Digitalisierung : Das kann iOS für die Produktion

Die Vision zum Leben erwecken: Schon bald sollen die unzähligen Fassaden, die FunderMax produziert, als Augmented Reality visualisiert werden – mit Berücksichtigung aller relevanten Faktoren: Wetter, Jahreszeit, Lichteinfall. Modernste Technologien schaffen eine virtuelle Realität, die Endkunden bereits einen Blick auf ihr künftiges Bauprojekt ermöglicht. Ein nachvollziehbarer Wunsch. Denn die Kunden des Unternehmens sind vor allem Planer und Architekten, die die FunderMax-Dekore und Werkstoffe in ihre eigenen Bauprojekte integrieren. Je mehr Varianten sie durchprobieren können, je stärker sie auch Außeneinflüsse simulieren können, desto besser für ihr Projekt. „Im Endausbau werden Kunden ihre 3D-Modelle hochladen und individuell digital gestalten können. Der Architekt kann seinen Entwurf dann zum Beispiel in einer Winterlandschaft oder bei Sonnenuntergang darstellen und entscheiden, welches Dekor seinen Intentionen am besten entspricht“, erklärt Hartwig Schwarzlmüller, der bei FunderMax als Vice President das IT-Management leitet.

So weit ist man derzeit zwar noch nicht, doch die App, mit deren Hilfe das in St. Veit an der Glan ansässige Unternehmen seine Visualisierungsziele erreichen will, ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass sie im Frühjahr beim Mobile World Congress in Barcelona vorgestellt wurde – einem der weltweit wichtigsten Foren für digitale Innovation.

Optimales Usererlebnis

Bevor es allerdings soweit war, stand FunderMax vor einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung: Architekten sind, wie die meisten anderen Vertreter der Kreativbranche auch, habituell Apple-verliebt. Die produzierende Industrie und deren IT- Partner bewegten sich hingegen in den vergangenen Jahren eher im Microsoft-Kosmos. Eine Anwendung zu entwickeln, die von der Produktionsseite kommt und dennoch auf mobilen Apple-Endgeräten wie iPad oder iPhone zuverlässig läuft und dazu auch noch gut ausschaut, erschien daher zunächst fast unmöglich.

Die Lösung des Problems ergab sich letztlich aus der Tatsache, dass der digitale Kern von FunderMax bereits seit rund drei Jahren auf der SAP-HANA-Plattform läuft. Um Anwendungen, die von dort ihre Daten beziehen, auf Endgeräten mit Apples iOS-Betriebssystem darstellen zu können, hat SAP die Designsprache SAP Fiori for iOS entwickelt. Damit können Entwickler Front-Ends für SAP-Produkte schaffen, die an das Apple-Design und das damit verbundene Usererlebnis schon ziemlich nahe herankommen.

Vor etwa einem Jahr entschied sich SAP dazu, allen Apple-Gewohnten noch ein weiteres Stück Bequemlichkeit zu bieten und in Kooperation mit Apple Anwendungen zu entwickeln, die als originäre Apple-Apps gestaltet sind und die auch im Apple-Shop gekauft werden können. Die Idee dahinter: Egal ob Außendienstmitarbeiter, Servicetechniker oder Verkäufer – die Nutzer sollen die für ihre Arbeit nötigen Tools auf exakt die Art auf ihren iPads oder iPhones bedienen können, die sie auch aus ihrem Privatumfeld gewohnt sind. Die FunderMax-Lösung ist eines der ersten Ergebnisse der zu diesem Zweck vereinbarten Kooperation.

Sie ist aber auch ein Zeichen für einen neuen Trend. Denn seit einiger Zeit drängt Apple, bislang sehr stark auf den End-User fokussiert, mit seinen mobilen Geräten verstärkt in die Industrie. Dass man dabei die SAP als Partner gewählt hat, ist kein Zufall, wie Christoph Kränkl, Bereichsleiter Industrie bei SAP Österreich, erklärt: „Hier treffen sich zwei Interessenslagen, die sehr gut zueinander passen. Einerseits bieten Apple-Apps die Möglichkeit, die Front-Ends von SAP-Anwendungen noch benutzerfreundlicher und schöner zu gestalten, andererseits profitiert Apple von unseren Plattformen, um Industriekunden zu gewinnen, weil diese dann in Echtzeit auf ihre Kerndaten und Prozesse zugreifen können.“

Wie riesig das Potenzial an solchen Kunden ist, belegen auch Zahlen: 76 Prozent aller Geschäftstransaktionen laufen über SAP-Systeme. Weltweit gibt es rund 2,5 Millionen SAP-Entwickler. Wenn diese nun auch native Apple-Apps bauen können, kann das Apple den entscheidenden Impuls geben, um auch in die Kernbereiche der industriellen Produktion vorzudringen und die digitale Transformation der dortigen Geschäftsmodelle.

Die digitale Transformation ist ein Punkt, den auch Hartwig Schwarzlmüller für essentiell hält. Denn die FunderMax-Fassaden dem Kunden möglichst optimal zu präsentieren, sei nur ein Vorteil der in seinem Unternehmen stattfindenden digitalen Veränderung, der andere betreffe wichtige strategische Entscheidungen: „Wir können über die App viel besser erfassen, welche Dekore und Werkstoffe besonders nachgefragt sind und welche weniger. Dadurch können wir uns noch besser auf die Wünsche der Kunden einstellen.“

Die nächsten Schritte in der Digitalisierungsstrategie des Unternehmens sind bereits vorgezeichnet. In Zukunft soll die FunderMax-App nicht nur 3D-Modelle liefern, die alle nur denkbaren Außeneinflüsse mitberücksichtigen, sondern die jeweiligen Varianten auch durchkalkulieren können. Und wenn die Integration der Daten eines Tages wirklich durchgehend ist, dann ist auch vorstellbar, dass in dem Moment, in dem ein Kunde sich für eine bestimmte Lösung entscheidet, die App im Hintergrund die nötigen Bestellvorgänge auslöst, damit die georderten Elemente just-in-time produziert werden können. „Bis dorthin haben wir aber noch ein gutes Stück zu gehen“, räumt Schwarzlmüller ein.