Welthandel : Marktwirtschaftsstatus: Peking warnt Europa vor einem Handelskrieg

Aus Angst um Jobs will die EU ihre Zusage nicht einhalten, China als Marktwirtschaft einzustufen. Denn das würde Schutzzölle gegen Billigwaren erschweren. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel steht vor einer schwierigen Reise.

Handelskrieg als worst case

Im Streit um die Einstufung Chinas als Marktwirtschaft hat Peking die Europäische Union vor einem Handelskonflikt gewarnt. Die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen könnten Schaden nehmen, wenn sich die EU weiter weigere, China den Status einer Marktwirtschaft zu gewähren, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Dienstag in einem Kommentar: "Das schlimmste Szenario könnte ein ausgewachsener Handelskrieg sein." Beide Seiten seien wichtige Exportmärkte füreinander. "Der Preis könnte viel zu hoch sein."

Sigmar Gabriel: "China kann den Status einer Marktwirtschaft erst bekommen, wenn es sich auch so verhält"

Die Gewährung des Marktwirtschaftsstatus würde China vor teuren Anti-Dumping-Klagen schützen - also Beschwerden, dass es seine Waren unter Preis auf den Markt wirft. Gerade in der Stahlkrise wird das Land beschuldigt, wegen seiner Überkapazitäten den Stahl viel zu billig anzubieten. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der am Sonntag mit Kanzlerin Merkel (CDU) zu Regierungskonsultationen nach Peking reist, hatte zuletzt für einen harten Kurs plädiert.

"China kann den Status einer Marktwirtschaft erst bekommen, wenn es sich auch so verhält", sagte Gabriel dem "Spiegel". Die Volksrepublik pocht aber darauf, dass ihr in Artikel 15 des Vertrages für den Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) 2001 versprochen worden war, 15 Jahre später als Marktwirtschaft anerkannt zu werden. Dieses Versprechen müsse termingerecht im Dezember erfüllt werden.

Ein tägliches Volumen von über einer Milliarde Euro

Eine Weigerung der EU, die Verpflichtung zu erfüllen, könnte China zwingen, rechtlich über den Streitbeilegungsmechanismus der WTO vorzugehen, schrieb Xinhua. China ist der zweitwichtigste europäische Handelspartner, handelt aber selbst mit niemandem mehr als mit den Europäern. Das täglich ausgetauschte Volumen beider Partner beläuft sich auf einen Wert von mehr als eine Milliarde Euro. Genau hier liegt auch der wunde Punkt von China - und deshalb hat auch Europa starke Argumente in der Hand.

Im Mai hatten sich die Abgeordneten des EU-Parlaments, die sich wegen chinesischer Billigimporte um Arbeitsplätze sorgen, gegen eine Einstufung Chinas als Marktwirtschaft ausgesprochen. Zwar ist der Beschluss nicht bindend, doch braucht die EU-Kommission am Ende die Zustimmung der Parlamentarier, wollte sie China den Status einräumen.

Deutscher Diplomat: "Es ist alles möglich"

Europäische Diplomaten warnen auch schon, dass beide Seiten auf einen "Handelskrieg zusteuern". "Der Druck im Kessel steigt", sagte ein EU-Diplomat der Deutschen Presse-Agentur. "Europa gerät immer mehr ins Fadenkreuz." Die Sprache habe sich zuletzt deutlich verschärft. Zudem sei China auch nach Ansicht europäischer Juristen rechtlich in einer guten Position. Deswegen sei es wichtig, möglichst bald einen Kompromiss anzustreben. Die Zeit werde knapp, sagte der Diplomat.

Unter der Hand drohe die chinesische Seite bereits mit Vergeltungsmaßnahmen gegen Unternehmen. "Es ist alles möglich", meinte der Diplomat. So könnte China seinerseits Anti-Dumping-Zölle erheben, Importlizenzen behindern und andere bürokratische Hürden aufbauen. "Anders als in Europa könnte es jede Maßnahme sein."

(von Andreas Landwehr, dpa/APA/red)