Stahlindustrie : Nächster Rücktritt bei Thyssenkrupp: Finanzfirmen wetten auf eine Zerschlagung

Nach dem angekündigten Rücktritt von Aufsichtsratschef Ulrich Lehner droht eine Zerschlagung des traditionsreichen deutschen Industrieriesen ThyssenKrupp.

Finanzfirmen wollen die Zerschlagung um jeden Preis

Investoren an der Börse wetten schon auf eine Aufspaltung des Dax-Konzerns: Die seit Jahren eher dahindümpelnde Aktie legte am Dienstag zeitweise um mehr als acht Prozent zu. "ThyssenKrupp steht nun am Scheideweg", sagte Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment.

Die Investmentbank Jefferies schrieb in einem Marktkommentar, dass es nun womöglich zu einer tiefgreifenden Restrukturierung des Konzerns mit seinen fast 160.000 Mitarbeitern komme.

ThyssenKrupp ist in der Stahlindustrie, in der Belieferung der Autoindustrie sowie in der Herstellung von U-Booten tätig. Außerdem baut der Konzern Aufzüge - und diese Sparte gilt als die Ertragsperle des Unternehmens. In diesen Tagen drängen Finanzfirmen darauf, dass der Konzern diese lukrative Sparte verkauft: Thyssenkrupp: Ein neuer Chef und eine neue Abspaltung in Sicht >>

Beide Gegner einer Zerschlagung sind aus dem Management raus

Mit dem kürzlich schon ausgeschiedenen Vorstandschef Heinrich Hiesinger und Lehner seien zwei Säulen der bisherigen Strategie weggefallen, die zuletzt oft kritisiert worden sei. Die beiden hatten eine Zerschlagung stets abgelehnt. Lehner begründete seinen Rücktritt - wie bereits Hiesinger - mit einer mangelnden Unterstützung durch die großen Aktionäre. Zu Hiesingers Rücktritt: Thyssenkrupp: Deswegen will Konzernchef Hiesinger nicht mehr >>

Lehner hatte in der vergangenen Woche Investoren wie Cevian und den US-Hedgefonds Elliott scharf angegriffen. "Wir sprechen nicht nur in der Hauptversammlung, sondern in vielen Treffen mit unseren Aktionären. Bedauerlicherweise beschreiten einige aber auch andere Wege, die teilweise schon als Psychoterror bezeichnet werden könnten", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit". Einige aktivistische Investoren seien dafür bekannt, dass Manager, die sie loswerden wollten, später in psychiatrische Behandlung gemusst hätten. Hier seine Kritik: Thyssenkrupp: Aufsichtsrat gegen "Psychoterror der Heuschrecken" >>

Harte Kritik am Kernaktionär: der Krupp-Stiftung

In seinem Rücktrittsschreiben holte Lehner auch gegen die Krupp-Stiftung aus, die mit 21 Prozent größter Einzelaktionär ist. "Das Vertrauen der großen Aktionäre und ein gemeinsames Verständnis im Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung von ThyssenKrupp waren Grundlage meiner Arbeit und Voraussetzung für mein Versprechen an Berthold Beitz, das Unternehmen im Interesse von Aktionären, Mitarbeitern und Kunden erfolgreich weiterzuentwickeln", sagte Lehner mit Blick auf die 2013 verstorbene Unternehmenslegende. "Das ist heute nicht mehr gegeben." Die Stiftung soll das Unternehmen erhalten, gleichzeitig aber auch weiterentwickeln.

Auf wessen Seite steht die mächtige Stiftungschefin Ursula Gather?

Die Stiftung wollte sich zunächst ebenso wenig äußern wie Cevian oder Elliott. Klar ist aber: Mit den Vorgängen gerät auch die Chefin der mächtigen Krupp-Stiftung, Ursula Gather, zunehmend unter Druck.

Gather hatte Vorwürfe einer mangelnden Unterstützung Hiesingers zurückgewiesen und seinem Nachfolger Guido Kerkhoff ihre Unterstützung zugesagt. Spekulationen machten die Runde, die 65-jährige Professorin strebe nun selbst an die Spitze des Aufsichtsrates, dem sie seit Anfang des Jahres angehört.

Als weitere Kandidaten wurden der ehemalige Hochtief-Chef Hans-Peter Keitel und der frühere Deutsche-Telekom-Chef Rene Obermann gehandelt, die ebenfalls dem Gremium angehören. "Der neue Aufsichtsratschef muss eine Konsenslösung sein. Alles andere würde nur zu neuem Streit führen", sagte Union-Fondsmanager Speich.

"Es muss im Aufsichtsrat schlimmer zugehen als gedacht"

Der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Thomas Hechtfischer, zeigte sich vom Rücktritt Lehners und seiner Kritik überrascht. "Es muss im Aufsichtsrat schlimmer zugehen als gedacht", sagte er Reuters. Lehner habe die Krupp-Stiftung zum Abschied noch heftiger kritisiert, als es Hiesinger getan habe. "Es scheint, als bewege sich die Stiftung in Richtung der Positionen von Cevian und Elliott. Die Stiftung und Frau Gather müssen dringend deutlich machen, welche Strategie ThyssenKrupp einschlagen soll."

Finanzfirmen gegen Mitarbeiter

Die Finanzfirmen Cevian und Elliott wollen - scheinbar um jeden Preis - mehr Rendite sehen. Sie halten auch die breit aufgestellte Struktur des Konzerns für überholt.

Auf der anderen Seite fürchten die Mitarbeiter eine Zerschlagung des 1999 aus Thyssen und Krupp fusionierten Unternehmens, dessen Wurzeln über 200 Jahren zurückreichen. "Es ist nun die Aufgabe der Hauptaktionäre, insbesondere der Krupp-Stiftung, das Unternehmen gemeinsam weiterzuentwickeln", sagte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath zu Reuters. Es gehe um Tausende Arbeitsplätze. Nach der Stahlsparte müssten auch die übrigen Bereiche zukunftssicher aufgestellt werden. "Eine Zerschlagung des Konzerns darf es nicht geben." (red mit Reuters/APA)

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