zehn Stunden gebaut werden, deutlich schneller und effizienter als im VW-Werk in Zwickau, das für einen ID.3 oder ID.4, so die FAZ. (apa/FAZ/red)

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