HMI : Die fünf Megatrends der Hannover Messe 2018

Ronald Naderer ist keiner, der auf Schritt und Tritt den Chronisten mitführt. Aber natürlich gab es sie, die Momente auf der Hannover Messe, an die er sich besonders gern zurückerinnert. 2016 war so ein Jahr. Obama war da, die USA das Partnerland, und Naderer konnte einige gute Kontakte knüpfen. "Wir fädelten mehrere Projekte mit US-Firmen ein", erzählt der Ferrobotics-Chef. Heuer könnte es ähnlich gut laufen. Die Auftragsbücher im verarbeitenden Gewerbe sind voll, die Konjunkturprognosen ausgezeichnet - und mit Mexiko ist ein Partnerland am Start, das Naderer reizt: Bei namhaften in Mexiko produzierenden Automobilisten aus Europa und den USA sei man bereits an Bord. Nicht aber bei deren lokalen Zulieferern. "Die werden wir auf der Messe kennenlernen", sagt Naderer. Auch Innovationen wird Naderer erleben. Und zwar nicht zu knapp. Es geht an die letzten Grenzen der Produktionssysteme. Fünf Stärkefelder, die Industrieunternehmen heuer in Hannover erwartet.

Roboter: Der dritte Mann

Das Ende vom Bruderkomplex: Kollaborative Roboter bahnen sich ihren Weg in Unternehmen aller Größen vor. Und sind zumeist geduldet.

Mehr Leistung, weniger Bedienungsanleitung: Einfachautomatisierung ist am Vormarsch. "Das Programmieren eines Roboters ist heute so einfach wie das Einschrauben einer Glühbirne", heißt es in der Automatisierungszene. Große Worte, die es Unternehmen, die ihren Automatisierungshunger stillen wollen, nicht leichter machen: Einweg-PR und echte Innovation ist nicht immer auf dem ersten Blick auseinanderzuhalten - erst recht nicht auf der publicity-starken HMI. Kar ist: Am Teachen - und wie einfach es zum derzeitigen Stand wirklich ist - scheiden sich auch 2018 die Geister. Nicht aber am Leistungsversprechen smarter, kollaborativer Automatisierungstechnik. Kein Aussteller kann es sich mehr leisten, ohne handfeste Lösungen für Mensch-Maschine-Kooperation nach Hannover zu reisen. Versuche, flexible und mit Intelligenz ausgestattete Roboter in den Arbeitsalltag von Werkern zu integrieren, laufen bereits auf Hochtouren in der Industrie - schlag nach bei BMW in Steyr. Und die Aktionsradien von Robotern werden auch in Laufmetern gemessen größer. Smarte Materialtransporte aus dem Warenlager direkt an die Montage sind - dank Robotikunternehmen wie MIR kein Wunschtraum mehr.

IOT-Betriebssysteme: Fischen im Nutzerpool

Wenn Maschinenbauer den freien Handel von Daten entdecken: Internet-of-things-Plattformen sind der heimliche Renner der HMI.

Konspiratorische Züge hatte das Treffen Ende Januar in Berlin nicht. Gruppendynamisch wertvoll war es allemal: 18 Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau traten mit Siemens an, um einer Nutzerorganisation rund um das Siemens-Betriebssystem MindSphere den freudigen Startpunkt zu setzen. Darunter: Kuka, Rittal, Trumpf und andere, die auch keine Leichtgewichte sind. Wie eine ganze Branche Zukunftsmut schöpft, war interessant. Aus der Evolutionsperspektive heraus aber viel spannender zu beobachten: Wie der noch stark zerfaserte Plattformmarkt - bis dato unaufhörlich wachsend und mit reichlich Mitbewerb gesegnet - in seine ersten Konsolidierungsjahre geht. Folgerichtig sind auch all die großen Plattformanbieter wie Microsoft oder SAP auf der HMI gesetzt. Die Chancen, dass das Thema bei den Besuchern durchfällt, ist gering: Digitale Geschäftsmodelle sind gesuchter denn je. "Unternehmen aus allen Branchen, aber vor allem aus der Old Economy, müssen jetzt handeln, um nicht abgehängt zu werden", sagt Alexander Windbichler, Geschäftsführer Anexia. Es sei keine Zeit mehr, zeitaufwendige Evaluierungen durchzuführen", sagt er. Eine dynamische und bedarfsorientierte Skalierung sei "absolut relevant". Auch bei Marketingprozessen will man Synergien heben. Durch den Einsatz innovativer Cloud-Lösungen sämtliche Schritte der Planung, Koordination und Auswertung im Marketing in digitale Prozesse gewandelt und optimiert werden. "Unsere Empfehlung für 2018 ist daher eine Prüfung der eigenen Marketingprozesse auf Ihre Zukunftssicherheit", schildert Peter Ramsenthaler, Gründer und Geschäftsführer Upper Network.

Energieeffizienz: Aufruhr im Green Belt

Nackte Zahlen statt Ökokult: Die betriebliche Energieeffizienz wird von den Digitalisierern usurpiert - ein Glücksfall.

Seit geraumer Zeit sind die Energiepreise nun schon im Keller. Das Thema Energiesparen wegzulegen wie ein Findelkind verbittet sich die Industrie dennoch hartnäckig. Zu süß die kulminierten Einsparpotentiale, die jede noch so kleine Maßnahmen am Ende des Tages bringen kann. Ersichtlich wird das auch in Hannover. Im Vorjahr startete die Deutsche Messe im Rahmen der Leitmesse Energy erstmals mit der Sonderschau Digital Energy - und fiel damit nicht auf die Nase. „Wegen großen Erfolgs wird sie heuer fortgesetzt“, heißt es im Messeumfeld. Soll heißen: Sie wird noch größer, prachtvoller. Auch Hacker und Blockchainer finden sich ein. Überhaupt platzt die HMI in Sachen Energietechnik wieder aus allen Nähten. Allein die Messeauftritte von ABB und Siemens sind eigene Kosmen. ABB wird neueste Produkte auf Basis von Ability, der IOT-Plattform der Schweizer, zeigen. Im Fokus unter anderem steht die intelligente Zustandsüberwachung von Energieverbrauchern. Aber eben auch Erzeugern.

Augmented Reality: Vom Showcase ins Werk

Ausprobiert wird schon: Datenbrillen bahnen sich als Allzweckwaffe ihren Weg in die Produktion.

Etwas revierfremd sehen sie schon noch aus, wie sie so mit Blaumann und Datenbrille auf der Nase durch die Fertigung wandeln. Aber das wird sich geben. Nicht wenige meinen, dass Augmented Reality, das Überlagern des Echten mit virtuellen Daten, bald gelebte Fertigungspraxis ist. Etwa in der Montage kompexer Maschinen oder ihrer Wartung. Wer das für Schnickschnack hält, ist derzeit noch vielleicht in der Überzahl. Aber die ersten rechnen schon nach, welche Kostenersparnis digitale Helferleins bringen. Showcases sonder Zahl zur argumentativen Untermauerung gibt es auf der HMI. „Unternehmen sagen nicht mehr entweder-oder. Sie wollen beides: Produktionsketten virtuell simulieren können. Aber auch die Virtualität bei Service und Produktentwicklung nutzen“, heißt es im Messeumfeld.

Superwerkstoffe: Material mit Potenzial

Werkstoffe für morgen: Auf der HMI trifft sich die Werkstoffelite - und Unternehmen partizipieren mit.

Es sind die Wissenschaftler, die Grenzen verschieben. Die nicht nur dafür kämpfen, was ihnen selber wichtig ist. Materialforscher sind noch einmal ein anderes Kapitel. Im Kleinen schaffen sie großes. Materialien, die seit Jahrhunderten als erforscht gelten, entlocken sie immer wieder neue Eigenschaften, kombinieren sie raffiniert oder ändern sie ab. Es hat Tradition, dass sich in Hannover Werkstofflabors immer schon ziemlich präsentabel zeigten. Flaumleichte Schäume? Superlegierungen? Ultrafeste Stähle oder Supraleiter? All das findet sich in Hannover. Heuer im Fokus: Der Leichtbau. Angesprochen darf sich also jeder fühlen.