Auslagerung : Mehrwertlogistik: Das große Comeback des Outsourcings

Mehrwertlogistik lager
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„Wir vertrauen unserem Logistikpartner einiges an”, weiß Isabella Schwarz, Marketing-Managerin bei Microsoft. Der Mehrwert-Logistiker tectraxx aus dem Gebrüder Weiss-Konzern checkt die rund hundert Standkonsolen, mit denen Daddelbegeisterte in Elektronikmärkten, auf Messen oder bei Veranstaltungen die Xbox 360 vor Ort ausprobieren können, auf Funktionstüchtigkeit und macht sie spielfertig. Das ist Vertrauenssache. „Wir beschicken mit den mobilen Units auch regelmäßig Abendveranstaltungen. Es gibt kaum etwas Peinlicheres, als wenn die Konsolen dann vor Publikum nicht funktionieren”, sagt Schwarz. Standkonsolen und Ersatzteile lagert tectraxx. Auf Anweisung von Microsoft spielen Mitarbeiter die gewünschten Spiele auf. Nach einer technischen Überprüfung liefert der Logistiker die Spielkonsolen aus, holt sie auf Abruf wieder ab und prüft, ob Bildschirme, Controller oder Kabel den Einsatz unbeschadet überstanden haben. Falls nicht, tauschen Techniker die Komponenten aus: „Nur bei schweren Fehlfunktionen fordern wir einen Techniker von Microsoft an. Die Grenze zwischen den Problemen, die wir selbst lösen, und denen, die unser Kunde behebt, ist genau definiert”, sagt Wolfgang Leuthner, Leiter des Bereichs techtraxx. „Unüberlegt ausgelagert“.Kostendruck bleibt die treibende Kraft hinter den meisten Auslagerungen – auch wenn manches, was überhastet aus der eigenen Firma geräumt wurde, wieder zurückgeholt wird. Auch aus Qualitätsgründen, wie Leuthner vermutet: „Einiges wurde vielleicht etwas unüberlegt in Billiglohnländer ausgelagert, zum Beispiel bestimmte Hardware-Upgrades und Software-Updates; manchmal war die Leistung dann qualitativ nicht ausreichend. Je fachspezifischer die Dienstleistung ist, desto größer ist die Chance, das in Österreich zu machen.“Wobei vor allem Handy- und Elektronik-Hersteller auch zur Fertigstellung ihrer Produkte auf die Dienste der Logistiker zurückgreifen, so Leuthner: „Wir haben nahezu kein Produkt, das wir so ausliefern, wie wir es herein bekommen. Bei einem Hersteller außerhalb der EU gibt es manchmal für halb Europa eine einzige Charge – die länderspezifische Konfektionierung bereiten wir vor.“ Oder die Software ist nicht mehr aktuell, wenn das Gerät ausgeliefert wird, also bringen Logistiker jedes Teil vor seinem Weg ins Geschäft auf den letzten Stand. Damit bestreitet techtraxx ein Drittel des Geschäfts (Umsatz 2010: 14 Millionen Euro). Insourcing als Krisen-Antidot.In der Krise haben sich viele Auftraggeber vorübergehend aus dem Outsourcing von Wartungs-, Test- und Reparaturleistungen zurückgezogen, was das Geschäft der Mehrwertlogistiker herb in Mitleidenschaft zog. Techtraxx verlor fast das gesamte Projektgeschäft: „Wir sind jetzt bei 50 Prozent des Vorkrisenvolumens“, sagt Leuthner. Mit besserer Auslastung der Kunden naschen die Mehrwertlogistiker wieder am Aufschwung mit. Mit der besseren Auslastung steigt auch der Bedarf an Auslagerungen: „Insbesondere in der Automobilindustrie werden jetzt wieder Logistikflächen zu Produktionsflächen“, beobachtet Martin Kolbitsch, Produktmanager Kontraktlogistik bei Schenker.„Viele Projekte, die auf Eis lagen, zum Beispiel Übersiedelungen von Rechenzentren, werden jetzt durchgezogen“, meint auch Andreas Fida vom High Tech-Logistiker Schachinger technolog. Vor allem Elektronik- und IT-Unternehmen setzen zunehmend auf Nebenleistungen der Logistikpartner, die über den schieren Transport von A nach B hinausgehen. „Es gibt eine Grauzone, vom Aufstellen, Inbetriebnehmen bis zum ans Netzwerk Anschließen von Geräten, für die ein IT-Techniker eigentlich überqualifiziert ist“, beschreibt Fida, wo die Leistung der Logistiker ansetzt. In der Krise mit ihren Auslastungsproblemen war das nicht ganz so wichtig, aber jetzt kann der IT-Ingenieur des Kunden durch Auslagerung von Routine-Jobs wieder für höherwertige Aufgaben frei gespielt werden. Auch Kundenschulungen (etwa für neue Kopierer-Modelle) übernimmt der Transporteur. Fortsetzung auf Seite 2

Ein neuer Markt tut sich in Osteuropa auf: Hier werden Auslieferungen größerer Geräte, die oft Zwei-Mann-Besatzungen erfordern, verstärkt nachgefragt – Kunden wollen den in Österreich mittlerweile gewohnten Standard auch in ihren Niederlassungen. „Das gab es früher nicht“, freut Schachinger technolog-Mann Fida sich, „da gab es Lieferung frei Haus, das Gerät stand vor dem Büro auf der Straße, und man musste erst einmal zwei Leute finden, die es hinauftragen.“Schachinger technolog hat sich jetzt unter der Marke TecDis mit zehn anderen europäischen High Tech-Logistikern zusammengeschlossen, um den Lieferdienst in 30 Staaten gemeinsam zu vermarkten. „Ein Kunde kann beispielsweise einen Großdrucker in Wien deinstallieren, in die Niederlassung in Madrid transportieren und dort wieder installieren lassen.“Anziehendes Geschäft dank besserer Auslastung der Industriekunden ortet auch Christian Janecek, Geschäftsführer der voestalpine Stahl-Logistiktochter Logserv: „Gefragt sind Transport- und Machbarkeitsstudien, die Beschaffung von Papieren wie Ursprungsdokumentationen, Beratung in Verpackungsfragen oder die direkte Anbindung an die IT-Systeme der Kunden.“ Bei Großprojekten übernimmt Logserv vor Ort oft gleich die Überwachung von Verladungen und Umschlag und die Zulaufsteuerung der Lieferungen von Sublieferanten. „Auch die Bereitschaft zum Outsourcing von komplexeren Leistungen, wie der Betrieb von ganzen Versandabteilungen als direkte Schnittstelle zur Produktion, wird wieder größer.“ „Erstaunt, wie einfach“.Paul Brandstätter, Eigentümer von Go Express & Logistics, sieht zunehmende Service-Ansprüche von Endverbrauchern als Wachstumstreiber. Vieles, was vor einigen Jahren noch Extraleistung war, gehört heute zum Standard, zum Beispiel To-Desk-Delievery am Arbeitsplatz oder proaktive Benachrichtung über die Auslieferungszeit. Auch bei den größeren Lieferanten ist nach dem Ende des Krisenmanagements wieder Innovationsgeist gefragt, beobachtet Brandstätter „Unsere Kunden denken sich wieder neue Serviceleistungen für ihre Kunden aus – oder fragen uns nach Ideen dafür.“ Denn viele Unternehmen wissen nicht, was sie alles an Logistiker auslagern können – wobei es vor allem neu aufgesetzte Prozesse sind, die Einsparungen bringen, beobachtet Brandstätter: „Die Kunden sind immer wieder erstaunt, wie man logistische Abläufe vereinfachen kann – zum Beispiel indem wir auch die Verpackung übernehmen.“ Selbstabholer stirbt aus.Vor allem bei konsumentennahen Diensten wächst das Geschäft kräftig – „wir haben in der After-Sales-Logistik seit Jahren ungebrochen zweistelliges Wachstum“, sagt Go-Chef Brandstätter. Der Grund: Selbstabholer- und –montierer werden weniger, die meisten Kunden von Elektromärkten wollen LED-Fernseher, Waschmaschine & Co. nicht nur geliefert, ausgepackt und aufgestellt, sondern auch gleich angeschlossen haben. Hersteller wie Händler lagern das auch gerne aus, einschließlich Service und Reparatur im Fall der Fälle. Was dem einen Kosten spart, kann den Logistikern Schweißperlen auf die Stirn treiben. „Wir haben ein Problem, wenn der Hersteller nicht klar definiert, was wir tun sollen und können“, sagt techtraxx-Chef Leuthner. Zumal der Trend zur Vor-Ort-Reparatur beim Kunden geht – schließlich sind TV-Bildschirme mittlerweile so groß, dass sie Zwei-Mann-Transporte erfordern. Andererseits passen 10.000 mögliche Ersatzteile nicht in einen Transporter. Also klären Techniker des Logistikers im ersten Takt ab, ob das Gerät nicht doch abgeholt werden muss – und dann in der techtraxx-Werkstatt oder doch beim Hersteller serviciert wird. Auch am Ende des Produktlebenszyklus’ sind die Dienste der Mehrwertlogistiker gefragt: Die Abholung zur sachgerechten Verschrottung samt Nachweis derselben wird von Privatkunden immer öfter eingefordert. Maike Seidenberger