Lieferketten : Lieferketten auf dem Prüfstand: Unternehmen überdenken Strukturen und Prozesse

Schiff Hafen Container Lieferketten

Umschlagplatz Hafen: Containerschiffe sind wichtige Bestandteil von Lieferkette.

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„Nicht lieferbar“: diese Aussage haben viele Produzenten und Endkunden in den letzten Monaten öfter zu hören bekommen. Bereits im Dezember 2021 klagten rund 70 Prozent der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes über Lieferengpässe, die ihre Produktion gefährdeten. Am stärksten betroffen waren die Autoindustrie und der Maschinenbau - und die Probleme dauern an.

Jahre lang galt bei den Liefer- und Wertschöpfungsketten die Devise: billiger. So kostengünstig wie möglich zu produzieren, bedeutete aber auch, Produktionsstätten an ferne Orte auszulagern. Das klappte für einige Jahre gut, doch dann kam das Virus. Und mit ihm wurden wichtige Transportwege gekappt und Lieferketten massiv gestört. Quarantäneverordnungen in Asien - insbesondere in China - beeinflussten die Lieferketten noch immer nachhaltig und führten schon früh dazu , dass ganze Häfen oder Produktionsanlagen still standen.

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Ein weiteres Mosaiksteinchen in dieser Misere war der Einbruch der Industrienachfrage. Die Folge: Viele Produzenten von Vorprodukten drosselten ihre Produktionskapazitäten. Hersteller, die auf diese Waren angewiesen waren, waren damit ebenso gezwungen, zurückzuschalten. Davon betroffen sind auch viele österreichische Unternehmen: Durch Kurzarbeit und gehemmte Kauffreude wurde die Produktion heruntergefahren. In weiterer Folge mussten auch Spediteure, Häfen und Reedereien Personal entlassen und die Kapazitäten nach unten schrauben. Ein Fahrstuhleffekt wurde in Gang gesetzt.

Just-in-time-Produktion verschärft die Problematik

Ein weiterer Faktor, der die Problematik negativ beeinflusst, ist die Just-in-time-Produktion, die in vielen Unternehmen vorherrschend ist. Just-in-time bedeutet, dass ein Betrieb nie einen Überschuss an Beständen hat. Dieses System trägt dazu bei, die Kosten niedrig zu halten. Denn durch eine geringe Lagerhaltung sinken auch die Lagerkosten. Doch Just-in-time funktioniert nur so lange gut, bis ein kleiner Aspekt des gesamten Systems zu schwächeln beginnt. Durch die Probleme in der Supply Chain durch die Pandemie müssen immer mehr produzierende Betriebe mittlerweile Stillstände hinnehmen, da es schlichtweg an den benötigten Teilen fehlt. Es bleibt abzuwarten, wann sich der Trend wieder erholt.

Supply Chains auf dem Prüfstand

Die Folge all dieser Entwicklungen: Unternehmen überdenken nicht nur ihre Produktionsstrategien sowie Just-in-time-Bestrebungen, sondern ihr gesamtes Beschaffungsmanagement – von der Betreuung der Kundenaufträge über die Materialbuchungen und den Herstellungsprozess bis hin zum Versand. Während die einen darüber nachdenken, ihre Lagerbestände wieder zu erhöhen, wägen andere ab, ob es künftig besser wäre, gewisse Komponenten wieder selbst herzustellen, ausgelagerte Teilbereiche zurückzuholen oder verstärkt mit regionalen Zulieferern zu kooperieren.

Für Österreich ist China nach Deutschland der zweitwichtigste Importeur. Durch die Kapazitätsengpässe in der Supply Chain fehlen daher nun vor allem jene Produkte, die „Made in China“ sind. Um Käufer nicht zu verlieren, wollen erste Unternehmen künftig wieder vermehrt in Europa oder gar in Österreich produzieren. Fraglich bleibt hierbei jedoch, wie schnell dieses Netzwerk auf die Beine gestellt werden kann, nachdem es jahrelang den Trend der Abwanderung gab. Auch die Anzahl der Lieferanten steht im Fokus so mancher Überlegungen: War es bisher gang und gäbe, diese möglichst klein zu halten, um Kosten zu sparen und den Administrationsaufwand gering zu halten, so könnten Zweit- oder Dritt-Lieferanten für besonders wichtige Produkte Abhängigkeiten mindern. Und damit Firmen mehr Spielraum gewähren.

Generell sind klare Informations- und Materialflüsse, nachvollziehbare Prozesse und eine rationale Auftragsabwicklung einmal mehr Trumpf. Auch die Produktionsplanung steuert den Materialfluss maßgeblich. All diese Aspekte vereint ein umfassendes Supply Chain Management. Eine effiziente Logistikkette beginnt bereits beim Materialzukauf. Alle drauffolgenden Prozessschritte sind gleichermaßen zu betrachten, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Einige Unternehmen hierzulande haben hierfür bereits größere Teams zusammengestellt, die sich ausschließlich damit beschäftigen, die Lieferketten zu optimieren.

Nachhaltigkeit im Fokus

Immer wichtiger wird auch der Nachhaltigkeitsaspekt in der Supply Chain – nicht nur um die Klimaziele zu erreichen. Demnach spielen laut einer aktuellen Studie bereits für 25 Prozent aller Maschinenbauer Themen wie Nachhaltigkeit bei der Auswahl von Lieferanten eine Rolle.

Transport verursacht nach wie vor jede Menge CO2 und der Wechsel zu einem nachhaltigen Warenverkehr geht nur mühsam voran. Das liegt teils auch an der fehlenden Infrastruktur. Bahntransporte sind völlig ausgebucht, neue Kapazitäten oftmals noch nicht absehbar. Auch der Transport mit Containerschiffen steht aufgrund seiner Umweltbelastung in der Kritik – ohne konkreten Lösungsvorschlag. Kaum besser sieht es für den Transport per Luftfracht aus. Eine bessere Verzahnung zwischen Herstellern und Zulieferern ist hierbei unabdingbar. Zudem muss die generelle Bereitschaft für eine Transformation nach ökologischen Vorgaben in Firmen weiter steigen. Momentan konzentrieren sich viele Unternehmen erst einmal „nur“ auf gemeinsame Verpackungsstrategien, eine ökologische Optimierung der Transportwege oder Forschungsprojekte. Doch es gibt auch erste Erfolge zu vermelden: E-Lkw werden bereits in Serie produziert und sollen bereits in wenigen Jahren immer häufiger auf den internationalen Verkehrsrouten unterwegs sein. Wie schnell eine nachhaltige Supply Chain realisiert werden kann, wird allerdings auch vom Druck der Konsumenten beziehungsweise der Betriebe abhängen. Je lauter die Rufe nach einer Veränderung, desto schneller muss sich die Supply Chain neu aufstellen.