Fracht-Plattform : Uber Freight in Europa: Kooperation oder Kampfpreis?

© Uber/Oliver Klug

Ganz ohne großes Aufsehen startete am 24. Juli, einem der heißesten Sommertage des Jahres, die Onlineplattform Uber Freight in Deutschland. Wie in den USA verbindet der amerikanische Fahrdienstleister jetzt per App Kunden und Frächter und garantiert mit einem Algorithmus ermittelte Transportpreise. Die Geschäftseinheit Logistik, in den USA bereits in 48 Bundestaaten und in Europa bisher in den Niederlanden und Deutschland ausgerollt, gilt als Hoffnungsträger von Uber, der noch immer Rekordverluste schreibt und seit dem Börsengang im Mai kräftig an Wert verloren hat. In den nächsten Jahren will man über zwei Milliarden Dollar investieren. Doch von den Superlativen, wie man sie aus den USA gewöhnt ist, ist im Gespräch mit den Uber-Verantwortlichen in Europa nichts zu hören: „Unser Ziel ist es, mit der Plattform den Marktzugang auch für diese kleinen und mittelständischen Unternehmen zu verbessern“, sagt Daniel Buczkowski, Head of European Expansion von Uber Freight zu INDUSTRIEMAGAZIN. Zwar kündigt man den Start in ganz Europa in Zukunft an, über einen bevorstehenden Launch in Österreich lässt man sich jedoch nicht in die Karten blicken: „Zu einem möglichen Start haben wir aktuell keine Pläne zu kommunizieren“, meint Kathrin Stoiser, Sprecherin von Uber Austria.

Disruptiv? Wahrscheinlich nicht

Ein möglicher Grund für die Verhaltenheit ist: Das Geschäftsmodell von Uber Freight ist nicht neu. Es gibt bereits zahlreiche Plattform-Anbieter, die den Markt bearbeiten. Neben der nach eigenen Angaben europaweit führenden Frachtenbörse TimoCom haben sich mit Trans.eu, Saloodo oder Loadfox weitere virtuelle Marktplätze für den Handel mit Frachtkapazitäten herausgebildet. Digitale Speditionen wie Freighthub, Instafreight, Cargonexx, Flexport oder Sennder, die einen höheren Servicelevel anbieten, sind zuletzt mit Kapitalspritzen wachstumsfit gemacht worden. So hat etwa Sennder von Industriepartnern im Frühjahr fast 100 Millionen Euro und Freighthub rund 30 Millionen Euro an Unterstützung erhalten – auch um vor dem Einstieg von Uber Expansionskapital zu haben. „Das Angebot von Uber Freight erscheint mir nicht als revolutionär“, so Wolfram Groschopf vom Institut für Logistik und Transportwirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien. „Und es ist definitiv nur für jenen Teilmarkt interessant, in dem Transportleistung ausschließlich über den Preis eingekauft wird.“

Längst betreiben auch Branchenriesen digitale Frachtbörsen – mit einem essenziellen Vorteil: Sensibe Firmendaten bleiben in den geschlossenen Marktplattformen geheim. „Sie sind natürlich keine direkte Konkurrenz zu externen Marktplattformen, weil kein Zugang für andere Marktteilnehmer besteht“, sagt Wolfram Groschopf.

In Europa ganz anders?

Während der Europastart von Uber Freight für große Resonanz in der internationalen Fachwelt sorgte, reagiert die heimische Branche überraschend zurückhaltend. Auch weil man den neuen Player in Europa vielleicht noch nicht ganz ernst nimmt – obwohl das Unternehmen mit Vermittlungsprovisionen in den USA mittlerweile Quartalsumsätze von mehr als 125 Millionen erzielt. Doch während in den USA viele Fahrer mit ihrem Truck auf eigene Rechnung arbeiten, ist die Branche in Europa von mittelständischen Unternehmen mit eigenen Flotten geprägt. „Zudem gibt es grundsätzliche Unterschiede im Transportmarkt, was die Bedeutung der einzelnen Verkehrsträger Straße, Schiene und Binnenwasserstraße betrifft“, erklärt Wolfram Groschopf. Aber er gibt zu bedenken: „Die Integration in das Logistics Business Network von SAP, die Uber Freights im Frühjahr gelungen ist, könnte Hebel sein, um bestehende Kapazitäten kurzfristig besser auszulasten.“

Keine Freude bei den Transporteuren

Die führenden Top-Logistikunternehmen des Landes wollen keine Einschätzung des neuen digitalen Konkurrenten und dessen Ambitionen abgeben. Einheitlicher Tenor: „Kein Kommentar zu Mitbewerbern.“ Obwohl zahlreiche Branchenverbände und Dachorganisationen die Vorteile der Digitalisierung betonen, haben kleine bis mittlere Transportfirmen einen anderen Zugang. Praktiker sehen die Digitalisierung mittlerweile als ein notwendiges Übel in der Branche: „Be- und Entladezeiten müssen etwa online im Voraus gebucht und dürfen nicht verpasst werden, sonst muss der LKW bis zum nächsten Tag warten. Für uns werden Dinge eigentlich eher schwieriger“, meint Stefan Zwanzger, Geschäftsführer von Cargoexpress mit 20 LKW aus Lieboch. Dem Geschäftsmodell von Uber Freight kann Zwanzger, der auch Komplettladungen tätigt, wenig abgewinnen: „Es gibt bereits mehrere Plattformen am Markt. Große Speditionen verfügen auch schon über interne Frachtbörsen für Fahrer und Sub-Frächter. Wir arbeiten nicht damit und wollen uns auch nicht auf Online-Aufträge verlassen.“

Die Stimmung in den heimischen Betrieben verdeutlicht die Befürchtung vor steigendem Preis- und Kostenwettbewerb, der ohnehin zum Alltag im Gütergewerbe geworden ist. Würden selbstständige LKW-Fahrer die neue Uber-App nutzen wollen, um Aufträge zu lukrieren oder die Auslastung zu erhöhen? „Nein“, sagt Marc Heigl von MH Transporte & Handel aus Palfau, „ich arbeite als Ein-Mann-Unternehmen weder mit Plattformen, noch mit Apps, sondern ausschließlich mit Aufträgen direkt vom Kunden.“ Aus Erfahrung wisse er, dass gute Aufträge auf den digitalen Börsen schnell weg seien und das Preisniveau tendenziell sinke: „Die Konkurrenz ist zu groß und die Preise zu schlecht. Das lohnt sich nicht“, so Heigl, der mit einem LKW komplett ausgelastet ist. Das Meinungsbild bestätigt auch Norbert Resch von Resch Transporte mit sieben LKW aus Salzburg: „Wir sind ein regionaler Anbieter und beliefern hauptsächlich Baustellen. Auch wir arbeiten ausschließlich mit Aufträgen direkt von Kunden, die Qualität, gute Preise und Zufriedenheit schätzen. Hin- und Retourfahrten werden bezahlt. Wir haben schlicht keinen Bedarf an einer digitalen Vermittlung.“

Angst vor dem Outsourcing?

Hinsichtlich der Herausforderungen der Digitalisierung in der Logistik teilt Groschopf die Meinung der Praktiker: „Digitalisierung ermöglicht einerseits neue Geschäftsfelder und Value Added Services, kann aber gerade in ohnehin stark preisgetriebenen Marktsegmenten den Wettbewerb zusätzlich verschärfen. Zahlreiche Unternehmen haben in der Vergangenheit bestehende Rahmenverträge mit ihren Logistikpartnern aus Kostengründen gekündigt und kaufen Transportleistungen über Plattformen ein. Outsourcing ist ein Trend, erspart aber oft nur wenige Euro pro Sendung.“ Der Experte gibt zu bedenken, dass in einigen Fällen jedoch auch der Servicelevel sinke, so beispielsweise durch fehlende Ortskenntnis der Fahrer oder lokale Gepflogenheiten in einzelnen Logistikzentren. Resultierende Folgekosten sowie nachlassende Kundenzufriedenheit können Einsparungen im Transportbereich rasch übersteigen.

Für etablierte Kontraktlogistiker wie Wattaul aus Pöchlarn mit 320 Mitarbeitern und 225 Fahrzeugen scheidet der Nutzen an einer digitalen Marktplattform von vornherein aus, wie Jürgen Öllinger bestätigt: „Wir möchten Marktführer im nationalen Stückgut werden und setzen auf Großkunden, die uns direkt beauftragen. Qualität und Service stehen dabei an erster Stelle. Leerfahrten gibt es im Nahverkehr keine, weil die LKW den nächstgelegenen Stützpunkt anfahren, um wieder Fracht aufzunehmen.“ Der Marketingverantwortliche sieht die Strategie von Uber kritisch, „aber letztlich entscheidet der Kunde“, so Öllinger.

Kooperation statt Kampfpreis

Für Wolfram Groschopf zählen die geringe Bereitschaft zur Kooperation und mangelndes Vertrauen in der Branche zu den größten Herausforderungen für Logistikunternehmen – ein Thema, das in der Diskussion um Uber & Co bisher vernachlässigt worden ist. Denn die Bereitwilligkeit von Logistikern, Kundendaten in Systeme konkurrierender Unternehmen einzuspielen, sei gering. Besonderen Fokus legt der Experte auf das Thema Datensicherheit, um Kundendaten zu schützen und Missbrauch, beispielsweise durch Identitätsdiebstahl oder Ladungsumleitung, zu verhindern: „Die Frage ist, wie Systeme organisiert werden. Plattform-Lösungen sind zentral organisiert, aufgrund von Größenvorteilen besteht die Tendenz zu marktbeherrschenden Unternehmen, die viel Information und Marktmacht bündeln.“ Eine Alternative zu Plattformen seien dezentral organisierte Netzwerke auf Basis der Blockchain. Im Rahmen eines Blockchain-Konsortiums für die Logistik erarbeitet die WU derzeit mit führenden Technologie-, Industrie- und Logistikunternehmen zukunftsträchtige Lösungen entlang der Supply Chain. Eine wichtige Entwicklung betreffe etwa die Schaffung synchromodaler Transportketten, um verkehrsträgerübergreifende Synergien zu schaffen: „Kunden buchen dann keinen konkreten Transport mehr, sondern einen Liefertermin. Auf Basis von Echtzeitdaten wird dann über alle Verkehrsträger hinweg der günstigste und auch umweltfreundlichste Transportlauf automatisiert durchgebucht und realisiert.“

Insgesamt seien die Auswirkungen auf Österreich bis dato aber noch schwer abzuschätzen, betont Groschopf, „vor allem muss Uber Freight seinen Mehrwert gegenüber anderen Plattformen erst beweisen, um Verlader und Logistiker zu überzeugen“.