Automobilindustrie : Kartellermittlungen: Razzia bei BMW in München

Wegen der Kartellvorwürfe gegen deutsche Autobauer ist die EU-Kommission Ende vergangener Woche bei BMW zur Razzia angerückt. Am Firmensitz in München sammelten Wettbewerbshüter kürzlich bei einer sogenannten Nachprüfung Informationen und kopierten Daten. Das teilten die Behörden und das Unternehmen mit.

Darum geht es

Die Bayern sowie Daimler und VW samt den Töchtern Audi und Porsche sollen sich jahrelang in geheimen Zirkeln über ihre Autos, Kosten und Zulieferer ausgetauscht haben. Solche Absprachen unter Autobauern sind durchaus üblich - zum Beispiel, um Standards für die Ladung von Elektroautos abzusprechen. Die Frage ist aber, ob in diesem Fall eine Grenze überschritten wurde.

Ob es zuvor bereits andere Durchsuchungen gab, ließ die EU-Kommission offen. Sie wies darauf hin, dass unangekündigte Inspektionen ein erster Schritt in den Ermittlungen seien und nicht bedeuteten, dass sich ein Unternehmen etwas zuschulden habe kommen lassen.

BMW: Kein formelles Verfahren eingeleitet

BMW betonte, dass kein formelles Verfahren gegen den Konzern eingeleitet worden sei. Man unterstütze die Kommission bei ihrer Arbeit. BMW-Rivale Daimler beantragte in diesem Fall Kronzeugenstatus und damit Bußgeldimmunität, wie Finanzchef Bodo Uebber sagte.

Die Kartellvorwürfe waren im Sommer publik geworden. Das Magazin "Der Spiegel" berichtete damals, dass sich die fünf führenden Automarken - neben BMW und Mercedes auch Volkswagen, Audi und Porsche - seit den 90er-Jahren rechtswidrig in geheimen Arbeitskreisen über Fahrzeugtechnik, Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgestimmt hätten. Die EU-Kommission habe bereits Unterlagen beschlagnahmt und erste Zeugen befragt.

Ärger bei BMW über den Stuttgarter Rivalen

Der deutsche Autobauer BMW ist verärgert über die Anträge von Daimler und Volkswagen, im Fall des Kartellverdachts gegen die deutsche Autoindustrie als Kronzeugen zur Aufklärung beizutragen. "Wir waren irritiert", sagte BMW-Einkaufsvorstand Markus Duesmann der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

"Im Rückblick ist es ein komisches Gefühl, dass wir mit den Wettbewerbern über Zusammenarbeit redeten, während deren Juristen die Zusammenkünfte schon angezeigt hatten bei den Wettbewerbsbehörden", so Duesmann.

Schwere Vorwürfe

Treffen die Vorwürfe zu, könnte es sich um eines der größten Kartelle der deutschen Wirtschaftsgeschichte handeln. Experten zufolge drohen Strafen in Milliardenhöhe - vom Imageschaden für die Branche, die wegen des Dieselskandals unter Druck ist, ganz zu schweigen.

BMW wies darauf hin, dass dem Konzern keine Abgasmanipulation vorgeworfen werde. Die Münchner äußerten sich nicht dazu, was genau ihnen zur Last gelegt wird, und wie die EU-Kommission und das Bundeskartellamt bei ihrer Visite am Montag vorgingen. BMW lässt die Kartellvorwürfe seit einigen Monaten von internen Fachleuten und externen Juristen prüfen.

Daimler zeigt sich selbst an

Von den Autobauern, die an dem Kartell beteiligt gewesen sein sollen, hat sich Insidern zufolge Daimler als erster bei den Wettbewerbshütern selbst angezeigt - noch vor VW. So könnten die Stuttgarter mit einem blauen Auge davonkommen.

Kronzeugen gehen in der Regel in einem Kartellverfahren straffrei aus. Uebber sagte, es sei noch immer kein förmliches Verfahren eröffnet. Rückstellungen müsse der Konzern dafür nicht bilden. (reuters/dpa/apa/red)