Miete Österreich : Wie leistbar ist Wohnen noch und warum haben so wenige Eigentum?

Jan Kluge beschäftigt sich als Ökonom bei der Agenda Austria mit der Frage, wie wir in Österreich und Europa unseren Wohlstand auch in Zukunft sichern können. 

Jan Kluge beschäftigt sich als Ökonom bei der Agenda Austria mit der Frage, wie wir in Österreich und Europa unseren Wohlstand auch in Zukunft sichern können.

- © www.victoriaschaffer.com

Herr Dr. Kluge, ist die Wohnkostenbelastung in den vergangenen Jahren unverhältnismäßig gestiegen?

Jan Kluge:
Nein. Im langjährigen Durchschnitt haben Haushalte in Österreich rund 18 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für das Wohnen ausgegeben. Seit 2022 liegen wir nun bei 19 Prozent. Das ist europäisches Mittelfeld. In Deutschland geben die Haushalte rund ein Viertel für das Wohnen aus. Man muss hier also nicht unnötig dramatisieren. Aber es stimmt natürlich: Bestimmte Haushalte haben Probleme. In den Städten sind die Wohnkostenüberlastungsquoten höher als am Land, bei den Mietern sind sie höher als bei den Eigentümern, bei den Alleinerziehenden höher als bei den Familien und so weiter.

Wie sinnvoll sind Eingriffe in den Wohnungsmarkt generell?


Kluge:
Der Wohnungsmarkt ist natürlich kein Markt wie jeder andere. Wenn sich die Leute keine Ferraris leisten können, dann folgt für den Staat daraus keine verteilungspolitische Aufgabe. Beim Wohnungsmarkt natürlich schon. Trotzdem muss man aufpassen, denn irgendjemand muss am Ende die Wohnungen noch bauen wollen. Einfach einen Deckel auf den Preis zu machen; damit ist es eben nicht getan.

Ist die im vergangenen Jahr beschlossene Mietpreisbremse also keine geglückte Maßnahme?


Kluge:
Nein, sie war eine schlechte Idee. Sie hilft Menschen nicht, die heute schon Probleme mit den Wohnkosten haben. Außerdem deckelt sie erst bei fünf Prozent und auch nur im ohnehin schon geschützten Mietsegment. Auf der anderen Seite stellt sie ausgerechnet die Gemeinnützigen, die ja günstige Mieten anbieten wollen, vor Probleme, da sie spätestens in der nächsten Inflationskrise nicht mehr wissen werden, wie sie kostendeckend arbeiten sollen.

Um der kalten Enteignung irgendwann in der Zukunft zu entgehen, muss man eigentlich heute auf die Förderung verzichten und dafür höhere Mieten verlangen. Ein Trend, dem die Gemeinnützigen ohnehin schon seit Jahren folgen. Sie kompensieren das auch durch höhere Finanzierungsbeiträge, die sie von ihren Mietern verlangen. Das war wohl kaum das Ziel der Mietpreisbremse. Es ist aber eine logische Folge.

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In Österreich sehen die Menschen für sich keine Notwendigkeit, privat in irgendeiner Weise für das Alter vorzusorgen. Man hat diese Sorge an den Staat ausgelagert.
Jan Kluge

Wohnbaupaket, Wohnbedarf und Baukosten

Der Wohnungsneubau lahmt bereits und trifft damit die Bauwirtschaft, vernichtet Arbeitsplätze und verteuert Mieten. Woran krankt es?

Kluge:
Da ist in den letzten Jahren einiges zusammengekommen. Die Baukosten sind extrem gestiegen. Außerdem hat die Zinswende nicht nur die Finanzierung der Projekte deutlich erschwert; sie hat auch den Wohnungsbau als Wertanlage weniger interessant gemacht. Viele Marktteilnehmer erwarten nun fallende Preise im Bestand und die sehen wir ja auch schon. Das Ganze wird noch ein Problem für alle, die eine Wohnung suchen, aber um die Baubranche würde ich mir weniger Sorgen machen. Dort hat man in den letzten Jahren glänzend verdient und muss sich nun eben wieder an normale Zeiten gewöhnen.


Auch die Baubewilligungen sind im Vorjahr, in einer Zeit steigenden Wohnbedarfs durch erhöhten Zuzug, massiv eingebrochen. Löst das Wohnbaupaket der Bundesregierung die Probleme der Wirtschaft und Gesellschaft?



Kluge:
Das Wohnbaupaket ist für mich pure Komik: Man hat den Ländern erlaubt, die Wohnbaufördermittel der letzten Jahre für alles Mögliche zu verschleudern. Jetzt bekommen sie vom Bund noch einmal eine Milliarde zugesteckt, um damit das zu tun, was sie schon längst hätten tun sollen. Um die Inflation zu bekämpfen, wurde die Kreditvergabe der Banken mühsam herunterreguliert. Nun sollen die Länder in Eigenregie billige Kredite vergeben und bekommen das Geld dafür vom Bund.

Die Abgabenbelastung in Österreich ist so hoch, dass ein Haushalt über 1.100 Euro erarbeiten muss, um einen Handwerker zu bezahlen, der davon dann 300 Euro behalten darf. Statt die Abgaben zu senken, soll die Lösung nun der Handwerkerbonus sein, den diese wohl zu einem großen Teil auf ihre Preise aufschlagen werden. Ob man die in Aussicht genommene Zahl an Wohnungen mit dem Paket zustande bekommt, bleibt abzuwarten. Strukturelle Maßnahmen, die langfristig wirken, wären viel wichtiger gewesen. Immerhin sind die Abschreibungsregeln attraktiver geworden. Das war einer der wenigen Lichtblicke im Wohnbaupaket.

Man muss sich immer fragen, warum die Eigentümer nicht vermieten und dabei auf Einnahmen verzichten. Das extrem restriktive österreichische Mietrecht dürfte hier ein Teil der Antwort sein.
Jan Kluge

Leerstandsabgaben und niedrige Eigentumsquote

Die Entscheidung des Parlaments, den Ländern die Befugnis zu geben, Steuern auf Leerstand, Freizeit- und Nebenwohnsitze in erheblicher Höhe einzuheben, trifft auch die Mittelschicht. Geht der lenkungspolitische Effekt einer solchen Abgabe auf?


Kluge:
Das ist sehr zu bezweifeln. Erstens stehen die Wohnungen nicht unbedingt dort leer, wo wir sie brauchen. Eine Ferienwohnung am Wörthersee lässt sich eben nicht nach Salzburg transportieren. Zweitens wird es gigantische Leerstandsabgaben, wie sie von manchen jetzt gefordert werden, auch in Zukunft nicht spielen. Es gibt schließlich immer noch eine Verfassung, die vor exzessiven Eingriffen in das Eigentum schützt. Drittens stehen die Wohnungen nicht ohne Grund leer. Man muss sich immer fragen, warum die Eigentümer nicht vermieten und dabei auf Einnahmen verzichten. Das extrem restriktive österreichische Mietrecht dürfte hier ein Teil der Antwort sein. Und viertens löst sich das bloße Spekulationsmotiv nun sowieso langsam auf, da die Niedrigzinsphase vorbei ist.


Warum wird in Österreich so viel zur Miete gewohnt und nicht wie in anderen europäischen Ländern Eigentum erworben?



Kluge:
In Österreich sehen die Menschen für sich keine Notwendigkeit, privat in irgendeiner Weise für das Alter vorzusorgen. Man hat diese Sorge an den Staat ausgelagert. Man glaubt eisern daran, dass er das marode Pensionssystem dauerhaft mit Steuermitteln am Laufen halten kann. Gleichzeitig hält er die Mieten billig. Rund drei Viertel aller Mieter profitieren in Österreich von teils drastischen Mietpreiseingriffen bei Gemeindewohnungen, Genossenschaften, Richtwertmieten und so weiter. Viele haben daher wenig Lust auf Wohneigentum. Und leisten können es sich viele auch nicht, weil sie netto zu wenig im Börsel haben. Die staatlichen Wohltaten sind schließlich nur mit einer der höchsten Abgabenquoten der Welt (und Schulden, die aber ja auch nur die Steuern von morgen sind) zu meistern.


Würde eine höhere Eigentumsquote volkswirtschaftlich Sinn ergeben?



Kluge:
Wir wissen, dass Länder mit höheren Eigentumsquoten tendenziell eine geringere Vermögensungleichheit aufweisen. Das klingt zwar wie eine Tautologie, ist aber keine: Wer ein Haus oder eine Wohnung auf Kredit kauft, muss für eine lange Zeit seinen Konsum herunterfahren, um während der Tilgung Nettovermögen aufzubauen. Natürlich geht Vermögensbildung auch mit Aktien, aber diesen Sparzwang gibt es dort eben nicht. Eine Regierung tut also gut daran, ihren Bürgern beim Zugang zu Wohnungseigentum zumindest keine Steine in den Weg zu legen. Großflächige Förderprogramme – wie zum Beispiel die Billigkredite aus dem Wohnbaupaket – können aber schnell Immobilienkrisen nach sich ziehen, wenn sich herausstellt, dass die Haushalte ihre Kredite nicht mehr bedienen können.