Verkehr : Österreich bringt die deutsche Automaut vor dem EuGH zu Fall

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Pkw-Maut in Deutschland gestoppt. Sie sei rechtswidrig und diskriminierend, da ihre wirtschaftliche Last praktisch ausschließlich auf den Haltern und Fahrern von in anderen EU-Staaten zugelassenen Fahrzeugen liege, erklärten die obersten EU-Richter in Luxemburg. Österreich hat sich damit mit seiner Vertragsverletzungsklage durchgesetzt. Das Urteil hat hierzulande großen Jubel von allen Seiten hervorgerufen. Deutschland wollte die Maut ab Oktober 2020 erheben, deutsche Autofahrer aber zugleich bei der Kfz-Steuer entsprechend entlasten.

Österreichs Verkehrsminister zufrieden

Österreichs Verkehrsminister Andreas Reichhardt hat sich in einer ersten Reaktion auf das Urteil zur deutschen Pkw-Maut zufrieden gezeigt. Er gehe nun davon aus, dass Deutschland die Pläne vom Tisch nimmt oder die Maut massiv ändert, sodass diese dann diskriminierungsfrei ist. "Wir unterstützen hier gerne mit Know-how, wenn das gewünscht ist", sagte Reichhardt am Dienstag vor Journalisten.

Reichhardt bietet deutschem Amtskollegen Expertise an

Das Urteil des EuGH sei bemerkenswert und lasse an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, so Reichhardt. Es seien alle Kritikpunkte Österreich anerkannt worden. Es sei daher auch ein wichtiges Signal für andere Bereiche der EU. "Ich möchte mir nicht ausmalen, was das bedeutet hätte, hätte man hier ein Präjudiz geschaffen." Österreich hatte im Herbst 2017 gegen die deutsche Pkw-Maut geklagt, Verkehrsminister war damals Jörg Leichtfried (SPÖ).

Deutscher Minister Scheuer schließt neuen Anlauf nicht aus

Nach dem Nein des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum deutschen Pkw-Maut-Modell schließt Deutschlands Verkehrsminister Andreas Scheuer einen neuen Anlauf für eine Abgabe nicht aus. Das Prinzip der Finanzierung der Straßen durch die Nutzer sei gerecht und richtig, sagte der CSU-Politiker in München.

"Wir werden noch viele Debatten gerade im Herbst über das Thema ökologische Lenkungswirkung, Klimaschutz und noch vieles mehr haben." Darauf konzentriere man sich jetzt auch in der Arbeitsgruppe zur Auswertung des Urteils und dessen Folgen. Der Minister versicherte, dass das Urteil keine Absage an eine Nutzerfinanzierung der Infrastruktur sei. Diese gebe es auch in vielen anderen EU-Staaten.

Merkel lässt weiteres Vorgehen vorerst offen

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt das weitere Vorgehen nach dem Stopp der Pkw-Maut durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorerst offen. Das Urteil sei zu akzeptieren und zur Kenntnis zu nehmen, sagte sie am Dienstag in Berlin. Natürlich werde Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nun die Situation analysieren. "Und dann werden wir sagen, wie wir weiter vorgehen." Im Herbst will die deutsche Regierung Entscheidungen treffen, wie der Klimaschutz auch im Verkehrsbereich vorankommt. Viele Experten sprechen sich hier für eine Maut nach gefahrenen Kilometer aus.

Minister Scheuer: "In dieser Form leider vom Tisch"

Scheuer stellte klar: "Die Pkw-Maut ist in dieser Form leider vom Tisch." Das sei überraschend und bedauerlich. Jetzt müsse mit dem Finanzministerium auch über die finanziellen Folgen gesprochen werden.

Die deutsche Pkw-Maut sollte eigentlich ab Oktober 2020 erhoben werden. Die organisatorische Umsetzung sei in "vollem Gang" gewesen, sagte Scheuer. Er erinnerte zudem daran, dass auch die EU-Kommission grünes Licht für das deutsche Modell gegeben habe.

Verkehrsministerkonferenz-Chefin Anke Rehlinger (SPD) sieht nun den "Maut-Murks vom Tisch". Scheuer sollte "das Vorhaben in Gänze zurückziehen", teilte Rehlinger am Dienstag in Saarbrücken mit. Für Grenzregionen wie das Saarland wäre die Maut verkehrspolitisch und wirtschaftlich "massiv schädlich" gewesen. "Mit der Maut hätten wir dort, wo wir Grenzen abgeschafft haben, neue Barrieren aufgebaut", sagte die saarländische Verkehrsministerin.

Die Pkw-Maut ist seit Jahren auch in Deutschland umstritten und gilt vor allem als Prestigeprojekt der CSU. Der EuGH hatte das Maut-Modell als rechtswidrig verworfen, da es Ausländer diskriminiere. Dass deutsche Fahrzeughalter entlastet werden sollten, hätten unterm Strich nur ausländische die Gebühr bezahlt. Österreich hatte mit seiner von den Niederlanden unterstützten Klage beim Europäischen Gerichtshof Er

Großer Jubel in Österreich

Das Aus der geplanten Pkw-Maut hat in Österreich großen Jubel auf allen Seiten hervorgerufen. Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) erklärte, er sei froh, dass die EuGH-Richter der Argumentation Österreichs gefolgt sind. Der SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Andreas Schieder, frohlockte: "Der EuGH wird heute zum Airbag für die europäischen AutofahrerInnen".

Die NEOS jubelten über das "klare Zeichen für ein offenes Europa ohne Grenzen". Nun brauche es "gesamteuropäische Verkehrslösungen und nicht ein kleinliches nationalstaatliches Denken, das nur böses Blut und gegenseitige Klagen zur Folge hat. Das gilt auch für ein vernünftiges europäisches Mautsystem der Zukunft, das transparent, fair und effizienter ist", sagte NEOS-Verkehrssprecher Douglas Hoyos.

Die Autofahrerklubs ARBÖ und ÖAMTC reagierten ebenfalls erleichtert. "Mit dem Urteil heißt es nun Aufatmen - auch für rund 1,8 Millionen österreichische Autofahrer", erklärte der ÖAMTC. So viele Österreicher hätten nach Schätzungen der Interessensvertretung zumindest einmal pro Jahr eine deutsche Vignette kaufen müssen. Laut ARBÖ wären vor allem die Auto-Pendler in Salzburg, Tirol und Vorarlberg betroffen gewesen. Der ÖAMTC warnte jedoch anlässlich des Aus für die deutsche Pkw-Maut vor einer deutlichen Mehrbelastung für den motorisierten Individualverkehr durch die Aufnahme von Pkw in die EU-Wegekostenrichtlinie.

Auch der Auto-kritische Verkehrsclub VCÖ zeigte sich über das Urteil erfreut, weil das deutsche Mautmodell der europäischen Idee widersprochen hätte. Der VCÖ fordert nun ein diskriminierungsfreies Mautmodell: "Interesse des Klimaschutzes ist es wichtig, dass auch ökonomische Instrumente eingesetzt werden, um Anreize auf den Öffentlichen Verkehr zu setzen."

Ex-Verkehrsminister und designierter FPÖ-Chef Hofer betonte in seiner Aussendung seine Standhaftigkeit gegenüber Deutschland: "Während meiner Amtszeit als Verkehrsminister habe ich mehrere Gespräche mit meinem deutschen Amtskollegen Andreas Scheuer geführt. Er wollte mich zu einem Rückzug der österreichischen Klage bewegen - ich habe abgelehnt. Das heutige Urteil gibt der österreichischen Position recht", so Hofer.

Die Klage hatte der damalige österreichische Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) im Herbst 2017 eingebracht.

(red mit APA/Reuters/dpa)