Flugzeugindustrie : Chinesische Konkurrenz für Boeing und Airbus - mit Komponenten aus Oberösterreich

Beim Bau von Flugzeugen wollen Russland und China jetzt gemeinsam der Übermacht westlicher Hersteller die Stirn bieten. Dazu haben die staatlichen Konzerne beider Länder, die Commercial Aircraft Corporation of China (Comac) und die russische United Aircraft Corp (UAC) eine Gemeinschaftsfirma gegründet.

Das Ziel der Kooperation mit Sitz in Shanghai: Einen neuen Flieger für die Langstrecke zu entwickeln, der den Platzhirschen Airbus und Boeing Marktanteile abjagen soll. Die neue Maschine soll C929 heißen, 280 Sitze haben und mit einer Reichweite von 12.000 Kilometern glänzen. Im Visier sind ausdrücklich die Großraumflieger Airbus A350 und Boeing 787.

Und wenn der Jet eines Tages abhebt, ist es sehr wahrscheinlich, dass er Technologie aus Oberösterreich an Bord haben wird - und zwar von FACC.

Durchbruch der chinesischen Luftfahrtindustrie vor wenigen Tagen

Doch vorerst existiert das Flugzeug allerdings nur auf dem Papier. Während Russland schon seit den Zeiten der Sowjetunion auf eine stolze Tradition im Flugzeugbau zurückblicken kann, sind die Erfolge der Chinesen bei dieser Hochtechnologie überaus bescheiden - auch wenn sie inzwischen Raumschiffe ins All schießen und Hochgeschwindigkeitszüge bauen. Lediglich den kleinen Regionaljet ARJ-21 brachte der Staatskonzern Comac bisher in die Luft.

Das ist seit diesem Mai anders. Vor wenigen Tagen konnte Comac seinen bisher größten Erfolg feiern: Den Jungfernflug des Mittelstreckenfliegers C919. Mit heulenden Turbinen hob Chinas erste größere, selbst gebaute Passagiermaschine ab und drehte eine Runde über den Köpfen von Kameraleuten des Staatsfernsehens. Auch diese Maschine soll mit einer Reichweite von 4.000 Kilometern auf der Mittelstrecke direkt den europäischen Kassenschlager Airbus A320 sowie Boeing 737 angreifen.

Komponenten aus Oberösterreich an Bord

An Bord während des Jungfernflugs des C919 über Shanghai: Komponenten des heimischen Herstellers FACC. Von den Oberösterreichern kommen die Störklappen (das sind die beweglichen Steuerelemente im Flügel), die Winglets (die gebogenen Enden der Tragflächen) sowie das Design der Kabine, des Cockpits und der Bordküche.

Bereits seit 13 Jahren arbeiten die Oberösterreicher an der Entwicklung des chinesischen Mittelstreckenflugzeugs mit. Das ist kein Zufall: FACC gehört bekanntlich selbst zum chinesischen Flugzeugbauer und Militärkonzern Avic.

Der Hersteller mit der Zentrale in Ried im Innkreis ist aber auch sonst ein begehrter Zulieferer der Flugzeugindustrie. Die Spezialität der Oberösterreicher sind Komponenten und Systeme aus Faserverbundwerkstoffen. Ihre Produktpalette reicht von Bauteilen an Rumpf und Tragflächen über Komponenten in Triebwerken bis zu ganzen Passagierkabinen.

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Ein schwieriger Start für Chinas Luftfahrtindustrie

Es ist kaum anzunehmen, dass das neue russisch-chinesische Projekt auf die Kenntnisse der Oberösterreicher verzichten wird. Denn ein zentrales Kriterium der Komponenten von FACC ist ihre Leichtigkeit. Und genau beim Thema Gewicht und damit dem hohen Kerosinverbrauch sehen Beobachter eines der größten Probleme der Chinesen - allerdings bei weitem nicht das einzige.

Wie schwierig es ist, ein Flugzeug neu zu entwickeln, zeigt schon der Zeitplan für den C919. Laut mehrfacher Ankündigung hätte das Modell bereits im Vorjahr fertig sein sollen. Doch nach dem jetzt erfolgten Jungfernflug sind noch zwei bis drei Jahre an Tests nötig, bis die Maschine bereit ist für den Massenmarkt.

Beim geplanten russisch-chinesischen Langstreckenflieger C929 dürfte der Weg noch weiter sein. Mit dem Jungfernflug rechnet der russische Konzern UAC frühestens im Jahr 2025.

Ein zweischneidiges Schwert für westliche Hersteller

Auch sonst ist die Flugzeugindustrie Chinas vorerst auf den "Transfer" von Technologie aus dem Westen angewiesen. Schon vor Jahren hat Peking die Konzerne Airbus und Boeing dazu verdonnert, bei den für den chinesischen Markt bestimmten Flugzeugen gemeinsam mit Comac Fabriken zur Endmontage in China zu betreiben.

Und das ist für die westlichen Hersteller ein zweischneidiges Schwert. Denn Airbus und Boeing können damit viel mehr Maschinen in China verkaufen - geben aber gleichzeitig viel Wissen an die Chinesen preis, die bei der "Übernahme" von Technologien bekanntlich keine Zeit verlieren. Das zeigt sich gerade in diesen Tagen bei der Bahnindustrie rund um Siemens, Alstom und Bombardier, die heute mit einem neuen, bedrohlich großen Hersteller aus China konfrontiert sind - mehr dazu hier.

Angesichts bisheriger Verzögerungen werde Comac der westlichen Konkurrenz trotzdem "um Jahre hinterherhinken", so der Flugzeugexperte und Autor Derek Levine gegenüber der Deutschen Presseagentur. Zwar werde der chinesische Staatskonzern seine Maschinen dank massiver staatlicher Hilfe günstiger anbieten können - doch der höhere Kerosinverbrauch werde den Kostenvorteil schnell zunichte machen.

Marktentwicklung spricht für FACC - so oder so

Eines jedenfalls steht fest: Der Bedarf an neuen Flugzeugen in China wächst rasant. Bis 2024 werde das Land zum größten Passagiermarkt der Welt aufsteigen, so die Prognose der Internationalen Luftfahrtorganisation IATA. Mehr als 6.000 neue Flugzeuge im Wert von rund einer Billion Euro dürften chinesische Airlines in den nächsten zwei Jahrzehnten ordern.

Zwei Wege zeichnen sich dabei ab. Entweder Peking verpflichtet die einheimischen Fluglinien einfach, in Zukunft möglichst viele neuen Maschinen bei Comac zu bestellen. Oder Airbus und Boeing bleiben auch in den nächsten Jahren die Platzhirsche am Markt - eine Option, die selbst chinesische Staatsmedien wie die Nachrichtenagentur Xinhua für wahrscheinlicher halten.

Für FACC wäre sowohl die eine als auch die andere Option von Vorteil. Denn die Oberösterreicher beliefern nicht nur Comac und den Mutterkonzern Avic in China, sondern genauso die Erzrivalen Airbus und Boeing. Und die Hersteller Bombardier in Kanada, Embraer in Brasilien und Sukhoi in Russland übrigens auch.

(Industriemagazin.at mit Material von dpa und APA)