Chemische Industrie : Das allgegenwärtige Gift - die Industriechemikalie BPA

Seit Einführung der Registrierkassenpflicht bekommt man für jeden noch so kleinen Einkauf einen Kassabon. Neun von zehn Thermopapier-Rechnungen enthalten laut dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) immer noch Bisphenol A (BPA). Nur die großen Supermarktketten verzichten mittlerweile weitgehend darauf.

VKI: Chemikalie auf neun von zehn Kassabons

Vor sechs Jahren hatte der VKI den Stoff noch in jedem Supermarkt-Bon gefunden. Für den aktuellen Test wurden knapp 340 Kassazettel aus Geschäften aller Art analysiert, von Apotheken über Supermärkte und Tankstellen bis zur Gastronomie sowie Bahntickets, Klebeetiketten und Leergutbons. Auch Rechnungen in Parkhäusern sind übrlicherweise auf Thermopapier gedruckt.

Nur 30 Rechnungen waren BPA-frei. Der Großteil enthielt mehr als 10.000 Milligramm Bisphenol A je Kilogramm Thermopapier. "Erstaunlich viele stark belastete Bons stammten aus Apotheken, die meisten aber aus der Gastronomie", berichteten die Tester.

Das meiste BPA nimmt man über Lebensmittel auf, vor allem durch Kunststoffe wie Trinkflaschen, Vorratsdosen und Verpackungen. Die zweitgrößte Quelle für den Kontakt stellt das Thermopapier dar, schätzt die European Food Safety Authority (EFSA). Bisphenol A dient als Entwicklersubstanz beim Drucken der Bons.

Das Gift um uns - und in uns

Bisphenol A (BPA) wird in der Herstellung von Thermopapier verwendet, aus dem die meisten Kassenbons und Tickets bestehen.

Die Chemikalie ist auch ein zentraler Grundstoff für die Herstellung des Kunststoffes Polycarbonat, aus dem unzählige Gebrauchsgegenstände im Alltag gemacht sind.

So beinhalten Wasserflaschen aus Plastik und die Innenbeschichtung in Bierdosen und Konservendosen BPA. Die Chemikalie findet sich aber auch in Lebensmittelverpackungen, Kinderspielzeug, Elektrogeräten, CD-Hüllen, Baumaterialien oder in der Beschichtung ganzer Trinkwasserleitungen, deren ältere Auskleidungen mit Epoxidharz saniert werden, der wiederum BPA enthält.

Die Industriechemikalie, von der jährlich weltweit Millionen Tonnen produziert werden, ist in Europa und den USA im Urin der meisten Menschen nachweisbar. Zu den weltweit größten Herstellern gehört der deutsche Chemieriese Bayer sowie die US-Konzerne Dow Chemicals und Hexion, aber auch Nan Ya Plastics und Chang Chun Plastics, beide aus Taiwan.

Auswirkungen - nachgewiesen und vermutet

Auf der Homepage des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung kann man nachlesen, es seien "bisher keine gesundheitsschädlichen Niedrigdosiseffekte von Bisphenol A verlässlich identifiziert."

Eine überraschende Stellungnahme - oder eine veraltete. Denn gegenüber der Zeitung "Die Welt" meinte Wissenschaftler Detlef Wölfle vom selben Bundesinstitut für Risikobewertung: "Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Bisphenol A auch in geringen Dosen die Genregulation und das Verhalten von Versuchstieren beeinflusst. Inwieweit dies auf den Menschen übertragbar sei, weiß man allerdings nicht."

Schäden bei der Fruchtbarkeit von Männern und der Hirnentwicklung von Babys

Forscher vermuten, dass BPA auf Enzyme einwirkt, welches das Ablesen von Genen regulieren. Bereits nachgewiesen wurde in Studien in den USA, dass die allgegenwärtige Plastikchemikalie Männer unfruchtbar macht.

Nachgewiesen ist auch, dass der Stoff bereits im Mutterleib in die Hirnentwicklung noch ungeborener Kinder greift, so Ergebnisse einer Untersuchung der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA. Neben vielen anderen Studien wiesen etwa auch Wissenschaftler der amerikanischen Columbia University bei Tieren die massiven schädlichen Auswirkungen auf Fortpflanzung und Erbmaterial nach.

Laut der deutschen Umweltorganisation B.U.N.D. gehört Bisphenol A zu den hormonellen Schadstoffen, die bereits in winzigen Mengen in den menschlichen Hormonhaushalt eingreifen können.

Laut der Umweltschutzorganisation Global 2000 wird BPA ferner in Verbindung gebracht mit der Fehlbildung der Geschlechtsorgane, mit Lernstörungen bei Kindern und hormonell bedingten Krebsarten wie Hoden-, Prostata- oder Brustkrebs.

Verbot in Babyflaschen erfolgt, Verbot bei Thermopapier soll 2020 kommen

Während BPA in der Innenbeschichtung bei praktisch allen Bierdosen und Konservendosen in Europa verarbeitet ist, ist hier ein Verbot nicht in Sicht.

In den USA hat die Gesundheitsbehörde des Landes zumindest eine Empfehlung ausgesprochen, Konserven ohne BPA zu produzieren. Einzig Japan zeigt, dass es anders geht: Dort hat die Industrie auf Warnungen der Gesundheitsbehörde reagiert und bietet seit 20 Jahren BPA-freie Konserven an.

Nachdem Dänemark und Frankreich bereits vor Jahren die Substanz in Babyflaschen verboten haben, folgte die EU mit einem Verbot in allen Mitgliedsstaaten. Seither dürfen in Europa Babyflaschen, die PBA enthalten, nicht mehr verkauft werden.

Seit zwei Jahren fordert die europäische Chemikalienagentur ECHA auch ein Verbot von Bisphenol A in Thermopapier: Die Risiken für Angestellte, die täglich mit Tickets oder Kassenbons hantierten, seien "nicht ausreichend beherrschbar".

Nach jahrelangem Druck von Umweltschützern hat die EU die Verwendung von BPA bei Thermopapier beschlossen - allerdings erst ab Jänner 2020.

(red/apa)