IM-Expertenpool: Arbeitsmarkt : Mehr "alte Hasen" im Betrieb

Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird in den meisten EU-Ländern weiter steigen. Wann? Das ist aufgrund des demografischen Wandels nur eine Frage der Zeit. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass sich die heute 50-Jährigen in Europa darauf einstellen müssen, bis zur Beendigung ihres 67. oder 68. Lebensjahres zu arbeiten. Vereinzelt werden – wie jüngst in Deutschland durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – sogar schon Rufe nach der Rente mit 70 laut.

Fünf Handlungsfelder

Die Unternehmen müssen also davon ausgehen, dass der Anteil älterer Mitarbeiter an ihrer Belegschaft steigt. Deshalb denken schon heute viele darüber nach, was dies für ihre Personalpolitik und -arbeit bedeutet. Und die Vorreiter unter ihnen versuchen bereits ein integratives Generationenmanagement zu entwickeln und in ihrer Organisation zu etablieren. Dabei sehen sie unter anderem folgende fünf Handlungsfelder:

• die Arbeitsgestaltung,

• die Laufbahngestaltung,

• die betriebliche Gesundheitsförderung,

• die Weiterbildung,

• das Entlohnungs- sowie Gratifikations- und Anreizsystem.

Befragungen älterer Mitarbeiten zeigen: Sie schreiben sich oft Stärken zu wie Präzision und Genauigkeit bei der Arbeit, Eigen-, Selbstständigkeit, hohe Arbeitsbereitschaft und Loyalität. Als tendenzielle Schwächen nennen sie hingegen geringere Innovationsfähigkeit und Kreativität sowie geringere Weiterbildungsbereitschaft.

Schleichende Dequalifizierung vermeiden

Gerade der Weiterbildungsbereitschaft kommt aber eine hohe Bedeutung beim Aufrechterhalten der Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu. Hierfür gilt es, neben den Mitarbeitern auch die Unternehmen zu sensibilisieren; ebenso dafür, die Weiterbildung langfristig zu planen – und zwar relativ früh, damit die Mitarbeiter auch im Alter 50 plus und 60 plus noch die benötigten Qualifikationen haben.

Dies ist wichtig, weil sich die beruflichen Anforderungen im Zuge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung immer schneller ändern. Deshalb kommt es im Verlauf des Berufslebens häufiger dazu, dass Qualifikationen entweder nicht mehr benötigt werden oder verkümmern, weil sie nicht mehr genutzt und weiterentwickelt werden. "Schleichende Dequalifizierung" ist denn auch ein Begriff, den man oft mit älteren Mitarbeitern in Verbindung bringt. Eine kontinuierliche bedarfsorientierte Qualifizierung im Sinne eines lebenslangen Lernens hilft, die (Lern-)Kompetenz der Mitarbeiter zu bewahren.

Generell gilt: Auch ältere Mitarbeiter sind lernfähig und -bereit. Sie lernen jedoch anders als ihre jüngeren Kollegen – unter anderem, weil sich die Lernpräferenzen im Laufe des Lebens ausdifferenzieren. Ältere Lerner müssen häufig auch anders motiviert und für Weiterbildung gewonnen werden – unter anderem, weil ihnen die Sinnhaftigkeit und Bedeutung des zu Lernenden sehr wichtig ist. Deshalb sollten die persönlich relevanten Weiterbildungsinhalte mit den Mitarbeitern ermittelt werden: "Was bringt Sie weiter?", "Was interessiert Sie?", "Was wollen, brauchen Sie?".

Proaktives Personalmanagement betreiben

Wichtig für das Bewahren der Lernfähigkeit und Motivation älterer Mitarbeiter ist ein dynamisches, proaktives Personalmanagement. „Dynamisch“ heißt anerkennen, dass die Passung „Person – Aufgabe/Funktion“ nicht statisch ist, sondern sich verändert: Persönliche Kompetenzen verändern sich, ebenso die Tätigkeiten.

Zentrale Elemente eines dynamischen, proaktiven Personalmanagement sind sowohl gezieltes Überlegen, an welchen Stellen ältere Mitarbeiter am besten eingesetzt werden können, eine Weiterbildung mit Fingerspitzengefühl (auf keinen Fall mit der Begründung: Alter), das Entwickeln individueller Karrierepfade mit den 50-plus-Mitarbeitern (zum Beispiel in Einzelgesprächen oder speziellen Seminaren), und ein Schulen der Führungskräfte zum Thema Altern (zum Beispiel: Wissen um altersbedingte kognitive Veränderungen; Kenntnis der altersabhängigen Veränderungen der Arbeitsmotivation und Ziele).

Veraltete Altersbilder über Bord werfen

In den meisten Unternehmen besteht ein Nachholbedarf beim Wissen über die tatsächlichen Veränderungen beim biologischen Altern. Damit einher gehen oft veraltete negative Altersbilder. Entsprechend wichtig ist eine Einstellungsänderung hinsichtlich des Themenkomplexes „Alter und Beschäftigungsfähigkeit“ in den Unternehmen – insbesondere in deren Personalabteilungen und Chefetagen.

Eine Einstellungsänderung zum Altern ist aber auch bei den Betroffenen nötig. Denn Studien belegen: Beschäftigte, die den Prozess des Altern nicht negativ begreifen, haben eine höhere Arbeitsmotivation und sind eher bestrebt, langfristig im Erwerbsleben zu bleiben. Und dies ist – betrachtet man den demografischen Wandel in den meisten EU-Staaten und die derzeitige Erwerbssituation der älteren Beschäftigten – nicht nur volkswirtschaftlich notwendig.

Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien (www. seminarconsult.at). Die Wirtschaftspsychologin und Autorin mehrerer Fachbücher ist seit 1990 in der Aus- und Weiterbildung tätig. Zudem bildet ihr Unternehmen Coaches, Trainer und Konfliktlotsen aus.