Stahlbau : Ein Wiener Stahlbauer seit 1854: Die besondere Geschichte von Waagner-Biro

Der von der Pleite bedrohte Wiener Stahlbauer Waagner-Biro blickt auf eine lange Firmengeschichte zurück. Aus einem kleinen Schlossereibetrieb wurde - wie aus dem Geschäftsbericht 2017 hervorgeht - ein globaler Konzern mit Niederlassungen in 1.476 Mitarbeiter an 16 Standorten in Europa, Asien und dem Mittleren Osten. In Österreich beschäftigt Waagner-Biro aktuell rund 170 Mitarbeiter.

Der erste Auftrag kommt von der Wiener Staatsoper - im Jahr 1855

Es ist der 16. Oktober 1854, als Rudolph Philipp Waagner vom Magistrat der Stadt Wien die Eisenhandelsgerechtigkeit erhält - der Tag gilt als das Gründungsdatum von Waagner-Biro. 1905 erfolgte die Fusion zur "Aktien-Gesellschaft R. Ph. Waagner - L. und J. Biró & A. Kurz". Im Jahr darauf stattete das Unternehmen die Wiener Staatsoper mit der Bühnentechnik aus.

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1924 wurde der bis heute gültige Firmenname "Waagner-Biro" eingeführt, wie in der Unternehmenswebseite nachzulesen ist.

Heute sind die Industriellenfamilie Liaunig und Thomas Jost gemeinsam die Mehrheitseigentümer von Waagner-Biro. Rund 39 Prozent der Anteile werden im Streubesitz gehalten. Um die Jahrtausendwende waren die Aktien auch an der Wiener Börse gelistet.

In den vergangenen vier Geschäftsjahren schrieb Waagner-Biro stabile Gewinne in der Höhe von jährlich rund zehn Millionen Euro. Die Jahresumsätze gingen von je 250 Mio. Euro 2014 und 2015 auf jährlich rund 190 Mio. Euro in den Jahren 2016 und 2017 zurück.

Von Wien über Rotterdam bis zum Tigris - und Sydney

Der Brückenbau war in 160-jährigen Firmengeschichte einer der großen Wachstumstreiber: Schon in der Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1939 errichtete Waagner-Biro in Wien zahlreiche Brückenbauten, darunter Schwedenbrücke, Friedensbrücke sowie die Floridsdorfer Brücke. In den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Stahlbauer dann ebenfalls am Bau vieler Brücken in Wien beteiligt. Auch in die Wiederherstellung der in den letzten Kriegstagen schwer beschädigten Staatsoper und Burgtheater ist Waagner-Biro involviert.

Die Lieferung der Adhamiyah Bridge über den Tigris in Bagdad im Irak 1953 markierte für Waagner-Biro das erste internationale Nachkriegsprojekt im Brückenbau. Vier Jahre später macht der Export schon 40 Prozent des Umsatzes. Allein in Indonesien hat Waagner-Biro bis heute mehrere tausend Brücken gebaut.

Tirol, Salzburg, London, Berlin und Hamburg

1960 erhält Waagner-Biro den ersten Auftrag an der in Bau befindlichen Oper in Sydney: Die Stützkonstruktion der Betonschalen, der berühmten "Shells", die das Dach ausmachen, werden von Waagner-Biro Stahlbau geliefert, später folgt die Bühnentechnik.

Die Liste berühmter Bauwerke, an denen Waagner-Biro die Finger im Spiel hat, wurde über die Jahrzehnte immer länger: Die Europabrücke in Tirol als eine der höchsten Pfeilerbrücken Europas 1962 oder Sanierung der Kuppel des Berliner Reichstages 1999. Red Bulls Hangar-7 in Salzburg geht ebenso auf das Konto von Waagner-Biro wie der Gherkin in London.

Zuletzt baute Waagner-Biro auch an der Elbphilharmonie in Hamburg mit. Von den Wienern stammen Teile des Stahlbaus und die Bühnensysteme des Hauses.

Botlek: Größte jemals gebaute Hubbrücke

Beim Ingenieurbau zählt die Botlek-Brücke im Hafen von Rotterdam zu den herausragenden Projekten von Waagner-Biro. Botlek ist die größte jemals gebaute Hubbrücke. Die Brücke besteht aus zwei Stahldecks. Jedes dieser Stahldecks ist 92 Meter lang und kann sich 46 Meter über die Wasseroberfläche heben. Über die Brücke führen fünf Autobahnspuren, ein Radweg und zwei Eisenbahngleise. Letzteres bedeutet, dass die Stahldecks von ihrer Höhe herabsinken und sich wieder auf den Millimeter genau an ihren Platz setzen müssen - und das dutzende Male am Tag.

Der fatale Auftrag in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Für den Louvre in Abu Dhabi baute Waagner-Biro ein Kuppeldach mit 178 Meter Durchmesser aus Stahl und Aluminium und wurde dafür 2017 mit den European Steel Building Award ausgezeichnet. Ausgerechnet dieses Bauwerk dürfte allerdings einer der Auslöser der Krise sein, weil die Araber ausstehende Zahlungen einfach nicht bezahlen. (pm mit apa)