Standort Oberösterreich : MAN Steyr: Silberstreifen am Horizont

Kfz-Industrie Mergers&Acquisitions Arbeitnehmer Ober?sterreich
© FOTOKERSCHI.AT / APA / picturedesk.com

Anfang Mai läuft die Suche nach einem Rettungskonsortium für MAN Steyr mit hoher Schlag­zahl. Selbst Banken bringen sich als Teil einer möglichen Lösung ins Spiel. „Wir würden nicht Nein zu MAN sagen, wenn ein Konsortium einen wirklich zukunftsweisenden Plan auf den Tisch legt“, sagt Heinrich Schaller, Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, in einem Zeitungsinterview. Es gebe da nur ein Problem. Ein solches Konsortium sehe man „derzeit nicht“. An der Geschwindigkeit, mit der MAN „auf einen Käufer drängt“, stieß sich der mittlerweile in den Ruhestand getretene Betriebsratschef von MAN Steyr, Erich Schwarz.

Für Verstimmung sorgte die Endgültigkeit, mit der der MAN­-Vorstand argumentiert hatte. „Die Zukunftslösung ist einzig Wolf“, sagte Vorstandsvorsitzender Andreas Tostmann im Vorfeld der Belegschaftsabstimmung. Behält er am Ende recht?

Aufhellung in Sicht

Nach der zweiten Gesprächsrunde über den Sozialplan für das MAN Werk in Steyr klang es Mittwochabend allerdings so, als ob das Unternehmen und Belegschaftsvertretung sich erstmals etwas angenähert hätten. "Das Gesprächsklima ist konstruktiv gewesen", hielten Arbeiterbetriebsrat Helmut Emler und Angestelltenbetriebsrat Thomas Kutsam fest. Die Verhandlungen hätte "auf Augenhöhe" stattgefunden.

Nachdem im ersten Gespräch MAN seine Vorstellungen des Sozialplanes mit der Werksschließung zum Jahreswechsel 2022/23 präsentiert hatte, war am Mittwoch der Betriebsrat an der Reihe, erklärte Elmer. Die Konzernleitung habe "Entgegenkommen bei einem Sozialplan nach deutschem Vorbild", der auf freiwilligem Ausscheiden der Arbeitnehmer und Werks-Erhalt basiert, signalisiert, so Emler. "Zumindest gab es kein kategorisches Nein", ergänzte er.

Auch was das Thema Weiterführung des Standorts Steyr angehe, habe man Fortschritte bei der Frage möglicher Investoren gemacht. So sei festgehalten worden, dass Nachnutzungskonzepte unter Beteiligung der Mitarbeiter möglich seien. Voraussetzung sei jedoch, dass ein industrielles Konzept vorgelegt werde und künftig in Steyr keine Konkurrenzprodukte gefertigt werden. Die nächste Verhandlung findet am 12. Mai statt.

Klares Votum – und kein schneller Plan B: Was bisher geschah

Das einzige für MAN infrage kommende Konzept von Investor Siegfried Wolf hatte die Belegschaft mit einem überraschend klaren Votum abgelehnt. 64 Prozent stimmten für ein deutliches Nein. Doch wer im Anschluss mit einem schnellen medialen Durchsickern neuer möglicher Investoren rechnete, wurde jäh enttäuscht. Jenes österreichische Konsortium, das ein Green­-Mobility­-Konzept verfolgen soll, wagte sich – zumindest noch – nicht mit Details aus der Deckung. Und Mitte April drückte MAN bei der geplanten Schließung des Werks in Steyr sogar aufs Gas. So war in Unternehmenskreisen zu hören, dass bereits im Mai stufenweise die Produktion zurückgefahren werden soll. Auch wurde mittlerweile nicht mehr von einer Schließung bis 2023, sondern bis Ende 2022 gesprochen – eine Änderung des Wordings, denn gemeint war immer der Jahreswechsel 2022/23, die aber Druck macht.

Weitere schnelle Schritte in der Kommunikation: Kurz nach dem Votum hatte MAN bekannt gegeben, die Hälfte der rund 280 Leasingarbeitskräfte – in einem späteren Schritt auch die restlichen – abzubauen und erste Schließungsschritte einzuleiten. Ab Mai sollten nach und nach die Tagesquoten reduziert werden, hieß es. Davon betroffen: die Lkw­-Montage, die Fahrerhaus-­Ausstattung und die X­-Fahrerhausproduktion. Die Modifikation der schweren Fahrzeugreihe solle bis 3. Mai, die Sonderfahrzeuge­-Produktion bis Mitte des Monats auslaufen.

Sozialplan: Verhärtete Fronten weichen sich auf

So verhärtet dürften die Fronten in Sachen Sozialplan nicht mehr sein. Der Betriebsrat hat über „einen Sozialplan mit doppelter Freiwilligkeit“, wie er bei MAN in Deutschland gelte, geredet. Damit meint er, dass Arbeitnehmer nur von sich aus das Werk verlassen sollten und mit dem Sozialplan nicht die Schließung des Werks verbunden sein dürfe. MAN ging hingegen bisher davon aus, dass ein neuer Sozialplan auf Basis der Schließung verhandelt werden müsse und alle Mitarbeiter gekündigt würden. Das kategorische "Nein" gilt jetzt zumindest nicht mehr.

Gutachten als Flankendeckung

MAN hatte immer klargestellt, dass es für den Konzern keine andere Alternative zur Wolf­-Übernahme gebe als die Schließung des Werks mit rund 2.300 Beschäftigten inklusive Leasing-­Personal. Man pocht darauf, dass es keine anderen tragfähigen und nachhaltigen Angebote gebe. Zuletzt ließ sich die Führung des deutschen Konzerns dies sogar von der Boston Consulting Group durch ein Gutachten bestätigen. Demnach habe die WSA als einziger Interessent ein „belastbares und zukunftsfähiges industrielles Konzept“ für eine Übernahme des MAN-­Standorts Steyr vor­ gelegt. Alle anderen Interessenbekundungen – etwa auch jene des Konsortiums LGG Industriebeteiligungen – seien inhaltlich unvollständig gewesen und deshalb zu Recht nicht weiter in Betracht gezogen worden.

Angebote aus Polen – und Schützenhilfe

Die WSA habe dagegen ein vollumfängliches Angebot vorgelegt, inklusive Produkt und Absatzkonzept, Sozialplan und eines Konzepts bezüglich finanzieller Umsetzung sowie offengelegter Produktions­- und Mitarbeiterplanungen. Ein Szenario, das Raiffeisen­-Chef Schaller nicht im Detail kenne. Er aber glaube, „dass Wolf das könnte“. Aber der Zug dürfe „abgefahren sein“, so der Banker. In­dessen sollten Angestellte von MAN offenbar Angebote für andere Standorte erhalten haben, wie Angestelltenbetriebsrat Thomas Kutsam sagte. So sollten Mitarbeiter aus der Planung gefragt worden sein, ob sie eventuell in ein Werk nach Polen wechseln würden. Beschäftigte aus der EDV und Technik erhielten demnach Angebote für deutsche Standorte. Und es gibt Schützenhilfe aus Niederösterreich: Dort er­ klärten sich zuletzt 1.666 Betriebsräte solidarisch mit der Situation der Beschäftigten bei MAN in Oberösterreich.