Service : Reporting: Was sich für Ihre Geschäftsberichte ändert

Das Sprichwort zu Beginn des Palfinger-Geschäftsberichts 2015 lässt noch viele ratlos zurück. Ist es doch in koreanischer Sprache und Schrift verfasst. Gleich danach folgen jedoch die Kennzahlen im Überblick. Und hier sorgt der börsennotierte Salzburger Kranhersteller für Klarheit – sowohl was seine Finanzdaten als auch seine nichtfinanziellen Ziele anbelangt. Denn neben Ergebnis, Bilanz, Cashflow und Investitionen sind genauso Werte über Mitarbeiterfluktuation, Aus- und Weiterbildungsstunden pro Mitarbeiter oder Energieeffizienz angeführt. Zum Beispiel wird in einer Grafik anschaulich dargestellt, dass der Energieverbrauch bezogen auf den Umsatz seit 2011 kontinuierlich gesunken ist und mittlerweile nur noch 87,4 Prozent des Wertes von 2011 beträgt.

Palfinger ist eines von wenigen österreichischen Unternehmen, das einen integrierten Geschäftsbericht erstellt und seinen Investoren damit umfassendere Informationen als die reinen Finanzdaten zukommen lässt. Warum man sich bereits zum dritten Mal dazu entschloss: "Die Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte in der gesamten Wertschöpfungskette, vom Einkauf bis hin zur Verwendung unserer Produkte, unterstützt den langfristigen Erfolg der Palfinger Gruppe", erklärt dies Vorstandsvorsitzender Herbert Ortner im Vorwort des Berichts.

Tatsächlich schärfe die Einbeziehung nichtfinanzieller Aspekte und ihrer Folgen (Klimawandel, Menschenrechte, Umweltschutz, Ressourcenknappheit etc.) den Blick aufs Wesentliche, sind die Verfechter des Integrated Reporting überzeugt. "Es geht nicht darum, dass ein Nachhaltigkeitsbeauftragter einige schön klingende Kapitel verfasst, sondern um integriertes Denken", sagt etwa Robert G. Eccles, Professor an der US-Elite-Uni Harvard und einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet (siehe Seite 2). Eccles war kürzlich Gast auf einer "Best Practice Reporting Austria"-Veranstaltung in Wien – eine Initiative, die die Mensalia Unternehmensberatung vor einigen Jahren ins Leben rief. Und ihm zufolge sind Vorurteile, ESG-Engagement (Environment, Social und Governance) würde nur Geld kosten und wenig bringen, durch die Ergebnisse einer Langzeitstudie zu entkräften: So untersuchte Eccles zwischen 1991 und 2009 insgesamt 180 Unternehmen. Die Hälfte davon galt als "sehr nachhaltig", die Kontrollgruppe als "kaum nachhaltig". Nicht sofort, aber nach einigen Jahren zeigte sich, "dass die Performance der nachhaltigen Unternehmen signifikant höher war", so Eccles. Und dies habe den Börsenwert ebenso betroffen wie die realen Erträge.

Rund 200 Unternehmen betroffen

Diese Ergebnisse geben Hoffnung für österreichische Unternehmen. Denn bereits in einem halben Jahr – ab. 6. Dezember 2016 – muss auch in Österreich die EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Leistungsbeschreibung umgesetzt werden. Diese verpflichtet Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und über 40 Millionen Euro Umsatz, die im öffentlichen Interesse stehen, nichtfinanzielle Informationen in ihre Berichterstattung aufzunehmen. Experten zufolge betrifft dies alle börsennotierten und halbstaatlichen größeren Unternehmen, in Summe also etwa 200 in Österreich. Wobei die EU-Richtlinie es offen lässt, ob sämtliche Faktoren in einem gemeinsamen Bericht dargestellt werden oder die Leistungsbeschreibung der nichtfinanziellen Faktoren in eigenen Nachhaltigkeitsberichten erfolgt.

Wie die genaue Umsetzunng im österreichischen Recht aussehen wird, ist noch nicht bekannt – ebenso, ob die Richtlinie so wie in Deutschand verschärft wird. Denn dort müssen künftig bereits Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern mehr über ihre nichtfinanziellen Leistungen veröffentlichen. Doch fest steht: "Während im bisherigen österreichischen Rechnungslegungs-Änderungsgesetz nur ganz kurz steht, dass Unternehmen dazu berichten müssen, was die meisten ignorieren, müssen sie künftig auch den Prozess und die Strategie genau beschreiben", sagt Philipp Gaggl, Experte für Nachhaltigkeit und Lektor am IMC FH Krems.

Erst eine Handvoll Österreicher machen es

Derzeit freilich hat das Thema integrierte Berichterstattung hierzulande noch nicht wirklich Fuß gefasst. "Ich schätze, von den ATX-50-Unternehmen haben sich zehn mit integrierter Berichterstattung befasst und fünf machen sie", so Gaggl. Neben Palfinger nennt er etwa den Energieversorger EVN als Vorreiter für das neue, Finanzdaten und sogenannte ESG-Kriterien verbindende Reporting. Wobei ESG mehr sei als CSR, also die in Österreich gängigere Corporate Social Responsibility: CSR werde oft so verstanden, "dass ich vielleicht da und dort ein Projekt mache und einen Fußballverein in Afrika sponsere." Doch das habe zu Recht den Ruf erhalten, dass es nicht viel bringe. "In Wirklichkeit ist Integrated Reporting nicht nur ein Reporting-, sondern ein Strategiethema", sagt Gaggl. Die Grenze, welche Maßnahme einen finanziellen Aspekt habe und welche nicht, verschwimme immer mehr. Gaggl illustriert es an einem Beispiel: "Früher habe ich vielleicht den Fußballverein in Afrika gesponsert. Doch durch die Überlegungen, was am besten zu meinem Kerngeschäft passt, konzentriere ich mich jetzt auf ökologische Innovationen und die Frage, wo ich die besten Köpfe herkriege."

Auch Ratingagenturen werfen Blick darauf

Der Trend zur Verbindung all dieser Aspekte kommt nicht zuletzt aufgrund der immer stärkeren Nachfrage von Investorenseite. Vor allem die Finanzkrise habe die reine Zahlengläubigkeit in Frage gestellt und den Fokus stärker auf Nachhaltigkeitsfaktoren gelenkt, sagt Dominik Cofalka, Geschäftsführer der Mensalia. Dazu kommt, dass einerseits eigens auf Nachhaltigkeit spezialisierte Ratingagenturen wie Ökom Research in Frankfurt, andererseits aber auch die großen Player wie Standard & Poors, Fitch und Moody’s immer stärker ein Auge auf längerfristige und das Umfeld berücksichtigende Faktoren werfen.

Vorreiter im integrierten Reporting ist übrigens Südafrika. Dort müssen seit 1. Juni 2010 mehr als 470 an der Johannesburger Börse gelistete Unternehmen integrierte Berichte erstellen. Doch auch in Europa ist der Trend schon angekommen und laut Experten mehr als eine Modeerscheinung. Das haben vor allem kleinere Unternehmen bereits erkannt, sagt Christine Jasch, Gründerin des Wiener Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung, die außerdem die Begutachtung von Nachhaltigkeitsberichten bei Ernst & Young leitet und im Übrigen wenig von der Zweiteilung Nachhaltigkeitsbericht auf der einen und Geschäftsbericht auf der anderen Seite hält. "Das Problem ist, dass ich oft glaube, ich habe es mit zwei unterschiedlichen Unternehmen zu tun."

Familienunternehmen denken langfristiger

Als positive Beispiele für integrierte Berichterstattung bei kleineren Firmen nennt sie Schokoladenhersteller Zotter, die Ökostrom AG oder auch die Oesterreichische Kontrollbank und das im Eigentum der Kirche stehende Geldinstitut Schellhammer & Schattera. "Unternehmen, die eigentümergeführt sind, haben oft eine längerfristige Perspektive" und würden daher soziale und ökologische Faktoren eher in ihre Entscheidungen einbeziehen. Größere hingegen "glauben oft an den Mythos, dass ethisches Verhalten zu Gewinneinbußen führt", so Jasch.

Dieser Mythos sei aber nicht nur durch Studien aus Harvard, sondern auch anhand österreichischer Unternehmen widerlegbar. Etwa des Salzburger Kranbauers Palfinger. Dessen Umsatz stieg im Vorjahr um 16 Prozent, das Ebit hingegen legte um 58 Prozent zu.

Reichen Sie Ihren Geschäftsbericht ein!

Der INDUSTRIEMAGAZIN-Verlag und das Controller Institut vergeben heuer bereits zu dritten Mal den Austrian Public Reporting Award (APRA). Ausgezeichnet werden die besten Geschäftsberichte von börsennotierten und nicht börsennotierten österreichischen Unternehmen sowie von NGOs. Die Bewertung erfolgt auf Basis eines fundierten Modells, das vor allem Klarheit, Transparenz und Glaubwürdigkeit des Unternehmensreportings unter die Lupe nimmt.

In der hochkarätig besetzten Jury sind Finanzfachleute wie Alois Wögerbauer von der 3 Banken-Generali oder Paul Severin von der Erste Asset Management ebenso vertreten wie Corporate-Governance-Expertin Viktoria Kickinger und Nachhaltigkeitsexperte Philipp Gaggl. Zusätzlich zu den Hauptpreisen gibt es schließlich Auszeichnungen in den Kategorien Infodesign, Corporate Governance, CSR, Finanzanalyse & Investment sowie Gestaltung und Publizistik.

Fotostrecke: Das war die APRA-Gala 2015

Herr Prof. Eccles, Sie gelten als der weltweit führende Experte des Integrated Reporting. Warum sind integrierte Geschäftsberichte aus Ihrer Sicht so viel besser als andere?

Robert Eccles Nichtfinanzielle Aspekte werden aus Investorensicht immer wichtiger. Vor allem Investoren aus den USA und Großbritannien fragen immer stärker nach, was Unternehmen machen, um soziale Verantwortung zu übernehmen oder wie ihre Antwort auf den Klimawandel aussieht. Der große Vorteil von Integrated Reporting ist, dass sich das Unternehmen mit verschiedenen Einflussfaktoren befassen muss, um sich dann für einige wenige Maßnahmen im Bereich ESG (Environment, Social, Governance, Anm.) zu entscheiden. Integrated Reporting lenkt den Fokus auf die Maßnahmen, die wesentlich für das Geschäftsmodell sind. Zum Beispiel fördere ich ein Bildungsprojekt, weil ich im Rennen um die besten Köpfe mit dabei sein möchte.

Sie sagen, Integrated Reporting ist ein starker internationaler Trend. Hat dieser auch bereits Europa und darunter Österreich erreicht?

Eccles Weltweit machen derzeit – mit Ausnahme von Südafrika, wo Integrated Reporting Gesetz ist – etwa 1.000 Unternehmen Integrated Reports. In den USA ist der Trend sicher schon stärker als in Europa. Aber auch in Europa ist der Druck da, einerseits durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie sie die EU-Richtlinie vorgibt, andererseits durch die Investoren. In Österreich ist das Thema vielleicht auch deshalb noch nicht so angekommen, weil es wenige wirklich große Konzerne gibt.

Und wie sieht es bei den börsennotierten österreichischen Unternehmen aus?

Eccles Ich war bei meinem Wienaufenthalt mit einigen CFOs abendessen. Manche davon meinten, Sie bräuchten kein Integrated Reporting, weil das die österreichischen Investoren noch nicht interessiere. Doch ich schätze, über Pensionsfonds und dergleichen kommen auch in Österreich rund 15 Prozent der Investoren aus den USA. Und die interessiert das Thema sehr wohl.

Nachhaltigkeitsberichte oder CSR-Berichte machen auch hierzulande schon etliche Unternehmen. Warum reicht das nicht?

Eccles Natürlich kann auch das Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichts schon einiges bewirken. Wichtig ist, dass es nicht um Greenwashing geht, sondern um integriertes Denken. Es muss eine klare Strategie des Managements dahinterstehen. Ich habe als Vorstand zwei Möglichkeiten: Entweder ich sage dem Nachhaltigkeitsbeauftragten: "Verfasse einen schönen Bericht", und das war‘s, oder ich befasse ich mich mit Integrated Reporting. Und dann komme ich drauf, welche nichtfinanziellen Dinge in die Unternehmensstrategie passen und mich weiterbringen.

Die EU-Richtlinie lässt die Möglichkeit aber offen, ob man einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht macht oder einen integrierten Geschäftsbericht.

Eccles Ob es nun ein, zwei oder mehrere Berichte sind, spielt keine Rolle. Nur sollten Aspekte, die das soziale oder ökologische Umfeld des Unternehmens betreffen, nicht komplett in eigene Berichte oder auch eigene Kapitel ausgelagert werden. Es geht um das integrierte Denken und dazu muss es ein klares Statement vom Vorstand und Aufsichtsrat geben. Die Stakeholder wollen wissen, was das Management als die wesentlichen Einflüsse auf das jeweilige Geschäftsmodell sieht und wie die wesentlichen Antworten darauf von Seiten des Managements aussehen.

Einige Unternehmen haben ihr Engagement in CSR-Projekte aber auch wieder zurückgefahren, weil sie meinten, das koste Geld und bringe nicht viel. Wie wollen Sie diese überzeugen?

Eccles Ich habe dazu mehrere Studien gemacht. Und diese zeigen ganz klar: Jene Unternehmen, die ESG-Aktivitäten machen und zwar einige wenige, die zu ihrem Unternehmen passen, sind auch finanziell besser aufgestellt. Die Erfolge stellen sich nicht sofort ein, aber die Untersuchungen zeigen ganz klar: Mittel- bis langfristig performen diese Unternehmen einfach besser.

Woran kann ich erkennen, dass ein Geschäftsbericht ein gutes Integrated Reporting ist und nicht nur Schönfärberei?

Eccles Der gesamte Prozess, warum welcher nichtfinanzielle Faktor als wichtig erachtet wird, ist sehr transparent und es gibt eine klare Wesentlichkeitsmatrix. Für Investoren ist somit klar ersichtlich, warum das Management welche ESG-Maßnahme ausgewählt hat und welche Effekte es davon für das Unternehmen erwartet.

Zur Person

Robert G. Eccles ist Professor in Harvard und gilt als der weltweit führende Experte für Integrated Reporting. Auch ist er Mitbegründer des International Integrated Reporting Council (IIRC) sowie Gründer und Vorsitzender des US-Rats für Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (Sustainability Accounting Standards Board, SASB).